Pawsthesis heißt die Augsburger Firma, die Prothesen für Hunde mit dem 3D-Drucker herstellt.
Man möchte es sich gar nicht vorstellen: Der geliebte Familienhund wird krank, oder hat einen schlimmen Unfall und verliert daraufhin eines seiner Beine. Es ist ein Schicksal, das Tier- und Menschenleben verändert. Die Folgen sind extreme Einschränkungen beim Spielen, Toben und Gassigehen, eine Überbelastung der eigentlich gesunden Beine und nicht zu vergessen: ein enormer Pflege- und Kostenaufwand für Herrchen und Frauchen. Für diese scheinbar aussichtslose Situation haben Dominik Hogen (25) und Simon Schuß (24) eine ganz besondere Lösung gefunden: Prothesen für Hunde und Tiere aller Art – frisch aus dem 3D-Drucker. Richtig gelesen: Im Keller der beiden Studenten laufen die Drucker auf Hochtouren und produzieren speziell angepasste Prothesen, Teilprothesen und Orthesen für alle möglichen Tiere, primär Hunde. Und das nicht nur so aus Spaß nebenbei, denn mittlerweile haben sie ein eigenes Unternehmen: „Pawsthesis“.
Pawsthesis verbessert mit Prothesen für Hunde das Leben von behinderten Haustieren.
Die Idee für die Prothesen für Hunde kam den beiden jungen Männern im Rahmen einer Projektarbeit während des Studiums. Beide studierten Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Augsburg. In Friedberg sahen sie dann eines Tages einen Hund mit Rollwagen. Die Idee für das 3D-Drucker-Projekt war geboren. Mit ihrem ersten Prototyp bewarben sie sich erfolgreich für das Exist Gründerstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Mittlerweile drucken bereits vier der eigenen 3D-Drucker fleißig vor sich hin. Und das ungefähr dreimal so viel wie empfohlen. „Deshalb muss ich auch dreimal so oft Wartungen durchführen wie gewöhnlich“, sagt Hogen lachend. Aktuell ist Pawsthesis noch ein Zweimannbetrieb. Lange wird das aber wohl nicht so bleiben. „Ich sag mal so: 40 Stunden arbeiten ist das Minimum, was wir in der Woche machen“, so Hogen. Die Lust am Arbeiten vergeht ihnen trotzdem nicht. „Es macht uns einfach wahnsinnig viel Spaß“, erklärt Schuß. Nachdem – wie bei Menschen auch – jeder Hundekörper anders ist, muss auch jede Prothese bei Pawsthesis individuell hergestellt werden. Den Besitzern wird ein Abdruck-Set inklusive Videoanleitung zugesendet. Damit erstellen die Kunden selbst und daheim den genauen Abdruck des Hunderumpfes und senden ihn an das Unternehmen. Dadurch wird dann auch ein langer Anreiseweg gespart. Sogar die Farbe der Prothese können die Besitzer auswählen.
Der erste Patient von Schuß und Hogen mit Vollprothese war Gulli. Die genaue Vergangenheit des Rüden ist unklar, denn als er über eine Tierschutzorganisation nach Deutschland kam, hatte der Hund bereits nur drei Beine. Das rechte Vorderbein fehlte. Bis heute hilft Gulli bei den Optimierungen der Prothesen für Hunde, denn an ihm wird gerne mal ein wenig getestet. „Hunde kommen auch ohne Prothese klar, sind aber eben dauerhaft in einer Fehlstellung“, erklärt Schuß. Das führe zu einer Überbelastung der verbliebenen Beine und zu Schäden an der Wirbelsäule. Hunde wie Gulli sind irgendwann an Schmerzmittel und medizinische Behandlungen gebunden. Die Prothese verzögere jedoch diese Langzeitschäden. „Mit einer Prothese kann ich meinem Hund Zeit kaufen“, fügt Schuß hinzu.
„Mit Prothesen für Hunde kaufe ich meinem Hund Zeit“
Die beiden Studenten haben sich mittlerweile einen Namen gemacht. Deutschlandweit tollen Hunde mit den bunten Prothesen umher. Auch in Frankreich, Österreich und Litauen haben sie Kunden. Sogar aus China und Portugal kamen bereits Anfragen. Seit Unternehmensgründung sind knapp 200 Bestellungen eingegangen. Denn die Produkte der beiden jungen Männer sind für viele eine attraktive neue Lösung. „Tierärzte wissen oft gar nicht, was es da alles für Möglichkeiten gibt“, so Schuß. Diese lernen während ihres Studiums lediglich den Weg bis zur Amputation. Danach kommen Simon und Dominik ins Spiel. „Tierärzte oder Physiotherapeuten empfehlen uns dann an die Besitzer weiter“. Sogar Vorträge an Universitäten oder für Tier-Physiotherapeuten geben die beiden, um angehende Tierärzte über die Prothesen, Orthesen und Teilprothesen aufzuklären.
Die Möglichkeit zu helfen, komme immer auf die Art der gesundheitlichen Einschränkungen an. „Je mehr vom Stumpf noch da ist, umso besser kann man den Bewegungsablauf wieder herstellen“, erklärt Hogen. Aber nicht nur für Dreibeiner hat Pawsthesis eine Lösung. Eine Unterstützung für Gliedmaßen bei Verletzungen oder Fehlstellungen sind Orthesen. Wie beispielsweise im Fall von Rüde Louis. Er hat einen Defekt an beiden Sprunggelenken, weshalb er selbst nicht mehr genügend Stabilität aufbauen kann, um gerade zu stehen. Seine beidseitigen Orthesen stabilisieren die Gelenke und ermöglichen ihm ein relativ normales Hundeleben.
Nebenbei wird dauerhaft an neuen Ideen getüftelt. „Es geht nicht nur um das Prothesenbauen, sondern immer um eine Weiterentwicklung“, sagt Schuß. So haben sie einen Frontrollwagen für Hunde mit gelähmten oder amputierten Vorderbeinen entwickelt. Aktuell wird auch an einem Pedalsystem gearbeitet, welches automatisch die Durchblutung und die Bewegungsabläufe eines gelähmten Hundes unterstützen soll. Wichtig ist es trotz allem, realistisch zu bleiben. „Man muss sich auch fragen, was hat das Tier noch für eine Lebensqualität“, weiß Hogen. „Wenn ein Hund – extrem gesagt – nur noch ein Bein übrig hat, kann auch eine Prothese nicht mehr helfen.“ Trotzdem: „Wir können fast jedes Handicap bedienen“, sagt Schuß. Alles für den besten Freund des Menschen eben. „Wir haben das alles aus Liebe zum Tier gemacht“, erklärt der Jungunternehmer.
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