Entspannen, erholen, sich den Bauch vollschlagen, Zeit mit der Familie verbringen, einfach mal die Seele baumeln lassen, ob im Urlaub oder zu Hause. Die Weihnachtszeit brachte den allermeisten eine wohlverdiente Auszeit vom Alltagsstress. Bei den Spielern und Verantwortlichen des FC Augsburg dürfte dennoch ein mulmiges Gefühl mal mehr mal weniger präsent gewesen sein. Schließlich werfen die unterschiedlichen Leistungen aus den ersten 15 Spielen der Saison einige unangenehme Fragen auf. Eine kommentierende Analyse.

Wo ist die Intensität hin?

Eines der Merkmale, das den FC Augsburg sowohl in guten als auch in nicht so guten Zeiten ausgemacht hat, war stets, dass es für egal welchen Gegner unangenehm war, gegen diesen Club zu spielen. Nicht die Gegner mit Kombinationsfußball herspielen, sondern mit Intensität und der nötigen Härte, gepaart mit einzelnen schönen spielerischen Aktionen niederringen – lautete seit jeher das unausgesprochene Motto. Zusammenhalt, Verantwortung, Mut und Zielstrebigkeit sind vier der sieben Leitwerte für die der Verein auf und abseits des Platzes stehen will. Auf dem Spielfeld lässt man vieles davon in dieser Saison bislang vermissen. Angefangen beim nötigen Einsatz. Will man ein grobes Bild davon erhaschen, wie sehr sich eine Mannschaft reinhängt, ist es wichtig, nicht nur auf die reine Laufleistung zu achten, sondern auch auf Sprints und intensive Läufe. In der letzten Saison lang der FCA in Sachen Laufdistanz auf Platz 12 der Liga, deutlich vor ihm lag Absteiger Köln (3), deutlich hinter ihm Darmstadt (16) sowie auch der FC Bayern (18). Dieser Wert sagt also nur wenig darüber aus, wie erfolgreich eine Mannschaft Fußball spielt. Bei intensiven Läufen und Sprints verhält es sich anders. Logischerweise müssen die Mannschaften, die wenig den Ball haben, mehr hinterherlaufen und Lücken mit diesen Bewegungen schließen. Hat man also wenig den Ball und rennt wenig, ist dies eine Unheil versprechende Kombination. So belegte der SV Darmstadt in beiden Kategorien in der vergangenen Saison den letzten Platz und stieg folgerichtig sang- und klanglos in Liga 2 ab. Dazu hatten sie den drittwenigsten Ballbesitz.

Ähnlich düster sieht es nun beim FC Augsburg aus. Sowohl bei den Sprints als auch bei den intensiven Läufen belegt man den abgeschlagen letzten Platz, in der vergangenen Spielzeit waren es noch Platz sieben und zehn, also solides Bundesligamittelfeld. Wer immer noch schockiert über den Ausgang der Partie in Kiel ist (1:5), dem sei ebenfalls ein Blick auf diese beiden Statistiken geraten. Denn der Aufsteiger aus Kiel führt, wenn auch knapp, beide Kategorien an. Dennoch droht dem Aufsteiger aufgrund des deutlichen Mangels an individueller Klasse der direkte Wiederabstieg, doch immerhin der Einsatz stimmt. Das kann man über den FCA bis dato nicht behaupten.

Jess Thorup fassungslos an der Seitenlinie. Dieses Bild sah man beim FC Augsburg öfter in den letzten Wochen. Foto: Krieger

Warum sind einige Spieler außer Form?

Anders als von manch einem angedeutet, hat sich rein objektiv betrachtet die Kaderqualität des FC Augsburg von der abgelaufenen zur aktuellen Saison nicht verschlechtert. Natürlich musste man den Verlust von Leistungsträgern wie Ermedin Demirovic, Iago, Felix Uduokhai oder Kevin Mbabu verkraften. Dafür wurde aber auch qualifiziertes Personal verpflichtet. Sowohl Samuel Essende, Dimitrios Giannoulis, Keven Schlotterbeck, Chrislain Matsima als auch Frank Onyeka verkörpern allesamt ordentliches Bundesliganiveau, Alexis Claude-Maurice verkörpert sogar noch etwas mehr, Marius Wolf tut dies bislang nur auf dem Papier. Durch Verpflichtungen wie Nediljko Labrovic, Kristijan Jakic und Yusuf Kabadayi ist der Kader nicht nur in der Spitze, sondern vor allem auch in der Breite verbessert worden. Dennoch ist diese unbestrittene Qualität zu selten auf dem Platz zu sehen. Allen voran Jakic, aber auch Arne Maier und Ruben Vargas laufen ihrer Form aus der Vorsaison teilweise meilenweit hinterher. Andere wie Onyeka oder Labrovic zeigten nach gutem Beginn zuletzt ungewohnt schwache Auftritte. Natürlich war der personelle Umbruch im Sommer enorm, doch auch nach 15 Spieltagen steht noch keine gefestigte Einheit auf dem Platz, eine bedenkliche Entwicklung.

