Start News Auf Tour mit Joe Ittner: Roadtrip in die US-Vergangenheit

Auf Tour mit Joe Ittner: Roadtrip in die US-Vergangenheit

Bei einer Cadillac-Fahrt durch Augsburg kann man mit Josef „Joe“ Ittner in die Vergangenheit eintauchen. Der 99-Jährige freut sich nicht nur über den US-Schlitten („Das ist schon ein klasse Auto!“), den sein Freund Peter Auner, Mitglied des Vereins „American Car Friends Augsburg“, durch die Fuggerstadt lenkt.

Er kann auch von früher erzählen: Weil er nicht zur Wehrmacht wollte, meldete sich der gebürtige Sudetendeutsche zur Handelsmarine, überlebte als Zivilist in Norwegen und Schweden. „Während meine Schulkameraden im Schützengraben gestorben waren.“ Nach dem Krieg und zwei Jahren britischer Kriegsgefangenschaft kam er nach Deutschland zurück. In München meldete er sich als Wachmann für die Amerikaner. Beim Labor Service wurde er dort eingesetzt, wo er gebraucht wurde, war lange in Dachau und Bad Tölz. Dann kam er nach Augsburg – und blieb.

Die Amis hatten ihn ja gut behandelt: „Die hatten einen guten Grundsatz: ‚Ihr arbeitet für uns, also behandeln wir euch anständig‘“, so Ittner.

Heute seien eigentlich alle von damals gestorben. Aber im Verein „Amerika in Augsburg“ kümmern sich alle um „ihren“ Joe. Der erinnert sich, dass sein „kitchen english“ absolut ausreichte. Später war Ittner mehrere Male in die USA gereist, vor allem nach Florida, wo eine Nichte lebte. Aber auswandern hätte er nicht wollen. Denn die medizinische Versorgung sei heute in Deutschland viel besser als in den USA.
Angekommen im Amerika Haus, kann Ittner zu jedem Ausstellungsstück etwas aus seiner eigenen Erfahrung erzählen: Wie die Arbeitsuniform, die er damals trug. In der Ausstellung ist noch sein Helm und die Urkunde für 15 Jahre „Zugehörigkeit zu den deutschen Arbeitsgruppen der US Army“ zu sehen.

Joe Ittner: Mit den Amerikanern kamen auch Produkte und Musik nach Augsburg

Die Popcornmaschine und das Kino von damals holen Erinnerungen hoch: „Da gibt’s einen wunderbaren Film, ‚Verdammt in alle Ewigkeit‘“, erzählt Ittner. „Den kannte ich schon auf Deutsch, habe ich mir dann auch auf Englisch angesehen.“ Mit den Musikboxen kam auch die US-Musik nach Augsburg: Elvis und Co. Die Musikrichtung habe ihn zwar überrascht, aber ihm auch gefallen, erzählt Ittner. Auch einen „PX“-Laden mit amerikanischen Produkten, den man nur in Begleitung eines Amerikaners betreten durfte, und ein altes Postamt sind ausgestellt.
Wie Ittner arbeiteten etliche Augsburger für die Amerikaner: Als Wachmänner, Friseure etc. Oder sie vermieteten wie in den 70ern die Familie von Peter Auner Wohnungen an die Amerikaner. „Meine Mutter hatte extra noch einen Englisch-Kurs an der VHS gemacht“, erinnert der sich. Mit den amerikanischen Soldaten in seinem Alter kamen auch das Barbecue und viele „Half Gallon“ Jim Beam.

Ittner kann nicht nur erzählen, dass die Wohnblöcke der Kasernen, die heute noch stehen, keinen Balkon hatten – „denn die Amerikaner hatten Angst vor Scharfschützen“. Er kann auch von Charles Calvin Rogers, Augsburgs erstem schwarzem Standortkommandeur, berichten. „Der sprach perfekt Deutsch und war sehr beliebt.“
Auch durch Traditionen wie das deutsch-amerikanische Volksfest und Sportveranstaltungen wie Laufen und American Football fanden die Menschen zueinander.

Mit Oberst Barbara Fast, der letzten Standortkommandeurin in Augsburg, habe er immer noch Kontakt. Spektakulär sei auch der Auszug der Amerikaner aus Augsburg 1998 gewesen. „Die Amerikaner waren unten im Sportstadion auf dem Rasen. Dann sind die Lichter ausgegangen, das ganze Sportstadion lag im Dunkeln. Dann sind die Amerikaner ganz leise rausgegangen, und die Bundeswehr von Lagerlechfeld kam rein.“

Aber die Verbindung zu den Amerikanern blieb: Bei der Reunion 2018 seien ungefähr 80 Veteranen, die damals in Augsburg stationiert waren, in die Fuggerstadt gereist. Ittner ist wichtig, dass die Zeit damals nicht in Vergessenheit gerät. „Es ist gut, dass jemand sich um diese Zeitgeschichte kümmert.“ Auch wenn Auner sagt, dass er viele ehemalige Soldaten, die Augsburg besuchen, hier durch die Ausstellung führt. „Die können nicht verstehen, dass wir 25 Jahre, nachdem sie weg sind, immer noch an sie denken.“
Die Vereine „Amerika in Augsburg“ und „American Car Friends Augsburg“ erweitert das Amerikahaus gerade um eine Halle, ab Frühjahr 2025 sollen die Räume zugänglich sein – pünktlich zum Jubiläum 80 Jahre Amerikaner in Augsburg.

Der junge Joe Ittner in der damaligen Uniform der „Labor Services Division“.

Joe Ittner hat mit Oberst Barbara Fast, der letzten Standortkommandeurin in Augsburg, immer noch Kontakt.

Joe Ittner in der Halle, die das Amerika Haus erweitern soll.

Joe Ittner führt AJ-Redakteurin Julia Greif durch das Amerika-Haus Augsburg.

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