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Dreifach-Mord in Langweid: War der Täter eine tickende Zeitbombe oder ein netter Typ von nebenan?

Es ist alles voller Blut hier, ich werd‘ verrückt!“, diese verzweifelten Worte schallten aus dem Telefonhörer, als bei der Polizei der erste Notruf einging. Es war Juli vergangenen Jahres, als die Schock-Meldung plötzlich durch die Medien ging. In der Gemeinde Langweid am Lech – ein beschauliches Örtchen mit knapp 7.500 Einwohnern – ist aus einem Nachbarschaftsstreit ein Dreifach-Mord mit zwei Schwerverletzten entstanden. Der mutmaßliche Täter? Der 64-jährige Gerhard B., der mit seiner Frau eigentlich gerade seine Rente genießen sollte. Nun sitzt der unscheinbare Mann auf der Anklagebank, unter anderem wird ihm Mord und schwere Körperverletzung vorgeworfen. Aber was ist das für ein Mann, der auf einmal vermeintlich kaltblütig drei Menschen erschoss?

„Mit ihm konnte man gut reden“, erinnert sich eine Dame aus Langweid, die namentlich nicht genannt werden will. Zum Prozessauftakt saß sie im Gerichtssaal. Gerhard B. sei viel spazieren gegangen, habe gerne mal geratscht. „Er hatte ein schönes Leben, bei seiner Frau, sie hat gekocht und sich gut um ihn gekümmert“, weiß die Frau. Ein unscheinbarer Nachbar, bis auf die Konflikte mit seinen Hausmitbewohnern ist er vorher nie polizeilich aufgefallen. Bis zum Tag der Tat.

Dreifach-Mord in Langweid: „Er hatte ein schönes Leben“

Es habe nur 16 Sekunden lang gedauert, bis drei Menschen brutal aus dem Leben gerissen wurden. Die Tat wird später im Zuschauerraum mit einer Hinrichtung verglichen. Eigentlich war es nur ein Nachbarschaftsstreit, zwar schon immer sehr impulsiv und von Beleidigungen begleitet, dass er tödlich enden wird, hat dann wohl doch keiner zu ahnen gewagt. Laut Staatsanwaltschaft ging es um Banales: Mal seien die Mülltonnen nicht früh oder spät genug rausgestellt worden, mal sei das Gespräch auf der Terrasse zu laut gewesen. Beim Notruf wird der Ehemann eines der Opfer sagen: „Und ich sage noch, der Mann ist eine tickende Zeitbombe! (…) Ich habe nicht gewusst, dass ihr Mann eine Waffe hat!“ Doch der Mann war Sportschütze und erwarb schon vor langer Zeit einen Waffenschein beim Landratsamt Dillingen.

An besagtem Tag wartete Gerhard B. laut Anklageschrift bereits nach einer wiederholten Auseinandersetzung auf die Familie H. Auch sie waren Bewohner des Mehrfamilienhauses in der Schubertstraße 1. Das 49- und 52-jährige Ehepaar wollte den Einkauf vom Auto ins Haus bringen, als Gerhard B. sich vermeintlich – mit Ohrenschützern – von hinten anschlich. Aus kurzer Entfernung soll der Angeklagte zuerst auf den Mann und dann auf dessen Frau geschossen haben. Beide Opfer starben noch im Flur an den Kopfschüssen und hinterlassen einen minderjährigen Sohn. Anschließend soll der Angeklagte durch eine andere Wohnungstür gefeuert und dabei eine 72-Jährige Nachbarin getroffen haben, die wegen der lauten Schüsse durch den Türspion schaute – offensichtlich habe Gerhard B. darauf spekuliert – auch sie erlag später ihren Verletzungen. Der Ton der gesamten Tat wurde – versehentlich – vom Handy des ersten Opfers aufgenommen. Dann setzte sich der Mann laut Staatsanwaltschaft in sein Auto, fuhr nur wenige Straßen weiter zum Sohn der getöteten Nachbarin und feuerte auch dort durch die Tür und verletzte ihn und dessen Freundin schwer.

Während die Anklageschrift verlesen wird und die beiden eingegangenen Notrufe abgespielt werden, verzieht Gerhard B. keine Miene. Er habe bis auf wenige einzelne Momente keine Erinnerung an die Tat und könne sein Handeln nur mit einem „psychischen Ausnahmemoment“ erklären, wie sein Verteidiger Walter Rubach mitteilte. Lediglich über die Fußfesseln beschwert er sich. Sie seien zu eng angelegt, wie sein Anwalt vor dem Prozess bemängelt.

Bis das Urteil gefällt werden kann, wird noch einige Zeit vergehen. Zu viele Details, Zeugen und Beweise sind Teil des Prozesses. Bis dahin verbleibt Gerhard B. in der Justizvollzugsanstalt Gablingen, wo er seit der Tat in Untersuchungshaft sitzt. Für die Angehörigen und Hinterbliebenen wird es dauern, bis Ruhe einkehren kann. Zum Prozess trägt die Schwester eines der Opfer eine Jacke mit der Aufschrift: „simply live“, auf Deutsch „einfach leben“.

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