Wo ist der Mut?

Das fünfte Wort im Leitbild des FC Augsburg ist Mut. Eines für das der FCA in dieser Saison, so war zu hören, gerne stehen wollte. Trainer Jess Thorup spricht in Interviews und Pressekonferenzen gerne von der mutigen Spielweise und dem offensiven Mindset, das er seiner Mannschaft einimpfen wolle. Was zu Beginn seiner Amtszeit mit spektakulären Siegen wie dem 5:2 in Heidenheim oder dem 6:0 in Darmstadt des Öfteren gelang, ist in dieser Spielzeit einem pragmatischen Ansatz gewichen. Zu Saisonbeginn kassierte der FCA brutal viele Gegentore, ließ sich zu leicht überspielen und zeigte eine teils katastrophale Besetzung wie Zuteilung im eigenen Strafraum. Dieses Problem bekam Thorup mit einer defensiveren Ausrichtung und einem größeren Fokus auf Konter in den Griff. Die Folge: Der FCA kassiert seitdem mit Ausnahme von Kiel deutlich weniger Gegentore, taucht aber auch deutlich seltener gefährlich im und um den gegnerischen Sechzehner auf. Die Konsequenz dessen sind 17 erzielte Tore nach 15 Spielen – die viertwenigsten der gesamten Liga, zwei weniger als Kiel, eines als Heidenheim und ganze elf Tore weniger als Mainz 05, einem Verein mit dem man sich vor der Saison mindestens auf Augenhöhe wähnte. Doch das Team von Bo Henriksen ist dem FCA spielerisch und tabellarisch weit enteilt.

Ist Jess Thorup der richtige Trainer?

Alle die vorherigen Fragen führen nach jetzigem Stand der Dinge zu einer essenziellen Frage, die nach dem Trainer oder ist das zu kurz gedacht? Jess Thorup ist nach etwas mehr als einem Jahr Amtszeit an einem Punkt angekommen, an dem auch viele seiner Vorgänger nach einem ähnlichen Zeitraum gelandet sind. Weder Heiko Herrlich noch Markus Weinziel in seiner zweiten Amtszeit oder Enrico Maaßen brachten dem FCA eine langfristige spielerische Weiterentwicklung. Ansätze gab es bis auf bei Herrlich, bei allen. Die vielversprechendsten vor Thorup wahrscheinlich unter Maaßen, als man mit dem Mann-gegen-Mann Pressing über den ganzen Platz sogar die Bayern, damals trainiert von Julian Nagelsmann, kräftig ärgern konnte. Auch nach Thorups Ankunft präsentierte man sich zunächst mutiger, stabiler und mit einigen funktionierenden spielerischen Ansätzen. Der FCA wirkte kompakter, gefestigter, riss in den letzten fünf Spielen der letzten Saison aber einiges an guter Vorarbeit wieder ein und verpasste nicht nur das internationale Geschäft, sondern auch die anvisierten Top 10, wenn auch nur knapp. Durch den großen Umbruch im Sommer passte der Däne das System an, verzichtete auf die Raute und stellte um auf die Fünferkette. Jeweils wählte er die Taktik, die am besten zum Spielermaterial passte. Dazu rotiert er wenig, setzt auf eine eingespielte erste Elf. Ein legitimer Ansatz, der die Stammspieler stabilisieren kann, den nur selten zum Einsatz kommenden Ersatzspielern aber auch Selbstvertrauen rauben kann, wie man etwa an den jüngsten Auftritten von Arne Maier gut erkennen kann.
Dennoch ist Thorup keineswegs der Alleinverantwortliche der ausbleibenden Entwicklung. Vielmehr stellt sich die Frage: Wenn unterschiedliche FCA-Trainer allesamt nach 12 bis 18 Monaten an einem ähnlichen Punkt ankommen, liegt es dann alleine am Trainer oder liegt nicht vielmehr ein strukturelles Problem vor? Dieser Frage gilt es sich vereinsintern neutral und ergebnisoffen zu stellen, ansonsten droht sich der immer gleiche Kreislauf auch 2025 und darüber hinaus fortzusetzen, egal ob Jess Thorup oder ein anderer an der Seitenlinie steht.

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