Der eine spielt eine rockende, glamouröse Dragqueen, der andere tritt jenseits der Theaterbühne selbst als eine auf – und berät den anderen, wie es richtig geht: Thomas Prazak und Luca Skupin haben sich vor der Premiere von „Hedwig and the Angry Inch“ heute Abend mit dem Augsburg Journal zum Gespräch getroffen. Thomas hat uns erzählt, wo ihn seine Rolle herausgefordert hat. Aber auch, wo ihm Luca Tipps gegeben hat: Wie man geht, steht, schaut. Doch dazu verraten die beiden später noch mehr.
Luca Skupin trat in München bereits als Dragqueen Maeve D’Isabel auf
Luca Skupin ist als Gast für die Produktion am Staatstheater. Er spielt in dem Kult-Rockmusical von John Cameron Mitchell und Stephen Trask Tommy – und ist im echten Leben selbst Dragqueen. Luca tritt seit mehr als einem Jahr als Dragqueen Maeve D’Isabel in München auf, wo es eine relativ große Drag-Szene gebe. Dragqueen Na’Eve, damals Eve N’More, habe ihn aber erst gepusht, sich auf die Bühne zu trauen. Im Namen Maeve D’Isabel stecke auch Eve’s Name drin, „als Hommage, da sie mir den Mut gegeben hat Drag zu machen“, erklärt Luca. Mit ihr hat er auch sein Outfit besprochen, darüber, was eine Dragqueen echt macht. „Ich hatte also schon einen Plan!“, erklärt Luca und lacht. „Gerade am Anfang war es schwierig, ich hatte kaum Make up-Erfahrung, aber mir war wichtig, diese ‚Dark Elegance‘ gut rüberzubringen.“ Black Swan, Tanz, Trauer, dunkle Energie, all das sollte in die Figur einfließen.
Mit Erfolg: Unter acht Teilnehmenden holte sich Luca mit einer anderen Teilnehmerin, die als Frau auftrat, den Sieg. „Das war mega spannend, und seitdem lief es weiter.“ Durch den Sieg folgten einige Gastauftritte in der Landeshauptstadt, etwa bei der All Stars Season der LipsyncBattles der LOVERS im Münchener Stadtmuseum auf dem CSD 2023. Durch das Geld für die Auftritte wurde Drag zum Beruf. Lucas langfristiges Ziel: eine experimentelle Show, eine mit politischer Botschaft, „aber das ist ein Zukunftstraum“.
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Bis dahin kann Luca sich an Hedwig abarbeiten – beziehungsweise an Thomas, der sie auf der Augsburger Bühne verkörpert. Er habe vor „Hedwig“ nicht wirklich Berührungspunkte mit Drag gehabt, erzählt der dem Augsburg Journal: Klar, RuPaul und den „Hedwig“-Film habe er gekannt. Thomas brachte das Stück am Theater ins Gespräch, und wurde tatsächlich besetzt. Dann ging die Feinarbeit los: „Die Regisseurin und ich haben einen Voguing-Kurs gemacht, für die Figuren und Drops. Was ich schön fand: Alle Niveaus waren willkommen und es war kein Stress“, sagt Thomas und lacht. Sein Eindruck: „Ich hab mich solide geschlagen!“
Für Hauptdarsteller Thomas Prazak vom Staatstheater Augsburg war die Rolle der Dragqueen Hedwig ein „zweigleisiges Prozedere“
Dabei sei die Rolle für Thomas ein „zweigleisiges Prozedere“ gewesen, sagt er im Gespräch mit dem Augsburg Journal: „Einmal die Figurenarbeit, die man immer macht: Warum macht Hedwig was? Zum Beispiel, dass sie Drag als Überlebensmodell macht. Und dann hatte ich einmal die lebensechten Figuren von John Mitchell und Neil Patrick Harris [der Hedwig am Broadway verkörperte, Anm. d. Red.] im Kopf. Wir wollten nicht so tun, als ob es diese Vorbilder nicht gäbe, weil Mitchell damit auch Tribut gezollt hat an die Szene. Genauso wie er will ich mich vor den Heldinnen, diesen ganz großen Entertainerinnen wie Tina Turner und Cher verbeugen, die Wegbereiter waren für queer People, Frauen, etc.“
Thomas sagt: „Da war es cool, dass Luca da war: Er hat Dinge validiert, gesagt ‚Das ist Drag‘. Es war cool, jemanden da zu haben, der die Szene kennt.“ Ein Beispiel gibt Thomas auch: „Der Moment, in dem Hedwig sich für die Dragsache entscheidet, und dafür, es groß zu machen, die schlechte Perücke ablegt. Da habe ich versucht zu erklären, was das für mich ist. Ich wollte es auch als schmerzhaften Vorgang zeigen. Und Luca hat das sofort bestätigt.“ Luca ergänzt: „Dragqueens sind auf eine Art die Alchemist*innen der queeren Community. Weil sie eben ihre Traumata, den Schmerz in Humor, Eleganza und Fantasie umwandeln, damit die Zuschauer*innen, vor allem die aus der Community, die oft unter ihren Traumata leiden, die Wahrheit über sich und ihren Schmerz erkennen. Und daran erinnert werden, wo unser Stolz und unsere Kraft als queere Menschen eigentlich geschmiedet wurde und uns dadurch vereint.“
Und wie hat Thomas sich als Hedwig aus Lucas Sicht geschlagen? „Die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen habe ich nie“, sagt Luca und lacht. Stattdessen wirft Luca Thomas Handküsse zu, die auch von einem begeisterten Fan stammen könnten: „Moi, moi, moi! Ich will gar nicht spoilern. Aber in einem wichtigen Moment war dein Gesicht mega schmerzerfüllt und gleichzeitig … [zögert]“. Sein Fazit: „Schaut es euch an!“
Und es gebe ja noch andere Gründe, sich „Hedwig and the Angry Inch“ anzusehen, sind sich beide einig: Es sei leicht, unterhaltend, eine Sitcom. „Man muss sagen, es ist ein mega gutes Konzert. Geile Mucke, vor allem Rock’n’Roll. Viele denken ja bei einem queeren Musical, es muss Whitney Houston sein. Aber die Person Hedwig ist nicht kategorisierbar“, betont Thomas. „Wir hoffen, dass es den Leuten Spaß macht und ankommt!“
Vorstellungstermine von „Hedwig and the Angry Inch“ am Staatstheater Augsburg
Wer sich Hedwig und die Band, bestehend aus Stefan Leibold, Jonas Horche, Tilman Herpichböhm und Niklas Rehle, ansehen möchte – das sind die Vorstellungstermine von „Hedwig and the Angry Inch“ (immer auf der Brechtbühne im Gaswerk, Einführung 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn):
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- Freitag, 15. September 2023, 19.30 Uhr: Premiere mit anschließender Premierenfeier mit Dj Matt Eagle – Organic Dance Music
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- Samstag, 23. September 2023, 19.30 Uhr
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- Mittwoch, 25. Oktober 2023, 19.30 Uhr
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- Mittwoch, 1. November 2023, 18 Uhr
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- Samstag, 18. November 2023, 19.30 Uhr
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- Donnerstag, 14. Dezember 2023, 19.30
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- Sonntag, 31. Dezember 2023 19.30 Uhr
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- Samstag, 20. Januar 2024, 19.30 Uhr
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- Mittwoch, 6. März 2024, 19.30 Uhr