Sie ist die Vizepräsidentin der Hochschule Augsburg für Nachhaltigkeit und Forschung, engagiert sich bei Scientists for Future und ist als Co-Vorsitzende im Nachhaltigkeitsbeirat der Stadt Augsburg – Prof. Dr. Nadine Warkotsch. Sie ist sich sicher, „Technologie ist der Schlüssel zur Rettung des Klimas und letztlich der Welt“. Doch gerade in Fächern, die für die Bewältigung der Klima-Krise essenziell wären, fehlen Studierende. Marc Kampmann sprach mit der Wissenschaftlerin über die Herausforderungen der Hochschule.
AUGSBURG JOURNAL: Für Technologien, die den Erhalt unseres Planeten sichern könnten, scheint die junge Generation wenig Liebe zu hegen, wir hörten von einer regelrechten Studierendenflaute. Können Sie das bestätigen?
Nadine Warkotsch: Ein Mangel an Nachwuchskräften betrifft inzwischen fast alle Berufsfelder. Wir sind überzeugt, dass die Absolventinnen und Absolventen aus Studiengängen wie beispielsweise Umwelt- und Verfahrenstechnik, Maschinenbau und Elektrotechnik sehr viel beitragen könnten zur Lösung der Klima-Krise, und da könnte die Nachfrage durchaus aktuell noch größer sein.
AJ: Gerade bei Maschinenbau denkt man aber auch nicht automatisch an Klimaschutz.
Prof. Warkotsch: Dass gerade Maschinenbau und auch Elektrotechnik eine so entscheidende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen, ist auf den ersten Blick nicht gleich zu erkennen – bei Umwelt- und Verfahrenstechnik ist das vermeintlich einfacher, schließlich steckt die Umwelt da bereits im Namen. Unsere Maschinen, die Materialien, aus denen sie und ihre Produkte konstruiert werden und ihre digitale Steuerung sind aber selbstverständlich ein großer Teil der Gesamtproblematik – sie sind für Unmengen an CO2 verantwortlich. Viel wichtiger aber und positiv gedacht: sie sind der Schlüssel zur Lösung! Natur- und Technikwissenschaften sind die größten Hebel, die uns zur Verfügung stehen, um diese Krise zu bewältigen.
Denken wir an das Thema erneuerbare Energien: Wir brauchen engagierte und kluge Ingenieurinnen und Ingenieure, die maximal effiziente Anlagen für die Erzeugung von Strom aus Sonne, Wind und Wasser denken, konstruieren, steuern und reparieren können. Wir brauchen die Energiespeicher, die die eingefangene Energie dezentral in unsere Stromnetze integrieren. Wir brauchen pfiffige Köpfe, die pfiffige neue Materialien entwickeln, die den Anforderungen der neuen Technologien und Systeme gewachsen sind. Da gibt es jede Menge Spannendes zu tun.
AJ: Haben sie Verständnis, wenn der Nachwuchs, die Meinung der Wissenschaft in seinen Debatten vorbringt, sich aber selbst nicht an Forschung und technischen Lösungen beteiligen mag?
Nadine Warkotsch: Beispielsweise unsere Studierenden in den Bereichen Energieeffizientes Planen und Bauen und Energie Effizienz Design tun dies schon seit vielen Jahren. Ich versuche mich immer wieder auch in die Rolle der jungen Menschen zu versetzen. Und dann fällt es mir sehr leicht, sie zu verstehen. Von mir hat in den 1990ern noch niemand erwartet, dass ich die Welt rette. Und da sah es teilweise auch schon düster aus. Ganz im Gegenteil. Da ging es um sichere Jobs, die im besten Fall auch Spaß machen. Zum Glück war das bei mir die Chemie beziehungsweise die Umweltchemie. Und eine kleine Umweltaktivistin war ich auch schon immer. Fakt ist: Wir sind die Erwachsenen, die Wissenden, die Erfahrenen, und vor allem die, die es in ihrer Macht hätten, jetzt zu handeln. Unsere Jugendlichen müssen erst einmal viele Jahre studieren und sich in diese Positionen bringen, um das Gleiche zu erreichen. Und ich finde nicht, dass wir ihnen vorleben, dass sich dieser Weg lohnt. Weder, was das Ergebnis angeht, noch, was die dabei erlebte oder nicht erlebte Work-Life-Balance angeht. Ich selbst habe lange in der freien Wirtschaft gearbeitet. 40 Stunden reichen da nicht, wenn man etwas bewegen möchte. Welche guten Argumente haben wir, diese Lebensläufe als erstrebenswert anzupreisen? Dazu kommt, dass unser Bildungssystem wenig dazu beiträgt, die jungen Menschen davon zu überzeugen, dass Natur- und Ingenieurswissenschaften wichtig sind, man damit die Welt verändern und schlicht Spaß daran haben kann.
