Was sind das nur für Leute in Augsburg? Betrachtet man die aktuelle Untersuchung zur regionalen Kaufkraft des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), müssten die Augsburger allesamt mit gesenkten Köpfen unterwegs sein. Platz 391 von untersuchten 400 Regionen, na hoppla.
Nur wenige Tage zuvor zeichnete aber der Glücksatlas der Süddeutschen Klassenlotterie ein deutlich anderes Bild: Augsburg ist eine der glücklichsten Großstädte Deutschlands und liegt auf Rang 7 im Städteranking, im Süden sogar auf dem ersten Platz. Bei der Lebensqualität, also den messbaren Indikatoren wie etwa Einkommen, Gesundheitsversorgung oder Grünflächen, liege Augsburg im Städtevergleich im oberen Drittel (Rang 11 von 40).
Platz 391 von 400? Wolfgang Puff staunt – und zweifelt. Aus Sicht des Handelsverbandes, dessen Bayerischer Vorsitzender er ist, könne man einen Raum wie Augsburg nicht definieren, indem man allein innerhalb der Stadtgrenzen schaue. Jeder Handelsunternehmer betrachte – offensichtlich anders als die Ersteller der Studie beim IW – zumindest den Gürtel jener Städte wie Stadtbergen, Neusäß, Gersthofen, Friedberg oder Königsbrunn ebenfalls mit. In einem größeren Blick – auch Kommunen wie Mering, das Lechfeld oder Diedorf miteinbezogen – rangiere Augsburg mindestens im deutschlandweiten Durchschnitt der regionalen Kaufkraft, schätzt Puff.
Augsburg arm, aber beim Glück ganz vorn
Sein Augsburger Kollege Andreas Gärtner geht einen Schritt weiter: „Eine Stadt wie Augsburg, die aufgrund ihrer Geschichte als Arbeiterstadt, der daraus resultierenden Erwerbsstruktur, ihrer Situation als Stadt mit vielen Migranten eine unterdurchschnittliche örtliche Kaufkraft aufweist, muss geradezu ihr Umland miteinbeziehen.“ Für Entscheider in Politik und Verwaltung bedeute das auch, für eine gute Erreichbarkeit aus dem Umland zu sorgen.
Freilich, so Puff und Gärtner, hätten die Entscheider der Handelsunternehmen diese und weitere andere Daten mehr vorliegen. Daten, die entsprechend für oder gegen die Entscheidung zum Eröffnen eines Standorts, einer weiteren Filiale, in Betracht gezogen würden. „Verfügbares Einkommen spielt da ebenso eine Rolle wie beispielsweise die Lage eines möglichen Standorts, dessen Kundenfrequenz oder die Erreichbarkeit mit den unterschiedlichen Verkehrsmitteln“.
Was den Zuständigen der jeweiligen Handelsunternehmen als weitere Stellschraube in Sachen verfügbares Einkommen der Bürger zur Verfügung stünde: Die Ausgestaltung des Sortiments. Ja, da gebe es jene Filialisten, die im gesamten Bundesgebiet dasselbe Sortiment zur Verfügung stellten. Wie zum Beispiel die bundesweit präsenten Discounter.
Es gebe aber auch jene Handelsunternehmen, die dieses Sortiment eben detaillierter abstimmten. „Da zeigt sich dann, ob die teure Südfrucht, der exklusive Käse oder auch der besondere Wein Eingang in das Warenregal finden – oder eben nicht“.
Auf den vordersten Plätzen des regionalen Kaufkraft-Indexes, in den das verfügbare Einkommen ebenso eingeht, wie der örtliche Preisindex, stehen die Landkreise Starnberg und Miesbach (unweit von München) oder Sylt (Nordfriesland). Ganz unten rangieren Offenbach, Gelsenkirchen und Duisburg.
Dass die Augsburger „arm, aber glücklich“ sind, ist für Professor Jörg Buchtal, Diplom-Wirtschaftspsychologe (Hochschulen Fresenius München) erklärbar. „Es gibt in der Forschung verschiedene Ansätze zu erklären, dass Glück nicht gleichbedeutend mit Kontostand ist. Gemäß dem ,Easterlin-Paradox‘ geht eine Erhöhung des Einkommens ab einer bestimmten Schwelle nicht mehr zwangsläufig mit einer Verbesserung des subjektiven Glücksgefühls einher.“
Einkommen nicht gleich Lebensglück
Wobei Glück auch immer mehrdimensional zu betrachten sei, so der Psychologe. Soziale Bindungen hätten darauf ebenso einen Einfluss wie kulturelles Erleben, das Gemeinschaftsgefühl und das Empfinden des Lebensumfelds.
Jemand, der wie er in München lebt und arbeitet, empfinde bei den Menschen in Augsburg eine hohe Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit gegenüber ihrer Stadt.
Buchtal: „Der Augsburger sieht in seiner City, zum Beispiel in der Maximilianstraße, ihm vertraute Restaurants, Cafés und Bars, die er kennt und schätzt. Durch dieses erfüllende soziale Umfeld hat er deutlich weniger das Bedürfnis, sich mit dem Status anderer zu vergleichen.“
Das bestätigt indirekt die Aussage der Glücksatlas-Macher, wenn sie sagen: Die höchste Lebenszufriedenheit findet sich in Städten, die familiär, beschaulich, sicher und grün geblieben sind.
Hohe Einkommen und Wirtschaftskraft spielen für das Lebensglück nur eine untergeordnete Rolle. Reiche Städte wie München sind nur im Mittelfeld, ärmere, wie zum Beispiel auch Erfurt, stehen an der Spitze. Kassel ist demgemäß die glücklichste Stadt Deutschlands, Rostock die unglücklichste der 40 größten Städte.
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