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Es ist nichts völlig Ungewöhnliches, dass Läden die Augsburger Innenstadt oder Einkaufsstraßen in den Stadtteilen verlassen. Wenn aber ein alteingesessenes Unternehmen wie das Modehaus Rübsamen schließen muss, dann gibt das zu denken. Geradezu die gesamte City als Einkaufszone verändern könnte es, wenn „der Karstadt“ in Augsburg schließen müsste, was im Zusammenhang mit dem erneuten Insolvenzverfahren beim Mutterkonzern passieren könnte. Ein genereller Wandel im Einkaufsverhalten (Stichwort Online-Handel) oder die Nachwirkungen der Corona-Pandemie samt Inflation werden vielfach als Problemverursacher für Läden „vor Ort“ genannt – nicht zuletzt gibt es immer wieder auch Kritik an den Kommunen und ihren Innenstadt-Konzepten. So betont Wolfgang Puff, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes in Bayern und als Friedberger ein guter Kenner der Situation in Augsburg, die Bedeutung von (möglichst hoher) Kundenfrequenz in den Innenstädten. Ausgedehnte Ruhezonen oder Flanierstrecken an den Haupt-Einkaufsstraßen stünden dem entgegen. Laut Puff sollte bei der Erreichbarkeit von Innenstädten – auch der Augsburger – aus Sicht des Handels eine Offenheit aller Systeme erhalten bleiben. Das heißt, dass neben dem öffentlichen Personennahverkehr oder einem Radwegekonzept auch die Erreichbarkeit der City mit dem Auto (plus dazugehöriger Parkplätze) gewährleistet bleiben sollte. Jedwedes Signal an (automobilisierte) Kundschaft von weiter her, unerwünscht zu sein, können fatale Auswirkungen für den Innenstadt-Handel haben.

Gewerkschaftssekretärin Sylwia Lech lenkt das Augenmerk auf die unsichere Arbeitsplatz-Situation des Karstadt-Personals, auch jenes in Augsburg: „Für die Beschäftigten ist das absolut bitter. Seit Jahren haben sie auf Teile ihres Lohns verzichtet, um Arbeitsplätze zu retten, und Galeria Karstadt Kaufhof hatte sich in den letzten Monaten neu aufgestellt. Nun ist das Unternehmen aufgrund der Insolvenz des Mutterkonzerns Signa erneut in eine wirtschaftliche Schieflage geraten und für die rund 12.000 Beschäftigten und ihre Familien ist wieder offen, wie es für sie weiter geht“.

Ohne Parkplätze in der Augsburger Innenstadt – kein Geschäft!

Socken gibt es im Erdgeschoss, Handtaschen, Schreibwaren, Uhren… Darüber sind Schuhe und Damenmode zu finden, Sportartikel und Herrenmode, Kurz- und Haushaltswaren, Matratzen, und dann gibt es unter dem Dach noch Spielwaren und ein Restaurant. Ein Warenhaus wie der Karstadt in Augsburg, das ist ein bisschen wie Internet, wo man ja auch alles kaufen kann. Aber während die Möglichkeiten, im Internet einzukaufen, besser und besser werden, könnte es mit dem Warenhaus dem Ende entgegen gehen. Wolfgang Puff hält das Geschäftsmodell eines Warenhauses nach wie vor für tragfähig. Es komme aber auf viele, viele Faktoren an, von der Frequenz über das Personal bis hin zur Architektur eines Geschäftsgebäudes.

