Fast in keiner Sportart ist Selbsteinschätzung und damit einhergehende Selbstkritik so wichtig wie im Bodybuilding. Jede Muskelpartie des Körpers benötigt Aufmerksamkeit und hartes Training, um bei den Wettkämpfen in bestmöglicher Verfassung zu sein. Dazu kommen strikte Ernährungspläne und Diäten.
Nadine Wackes aus Gersthofen bestritt zwar erst im letzten Jahr ihren ersten Wettkampf, weiß aber ganz genau worauf es ankommt und was eine Wettkampfvorbereitungsphase mit einem macht. „Man geht schon irgendwann auf dem Zahnfleisch, aber man muss sich immer sagen, es hat mich keiner dazu gezwungen.”
Um bei einem Wettbewerb einmal auf der Bühne stehen zu können, trainieren angehende Bodybuilder normalerweise jahrelang in ihren 20ern, während sie dabei akribisch auf ihre Ernährung achten und sich so Jahr für Jahr näher an ihre Topform kämpfen. Nadine Wackes aus Gersthofen hingegen hat ihre Leidenschaft für den Sport erst relativ spät und mehr aus Zufall entdeckt, wie sie beim Gespräch mit dem AUGSBURG JOURNAL erzählt. „Eigentlich habe ich mich nie fürs Bodybuilding interessiert, ich habe aber schon immer viel Sport gemacht, von Badminton über Leichtathletik und Kampfsport war alles dabei.“ Doch nachdem sie sich am Knie verletzte und viermal operiert wurde, hieß es erst einmal: kürzertreten. „Im Rehasport habe ich meine Leidenschaft für den Kraftsport entdeckt“, erinnert sich die 39-Jährige. Nach einiger Zeit wurde sie im Fitnessstudio immer öfter angesprochen, ob sie für die Bühne trainiere oder das Bodybuilding professionell betreibe. „Das hat mich dann schon ein bisschen gereizt, deshalb habe ich letztes Jahr im Juni einen Trainer aufgesucht.“ Der erkannte direkt großes Potenzial in Wackes. „Er meinte, wenn ich Lust habe, könnte ich in drei Monaten das erste Mal auf der Bühne stehen.“ Gesagt, getan, im Herbst letzten Jahres präsentierte die gebürtige Thüringerin ihren durchtrainierten Körper zum ersten Mal bei einem Wettkampf.
Was als eine Erfahrung gedacht war, entwickelte sich schnell zu einer Leidenschaft. In diesem Jahr nahm sie deshalb gleich an acht Wettkämpfen teil, von denen sie gleich drei gewinnen konnte. Zuletzt die stark besetzte DFAC European Championship in Erding am 28. Oktober in der Kategorie Women’s Athletic. Dort bewerteten die Punktrichter ihr muskulöses Erscheinungsbild als das harmonischste aller Kandidatinnen.
In den professionellen Bereich möchte Wackes, die neben ihrem zeitintensiven Hobby im Marketing bei der LEW arbeitet, dennoch nicht vorstoßen. „Ich mache es, solange es die Form hergibt und es sich mit dem Job vereinbaren lässt.“ Konkrete Ziele hat sie sich für das kommende Jahr noch keine gestellt. „Ich mache es nicht für Geld, sondern weil es mir Spaß macht.“
Allen voran um Spaß geht es auch Daniel Pongratz aus Augsburg, der ein absolutes Naturtalent im Bodybuilding ist, denn jeden Wettkampf, zu dem er sich angemeldet hatte, gewann er auch. Sogar die Weltmeisterschaft in der Men’s Physique Klasse in diesem Jahr, bei dem sich der 38-Jährige als bester von insgesamt 23 Teilnehmern durchsetzte.
Daniel Pongratz gewann jeden Bodybuilding-Wettbewerb an dem er teilnahm
Inspiriert von seinem Onkel und Bodybuilding-Ikonen wie Arnold Schwarzenegger begann er 2005 mit dem Kraftsport im Eddis Fitness, einem bekannten Studio in Augsburg, in dem er bis heute trainiert. „Damals hat mein Onkel viel trainiert und war recht massiv gebaut, deshalb habe ich selbst angefangen zu trainieren“, erinnert sich Daniel. Mitte der 2010er-Jahre begann er damit, sein Engagement zu intensivieren und legte nach drei Jahren intensiven Trainings seine erste Wettkampf-Diät ein. Was für die meisten Athleten eine wahnsinnig kräftezehrende Angelegenheit ist, geht Pongratz vergleichsweise leicht von der Hand. „Mir persönlich fällt eine Diät dank meines hohen Stoffwechsels relativ leicht. Ich weiß, was ich essen muss, um nicht hungrig zu sein.“
Dass der Industriemechaniker dann auch jeden Wettbewerb, zu dem er fuhr, gewinnen würde, hätte er sich anfangs nicht vorstellen können. Vor allem bei der Weltmeisterschaft in Spanien in diesem Jahr, zu der er sich auf gerade einmal drei Prozent Körperfett herunterhungerte, erschien ihm ein Sieg zunächst unwahrscheinlich. „Mein Ziel war ein Finalplatz, aber als ich ankam, hatte ich erst den Eindruck, dass die anderen mir in Sachen Gewicht deutlich voraus sind.“ Doch der Schein trog und die Jury kürte Daniel Pongratz tatsächlich zum Weltmeister in der Kategorie Men’s Physique bis 182 cm – „ein super Gefühl“ und sein zehnter Erfolg im zehnten Wettbewerb. Doch er war zudem nicht der einzige Augsburger, der bei der WM abräumte. Sein Studiokollge Thomas Schnelldorfer schnappte sich den Titel des Vizeweltmeisters in der Kategorie „Master Men‘s Classic Physique 50 Years & Over Open“.
Ähnlich wie bei Nadine Wackes kommt für Daniel Pongratz eine professionelle Karriere nicht in Frage. “Ich will lieber ein guter Amateur sein als ein schlechter Profi.” Eine gute Selbsteinschätzung ist eben essenziell.