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So war der Start in Augsburg für Jan Eßinger, Regisseur von „The Rake‘s Progress“

Willkommen in der Downing Street No. 10: Nicht der Premier, sondern Jan Eßinger in einem der Bühnenbilder von „The Rake‘s Progress“.

Die schwarze Holztür von Downing Street No. 10 öffnet sich. Heraus kommt nicht der Premier, sondern Jan Eßinger. Mit der aktuellen Opernproduktion „The Rake‘s Progress“, seiner Premiere am Staatstheater Augsburg, überrascht der Regisseur die Zuschauer immer wieder. Bei einem Rundgang hinter die Kulissen zeigt er: Seine verrückte Inszenierung lebt von Zitaten, die Fans des Staatstheaters erkennen werden. Im Stück werden bei einer Auktion etwa ein goldener Gartenzwerg aus „Fidelio“ oder eine orange Flasche aus „The Fairy Queen“ versteigert.

Das Bühnenbild in “The Rake’s Progress”: Eine Tapete als Spezialanfertigung

Und auch das Bühnenbild hat es in sich. Eßinger steht nun in einem der Bühnenbilder, einer Küche. Die Tapete mit Kaffeeservice-Druck ist eine Spezialanfertigung und taucht auch auf dem Kostüm von Sänger Sung min Song (hier finden Sie ein Interview mit ihm) auf. „Wir haben zuerst viele naturalistische Räume, die am Ende surreal verschränkt werden“, erklärt Jan Eßinger in der Kulisse in Augsburg. „Es geht auch um die Frage: Welche Wirklichkeit ist wahr? Mir macht es Spaß, solche Dinge zu verschränken.“

Das Stück mussten sie sich mit seinem sperrigen, hochgestochenen Englisch erst einmal erarbeiten, erklärt Eßinger. „Wir haben versucht, den Kerninhalt herauszuarbeiten, und dann ist häufig eine Situationskomik, Slapstick entstanden.“ Sie hätten versucht, das Stück als das zu nehmen, was es ist, und einen augenzwinkernden Umgang damit zu finden. Also alles nicht zu ernst nehmen: „Letzten Endes ist es eben auch ein Stück Theater über Theater.“ Dafür sei die Musik sehr eingängig: „Das ist Neoklassik, auch im Orchester. Es gibt ein Cembalo, es gibt Rezitative, also es ist mit Mozartopern musikalisch verwandt. Kürzlich ist uns auch noch mal bewusst geworden, wie viele Ohrwürmer wir in den letzten Wochen bekommen haben.“

Abseits der Theaterbühne wohnt Eßinger, der jüngst seinen 41. Geburtstag feierte, natürlich nicht in Downing Street No. 10. Sondern in Augsburg in einer Theaterwohnung. Seine Familie lebt in Den Haag, weil seine Frau Larissa (39) dort als Diplomatin arbeitet. Sie haben auch schon in Berlin gelebt. Eßinger versucht, das Theaterleben familienfreundlich einzuteilen: „Unter normalen Umständen versuche ich schon, mich zu beschränken, wie viele Produktionen ich pro Spielzeit mache.“

Dreimal im Jahr sechs bis sieben Wochen ist er dann unterwegs an den Theatern, „aber besonders die Tage, die ich da bin, habe ich dann auch Zeit. Und kann mir natürlich meine Arbeit so einteilen, dass ich mich morgens und wenn die Kinder im Bett sind, vorbereite. Mittags habe ich wirklich Zeit mit ihnen und das ist mir auch wirklich wichtig“, betont er. Aber das Vorbild scheint nicht abzuschrecken: In den Ferien schauen sich sein Sohn und seine Tochter Papas Stücke an. Etwa in Wien. Sonst gibt Eßinger ihnen manchmal eine Video-Führung von der Probenbühne.

Jan Eßinger kam für die Arbeit ans Staatstheater Augsburg – und ist Fan des vielen Wassers in der Stadt

Und weil Jan Eßinger schon viele Theater und Städte gesehen hat, eine Frage: Wie findet er Augsburg, im Vergleich zu großen Metropolen wie Berlin? Er lacht und sagt: „Also tatsächlich mag ich Augsburg sehr gerne. Ich kannte es vorher nicht. Und was ich einfach toll finde, ist, dass du überall Wasser hast. Und am Wochenende genieße ich das auch total rauszugehen, den Lech oder die Wertach runter, dann zum Hochablass, und sofort bist du wieder im Wald, in der Natur. Gleichzeitig hat Augsburg so eine gute Größe, weil man vieles zu Fuß erreichen kann. Und ich finde, es hat eine wunderschöne Altstadt und habe schon zwei, drei Mal drüber nachgedacht, dass es schön wäre, hier auch mal im Sommer zu sein. Wenn dann alle Leute draußen sitzen in den Cafés.“

Eßinger macht öfter Radtouren, besonders, seit er in Den Haag wohnt – hier durch die Dünen beim Zuiderstrand. Foto: Privat

Auch die Kollegen am Staatstheater bekommen Lob ab: „Mit allen, die da dabei sind, war es einfach von Anfang an so eine gute, konstruktive, vertrauensvolle Atmosphäre. Probenzeit ist auch immer Lebenszeit und bei allem, was wir erreichen wollen, müssen wir die gut miteinander verbringen, um was zu erreichen. Und das war hier möglich.“

Mit der Premiere war er auch zufrieden: „Zwischendurch habe ich das Publikum beobachtet und mich gefreut, wenn die sich gefreut haben.“ Die Sänger hätten eine tolle Energie ausgestrahlt. Und gibt‘s schon weitere Pläne in Augsburg? Zwar kamen viele positive Reaktionen vom Staatstheater. Aber konkrete Pläne gibt es noch nicht. Wir lassen uns also überraschen – wie das Publikum von „The Rake‘s Progress“.

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