Nach den Feiertagen im Dezember ist oft der Punkt erreicht, an dem man auf die Waage steigt oder mal an sich runterschaut und das ein oder andere Kilo an den Hüften findet, das dort eigentlich nichts zu suchen hat. Da liegt der Schluss nahe, dass das Weihnachtsmahl wohl doch etwas zu opulent ausgefallen ist. Und auch wenn das in vielen Fällen stimmt, kommen die Extra-Kilos nicht allein vom Weihnachtsmahl, „das ist eine Entscheidung, die man oft unbewusst schon im Oktober trifft, wenn die süßen Versuchungen zunehmen“, sagt Ernährungsberater Harald Swatosch.
Dass Swatosch weiß, wovon er spricht, wird schnell klar, denn der Augsburger beschäftigte sich schon früh intensiv mit dem Thema Ernährung, für ihn ist sie Fluch und Segen zugleich. Als Leistungssportler, der bereits mit Anfang 20 an der Essstörung Bulimie litt, startete Swatosch mit denkbar schlechten Voraussetzungen. „Ich habe mich zwar für drei übergeben, aber für fünf gegessen. Schnell war ich bei weit über 100 Kilo. Wäre das immer so weiter gegangen, hätte ich die 30 nicht erlebt“, reflektiert er heute.
Harald Swatosch: Vom Bulimiker zum Ernährungsberater
So entschied er sich für ein Studium der Sportwissenschaften, das er mit der Absicht begann, seine eigene Gesundheit zurückzugewinnen und das Thema Ernährung in der Tiefe zu verstehen. „Bulimie begleitet dich dein Leben lang“, gibt er offen zu, „man kann sie nur beherrschen. Heute übergebe ich mich nicht mehr, aber der Auslöser dafür ist nach jedem Essen da.“
Seine eigenen Erfahrungen führten ihn in die Ernährungsberatung – und zur Arbeit mit Leistungssportlern. In den letzten 15 Jahren hat er unter anderem mit den Augsburger Panthern, dem FCA, den Adlern Mannheim oder dem MT Melsungen zusammengearbeitet. Aktuell betreut er unter anderem die Rosenheim Starbulls und den Deutschen Basketballbund. Während seiner Zeit als Ernährungsberater änderten sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse immer wieder, teils drastisch. „Was früher als ungesund galt, kann heute von Wissenschaftlern empfohlen werden. Eine Zeit lang hieß es etwa, Nüsse sind schädlich, weil sie sehr viel Fett haben, heute weiß man Nüsse sind gesund. Dasselbe gilt für Eier.“ Diese Beobachtungen prägten Swatoschs Philosophie: „Die Ernährungswissenschaft bildet eine Grundlage, aber die Anpassung muss auf den einzelnen Menschen abgestimmt sein.“
Noah Hegge stellte seinen Kaffeekonsum um
Davon profitierte auch Kanute Noah Hegge bei den Olympischen Spielen. Seit Anfang des Jahres arbeiten er und Swatosch zusammen, um ihn bestmöglich zu unterstützen: „Man spürt zwar auch selbst, was einem guttut, aber Harry hat mir mit seinem Wissen eine Bestätigung gegeben, die Sicherheit in meine Abläufe gebracht hat“, so der 25-Jährige. Besonders auf Wettkämpfen, bei denen es auf jede Nuance ankommt, hat sich das als entscheidend erwiesen. Die Feinabstimmung geht dabei über allgemeine Empfehlungen hinaus und umfasst das gesamte Umfeld. „Früher habe ich vor jedem Wettkampf viel Kaffee getrunken, heute lasse ich ihn lieber weg, da ich eine Person bin, die sich schnell bereit fühlt und kein langes Warm-Up braucht – da schadet zu viel Kaffee eher, als dass er hilft“, sagt Hegge.
Swatoschs Arbeitsweise geht über klassische Ernährungsberatung hinaus. Er nutzt Ansätze wie Kinesiologie und Muskelreflex-Tests, um die richtige Balance zu finden. „Es gibt keine Patentlösung für alle“, betont er. „Es geht darum, individuell energieraubende oder förderliche Lebensmittel zu erkennen und die Ernährung auf das persönliche Optimum zu bringen.“
Für Noah Hegge hat sich diese Philosophie ausgezahlt. „Im Training habe ich direkt gespürt, dass ich mich mit den Anpassungen wohler fühle“, erzählt er. „Während Wettkämpfen achte ich dann darauf, genau auf diese Essensgewohnheiten zurückzugreifen.“ In Paris verließ er sich vor jedem Wettkampf auf seine Basis-Ernährung – Porridge mit Haferflocken, ein bisschen Obst und leichte, fettreduzierte Kost. „Es war kein großes kulinarisches Erlebnis, aber es hat funktioniert“, sagt er mit einem Lächeln. Am Ende kehrte er als einer von zwei Augsburger Medaillengewinnern (Bronze) glücklich in die Fuggerstadt zurück – das Ergebnis seiner harten Arbeit und der Unterstützung seines Teams, zu dem auch Swatosch zählt.
Mit seiner Philosophie möchte der 51-Jährige nicht nur Sportlern, sondern auch allen anderen helfen, ihr Leben bewusster zu gestalten – sei es durch den richtigen Snack vor dem großen Wettkampf oder durch eine kluge Entscheidung im Oktober, die sich nach den Feiertagen auszahlt.
Lesen Sie auch: Kammerorchester des Gymnasiums Maria Stern: Ständchen für Franziskus