Gewerkschaftssekretärin nimmt Unternehmen in die Pflicht

Im Falle des Augsburger Karstadt sieht Handelsverbands-Chef Wolfgang Puff die Zeit des „Cut“ herannahen. Nachdem das Warenhaus in der Bürgermeister-Fischer-Straße mehrfach „wackelte“, als Insolvenzverfahren anstanden, erwartet der Handelsexperte dieses Mal eine klare Entscheidung. Im Insolvenzverfahren der „Galeria-Mutter“ Sigma werde wohl die Situation der einzelnen Kaufhaus-Standorte erneut beleuchtet und individuelle Lösungen hervorgebracht. Wobei alles zwischen Fortbestand eines Kaufhauses in München, Nürnberg oder Augsburg ebenso denkbar sei wie die endgültige Schließung. Zwar, so Puff, halte er selbst es nicht für ausgeschlossen, dass sich doch noch ein Übernehmer für alle noch existierenden Karstadt-Filialen finde, sehr wahrscheinlich scheine es aber nicht. Wahrscheinlicher seien Einzelfall-Lösungen, an denen die Besitzer der jeweiligen Immobilien ebenso beteiligt seien wie die Belegschaft und eventuell ein Handelskonzern. Sogenannte „Mixed-use-Konzepte“ beispielsweise könnten eine Lösung zur Nutzung einer Kaufhausimmobilie sein. Dass beispielsweise die oberen Geschosse, die bei den Kunden weniger beliebt seien, für Wohnnutzung, für Arztpraxen oder für Kanzleien genutzt würden. Dass Angebote wie ein Fitnessstudio mit untergebracht werden oder gastronomische Angebote. Als geradezu unabdingbar sieht Puff, dass in Erdgeschosslagen in den Haupt-Einkaufsstraßen, wo in der Regel die stadtweit höchsten Mieten zu bezahlen sind, Einzelhandel stattfindet. Die dort zu erzielenden Gewinne durch gute Umsätze würden von den Nutzern gebraucht, eben um entsprechende Mieten bezahlen zu können. „Innenstädte müssen sich rechnen“, betont Puff. Das täten sie weniger dann, wenn in besten Lagen Umsatz-ärmere Galerien oder Kindergärten untergebracht würden („Trading down“). Für die Eigentümer eines derart großzügigen Gebäudes wie des Augsburger Karstadt können aber eine neuartige Nutzung im Vorfeld mit erheblichen Investitionen in Umbaumaßnahmen verbunden sein.
Sehr bedauerlich ist nach Puffs Worten die Entwicklung beim Modehaus Rübsamen, das kürzlich angekündigt hat, komplett mit allen Filialen zu schließen. Zunächst wurde ein externer Verwalter im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Eigenregie bemüht, das Unternehmen in verkleinerter Form erhalten zu können (wir berichteten). Puff sah vielversprechende Ansätze bei Rübsamen, wo man sich auch in Sachen Online-Handel engagiert hatte. Besondere Tragik am Rande: Gerade jetzt, wo die Stadt Augsburg die Karolinenstraße zu einem Schmuckstück in der Innenstadt umbaut, geht mit Rübsamen nach dem Drogeriemarkt Müller, dem Buchgeschäft Pustet, der Stadtsparkasse oder Tchibo ein weiteres renommiertes Geschäft verloren.

Keine Zusammenarbeit gibt es nach Worten von Gewerkschaftssekretärin Sylwia Lech mit Rübsamen, dafür aber mit Karstadt. „Die ver.di-Betriebsräte sind mit uns im ständigen Austausch zu der Situation. Zusammen kämpfen wir um jeden Arbeitsplatz“. Bezüglich der Stimmung in der Galeria-Belegschaft, die inzwischen zum wiederholten Male in Sachen Insolvenz unterwegs ist und die möglicherweise einmal mehr „Opfer“ bringen soll, erklärt Lech: „Da aktuell noch nicht klar ist, was konkret auf die Beschäftigten zukommt, kann man nicht viel dazu sagen. Wie den Kolleg*innen zumute ist, dürfte wohl allen klar sein. An niemanden geht es spurlos vorbei, wenn man von einer Krise in die nächste unverschuldet geführt wird.“ Generell bewertet Lech die Situation für Beschäftigte im Einzelhandel in der Region als schwierig. Bereits jetzt spiegele die Einkommenssituation wider, dass rund 75 Prozent der Beschäftigten im Handel in der Rente von Altersarmut betroffen sein werden und sie jetzt schon ohnehin Schwierigkeiten haben bei der Teuerungsrate. Das hat zu Folge, dass es Handelsunternehmen gibt, die eine Personalfluktuation von bis zu 30 Prozent haben (REWE/Penny etwa 25 Prozent). Nachdem auch in Augsburg Fachkräftemangel herrsche, könne man davon ausgehen, dass sich Beschäftigte weg aus dem Handel orientierten zu Branchen mit besseren Arbeitsbedingungen. Dazu brauche es keine Entlassungen. Gerade bei der laufenden Tarifauseinandersetzung feuerten die Arbeitgeber mit ihrer Blockadehaltung diese Umorientierung nur noch mehr an.

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