Die aktuelle konjunkturelle Situation im schwäbischen Handwerk gibt Anlass zur Sorge. Die Stimmung hat sich deutlich eingetrübt und auch die Erwartungen der Handwerksbetriebe für 2025 sind nicht gerade optimistisch. Vor allem die weltpolitische Lage, unter anderem mit der Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten und drohenden hohen Zöllen, die Rolle Chinas sowie der weiter andauernde Krieg Russlands gegen die Ukraine, sind ein Grund dafür. Nach den Bundestagswahlen erhofft sich das Handwerk eine stabile Regierung, die die notwendigen Reformen beherzt anpackt und für verlässliche Rahmenbedingungen sorgt. Wichtig sei im Hinblick auf die Bundestagswahl und eine neue Regierung vor allem, so HWK-Präsident Hans-Peter Rauch und HWK-Hauptgeschäftsführer Ulrich Wagner, dass parteipolitische Scharmützel beendet werden: „Es darf kein Hick-Hack mehr geben. Wir, das Handwerk und die Bürgerinnen und Bürger, erwarten, dass die neue Regierung sich um die Lösung drängender Probleme kümmert und das Land für die Zukunft wieder gut aufstellt. Im Fokus stehen dabei fünf Handlungsfelder.“
1. Freiräume schaffen, Wettbewerbsfähigkeit erhöhen
Handwerksbetriebe und ihre Beschäftigten müssen bei Steuern und Abgaben spürbar entlastet werden. Dadurch können im Handwerk Impulse für Beschäftigung, Investitionen und Kaufkraft gesetzt werden. Die Sozialversicherungssysteme müssen durch nachhaltige und generationengerechte Reformen finanzierbar gehalten und zukunftsfest gemacht sowie versicherungsfremde Leistungen konsequent steuerfinanziert werden. Durch ein energiepolitisches Gesamtkonzept muss eine wettbewerbsfähige, bezahlbare und sichere Energieversorgung gewährleistet werden. Energie- und Wärmewende brauchen Verlässlichkeit und dezentrale Lösungen. Die seit Jahrzehnten vernachlässigte Infrastruktur muss modernisiert werden. Es braucht hohe Investitionen in Schienen, Straßen und Brücken, um für eine funktionierende und wettbewerbsfähige Wirtschaft zu sorgen.
2. Unternehmertum stärken und attraktiver machen
Die Belastung des Handwerks mit Bürokratie muss deutlich reduziert werden. Unverhältnismäßige Berichts- und Dokumentationspflichten müssen systematisch abgebaut werden, ohne notwendige Schutzstandards für Beschäftigte einzuschränken. Die Verwaltung muss schlank und digital aufgestellt werden. Bei Gesetzesvorhaben größeren Ausmaßes müssen verpflichtend vorgelagerte Praxis-Checks durchgeführt und Vertreter des Mittelstands einbezogen werden. Auf europäischer Ebene muss darauf hingewirkt werden, dass sich die Gesetzgebung konsequent an den Bedürfnissen kleiner und mittlerer Unternehmen orientiert. Die nationale Umsetzung muss stringent auf europäische Mindestvorgaben beschränkt werden. Normen und Standards müssen praktikabler, einfacher und mittelstandsgerechter werden. Hans-Peter Rauch: „Wir wollen den Nachwuchs im Handwerk für die Weiterbildung zum Meister, zur Meisterin und zu einer späteren Betriebsübernahme motivieren. Sie sollen Verantwortung übernehmen. Aber unter anderem die ausufernde Bürokratie schreckt viele davon ab. Ein Handwerker soll in erster Linie das machen können, was er kann: sein Handwerk ausüben. Und nicht den ganzen Tag Formulare ausfüllen. Wir brauchen dringend Nachfolgerinnen und Nachfolger in unseren Unternehmen. Dazu fordern wir auch schon seit langem einen Nachfolge- und Gründungsbonus, der junge Menschen zusätzlich motiviert, einen Betrieb zu übernehmen oder aufzubauen.“
3. Potenziale zur Sicherung von Fachkräften ausschöpfen
Bundesweit muss an allen Schulen verpflichtend eine Berufsorientierung angeboten werden, insbesondere auch zu Karrierewegen der beruflichen Bildung im Handwerk. Das soll Jugendlichen die Berufswahl erleichtern und ihnen frühzeitig Perspektiven aufzeigen.
Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der HWK Schwaben: „Wir haben in Bayern mit dem verpflichtenden Tag des Handwerks bereits ein gutes Beispiel, das von den Kammern, Kreishandwerkerschaften, Innungen und Betrieben sehr gut genutzt wird. Das muss ausgebaut werden. Zusätzlich fordern wir auch einen Tag des Handwerks respektive verpflichtende Praktika für Lehrkräfte in Handwerksbetrieben, um ihnen die Welt des Handwerks näherbringen zu können.“
Vielfalt und Weltoffenheit müssen unverzichtbare Voraussetzung für einen attraktiven Wirtschafts- und Beschäftigungsstandort sein. Kleine und mittlere Unternehmen des Handwerks, die Auszubildende oder Fachkräfte aus Drittstaaten beschäftigen wollen, müssen dabei unterstützt werden. Die Meisterqualifizierung, die ein Garant für Verbraucherschutz, Ausbildungssicherung und Gefahrenprävention sowie in vielen Handwerken Ausübungsvoraussetzung ist, muss weiter hochgehalten und gestärkt werden.
4. Bildungsstrukturen des Handwerks stärken
Die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung muss gesetzlich festgeschrieben werden. Die Mittel für die Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (ÜLU) müssen deutlich erhöht werden, um die Ausbildungsqualität sicherzustellen und die stark gestiegenen Personal-, Material- und Energiekosten abzubilden. Die Modernisierung und der Neubau von handwerklichen Bildungsstätten muss auskömmlich finanziert werden.
HWK-Hauptgeschäftsführer Ulrich Wagner: „Wir haben in Augsburg eines der modernsten Berufsbildungszentren in Deutschland. Wir wollen auch an unseren Standorten in Kempten und Memmingen die Modernisierung vorantreiben. Dafür und letztendlich für eine sehr gute und moderne Ausbildung im Handwerk muss ausreichend Geld fließen.“
Angesichts der vielfältigen Forschungsbedarfe im Bereich Robotik, KI und Nachhaltigkeit muss das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand ausgebaut und die Innovationspolitik insgesamt stärker auf Mittelstand und Handwerk ausgerichtet werden.
5. Handwerk weiter in Städten und ländlichem Raum verankern
Die Mobilität von Auszubildenden muss durch ein kostengünstiges Azubi-Ticket unterstützt werden. Azubiwohnangebote müssen deutlich besser gefördert werden. Die Erreichbarkeit von Bildungszentren, Berufsschulen und Betrieben mit dem öffentlichen Nahverkehr muss sichergestellt werden – gerade im ländlichen Raum.
HWK-Präsident Hans-Peter Rauch: „Das Handwerk ist regional und vor allem im ländlichen Raum stark verankert. Dabei geht es nicht nur um die Rolle als Arbeitgeber, sondern auch um soziale Verantwortung. Handwerkerinnen und Handwerker engagieren sich vielfach ehrenamtlich, ob im Sportverein oder bei der Feuerwehr. Diese Leistung muss anerkannt werden und Handwerksunternehmen müssen gestärkt werden, um die Vielfalt und den Zusammenhalt, gerade im ländlichen Raum zu sichern.“
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