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Verschwörungstheorien und KI haben in Augsburgs Theatern Hochkonjunktur – nur noch düstere Aussichten?

Lacht! Solange ihr noch könnt... könnte man auch Moritz Eggert in den Mund legen. Das Interview inklusive Trump-Flaschenöffner fand übrigens noch vor der US-Wahl statt. Foto: Greif

Verschwörung überall im Theater in Augsburg? Donald Trump liegt bereit, als Flaschenöffner auf dem Tisch mit der italienischen Unglückszahl 17: Man könnte meinen, Moritz Eggert hätte sich den Ort des Interviews im Staatstheater im Martinipark ganz bewusst zurechtgelegt. Aber nein: Flaschenöffner-Trump geisterte zufällig schon backstage herum. Aber so ist man gleich im Thema seines aktuellen Stücks am Staatstheater „Die letzte Verschwörung“. Denn die „Pizzagate“-Verschwörungstheorie, die Trumps Team im Wahlkampf 2016 gegen Hillary Clinton nutzte, parodiert Eggert in seinem Stück ebenso wie eine ganze Menge anderer zeitgenössischer Verschwörungstheorien.

Seine Hauptfigur, der Talkshowmoderator Friedrich Quant, gerät durch einen seiner Interviewgäste, den Flat-Earther Dieter Urban, in einen Strudel aus solchen eigentlich absurden Theorien, die nach und nach scheinbar Realität werden – Reptiloiden und Aliens, alles ist dabei. Oder ist doch alles ganz anders?

Shin Yeo, Wolfgang Schwaninger und Jihyun Cecilia Lee in „Die letzte Verschwörung“. Foto: Jan-Pieter Fuhr

Auch das Augsburger Sensemble-Theater, wie später noch erwähnt, widmet sich Verschwörungstheorien und einer etwas dystopischen Aussicht auf das zukünftige Leben mit Künstlicher Intelligenz (KI). Die Karikatur der Katastrophe hat in Augsburgs Theatern Hochkonjunktur, scheint es. Also alles düster, oder was? Eggert sagt, er möchte die Themen der Zeit behandeln – obwohl sie so neu eigentlich nicht sind. „Verschwörungserzählungen sind eigentlich ein uraltes Thema, es hat nur eine Traktion bekommen durch Social Media, weil man damit mehr Leute erreicht.“

Komponist Moritz Eggert: „Humor scheint etwas zu sein, was mit Freiheit zu tun hat“

Und so düster wird es nicht. Es darf auf jeden Fall gelacht werden in Eggerts Oper unter Regie von Staatsintendant André Bücker. Der holte das Stück, nachdem er die Uraufführung an der Wiener Volksoper vergangenes Jahr gesehen hatte, für die deutsche Erstaufführung nach Augsburg. Eggert sagt: „Es geht um Tragik und Humor. Das Stück ist nicht nur lustig, sondern auch gruselig.“ Sein Rezept: Keine Panik vor der Zukunft, sondern Lachen. „Lachen ist das, wovor Potentaten am meisten Angst haben. Lachen und Humor scheint etwas zu sein, was mit Freiheit zu tun hat. Deswegen gibt es auch so viel jüdischen Humor, den bewundere ich sehr.“

Für Konzerte war er bereits hier, aber es ist Eggerts erste Oper in der Fuggerstadt. Eine Oper eigne sich ihm zufolge sehr gut dazu, Absurdes auf der Bühne darzustellen. Und absurd wird es. Für das Stück hat sich Eggert viel mit den gängigen Verschwörungsmythen auseinandergesetzt. Wie weit ist er denn darin abgetaucht? Eggert lacht: „Viel zu intensiv. Das Schlimme: seitdem ich das Stück gemacht habe, immer wieder.“ „Verloren“ ist er aber nicht gegangen, denn er sagt über seine Recherchen: „Ich bin fassungslos, was Menschen glauben. Und dass solche Leute beratungsresistent sind. Selbst wenn man die in den Weltraum schickt, glauben sie nicht, dass zum Beispiel die Erde rund ist.“ Das Problem überall sei, dass Menschen sich aufgrund einer immer komplexer werdenden Realität verloren fühlten. „Verschwörungstheorien machen einen als Individuum wieder wichtig.“

Verschwörungserzählungen und allmächtige KI im Sensemble Theater in Augsburg

Individuen wie Klopp. Er ist die Hauptfigur im Stück „Das Ende der Schwerkraft“, das am 8. November im Augsburger Sensemble Theater Premiere feierte. Klopp glaubt nicht an Verschwörungstheorien. Aber er sieht vermeintlich als einziger „die eigentliche Bedrohung […]: das Ende der Schwerkraft – und damit die Auslöschung allen Lebens auf der Erde.“ Das klingt schon wieder düster, soll es aber auch hier nicht sein: Anne Schuester, die mit Sebastian Seidel das Sensemble Theater leitet, betont im Gespräch mit dem Augsburg Journal: „Aus unserer Sicht ist ‚Das Ende der Schwerkraft‘ kein Stück, das düster ist“, es habe auch komische Momente. Aber Theater solle auch die Themen der Zeit aufgreifen. Schuester betont: „Eskapismus war noch nie das, was wir als Aufgabe des Theaters verstanden haben. Theater entsteht, weil wir uns mit Konflikten auseinandersetzen.“ Also gesellschaftlich relevanten Stoff bieten – aber auf humorvolle Art.

Heiko Dietz in „Das Ende der Schwerkraft“.

Humor ist auch die Waffe der Wahl im theatralen Umgang mit dem ebenfalls hochaktuellen Thema KI. Im Stück „(R)evolution – Eine Anleitung zum Überleben im 21. Jahrhundert“ im Sensemble, das am 28. September bereits Premiere feierte, spielen Florian Fisch, Daniela Nering und Martin Schülke durch, wie der „Alltag mit dem smarten Sprachassistenten Alecto“ und anderen „Annehmlichkeiten“ der nahen Zukunft wie etwa Designerbabys aussehen könnte. Die schlechte Nachricht: Es fängt an ungemütlich zu werden, wenn der smarte Kühlschrank mit der Stimme der eigenen Mutter sich weigert, die Tür zu öffnen – Kalorien hatte man heute schließlich schon genug. Es wird gruselig, wenn die KI, mit der man fast schon eine Beziehung führt, sich als Gehirnchip einpflanzen lassen will. Aber auch hier wird gesungen, getanzt und gelacht. Schuester betont: „Auch aus (Re)volution sollen die Zuschauer mit dem Gedanken rausgehen ‚Was kann ich machen?‘“

Florian Fisch, Daniela Nering & Martin Schülke in “ (R)Evolution“

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