AJ: Wo genau liegen die Fehler im Bildungssystem ihrer Meinung nach?
Nadine Warkotsch: Was mich regelmäßig sauer macht ist, dass die Hauptfächer Mathematik, Deutsch, Englisch und eine zweite Fremdsprache sind. Nichts gegen Fremdsprachen, ganz im Gegenteil. Aber warum nicht statt einer zweiten Fremdsprache Physik, Chemie oder am besten Informatik oder einfach Natur und Technik als Hauptfach festlegen? In einem Land wie unserem, das seinen hohen Lebensstandard insbesondere aus dem Maschinen-, Anlagen- und Automobilbau, aus Technik, Elektrik und Elektronik zieht, in dem die meisten Menschen in irgendeiner Form einen Job haben, der davon abhängt – in diesem Land sind alle Technikfächer Nebenfächer! Mein Fazit: Leben wir erst einmal vor, bevor wir von anderen etwas fordern. Verstehen wir erst einmal die Bedürfnisse der jungen Menschen. Sprechen wir erst einmal ihre Sprache. Nehmen wir sie erst einmal ernst, das ist eine Frage des Respekts.
AJ: Gibt es Pläne, die betreffenden Studien-Angebote für die junge Generation attraktiver zu gestalten?
Nadine Warkotsch: Wir haben große Pläne. Gerade entwickeln wir sowohl einen Bachelor- als auch einen Masterstudiengang, in dem interdisziplinär und mit maximalem Anwendungsbezug Nachhaltigkeit gelehrt werden wird – wir sind ja schließlich eine Hochschule für angewandte Wissenschaften. Wie das ganz genau aussehen wird, das erarbeiten wir gerade gewissenhaft mit allen Stakeholdern, insbesondere der regionalen Wirtschaft, den Expertinnen und Experten in den Fachdisziplinen an unserer Hochschule und natürlich mit unseren Studierenden.
AJ: Wie sieht es denn beim Thema Nachhaltigkeit speziell an ihrer Hochschule aus?
Nadine Warkotsch: Wir führen viele – kurz-, mittel-, langfristige und strategische – Maßnahmen und Projekte im Bereich der Nachhaltigkeit durch. Das Präsidium hat auf meine Initiative hin im September dafür, zusätzlich zum Nachhaltigkeitsbeirat, eine Task Force Nachhaltigkeit ernannt. Diese ist zunächst zeitlich begrenzt auf zwei Jahre und setzt sich aus den für die benötigten Handlungsfelder besonders spezialisierten und engagierten Personen unserer Hochschule zusammen: Prof. Dr. Sabine Joeris (Lehre), Prof. Dr.-Ing. Christine Schwaegerl (Klima), Georg Kiefel (Betrieb), Prof. Dr. Michael Krupp (Governance), Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Rommel (Forschung) und ich (Forschung, Nachhaltigkeit). Die konkretesten und aktuellsten Maßnahmen sind beispielsweise Energiesparmaßnahmen zur Reduktion unserer Verbräuche um 15 Prozent sowie die Entwicklung nachhaltiger Studiengänge. Um die Wirksamkeit der Energiesparmaßnahmen zu überprüfen, wird die Hochschule eine Begleitforschung durchführen. Prof. Dr. Christine Schwaegerl koordiniert das Forschungsvorhaben und wertet die Energieverbräuche unserer Hochschule aus. Seit Dezember haben wir außerdem einen erfahrenen Klimaschutzmanager, der die Task Force verstärkt und ein umfassendes Klimaschutzkonzept mit uns zusammen entwickelt. Bei allem versuchen wir, partizipativ zu arbeiten, denn ohne die Mitwirkung und Akzeptanz der großen Mehrheit funktioniert nachhaltiges Handeln nicht nachhaltig.
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