Von Augsburg nach Verona, „per pedes“ sind dies über 500 Kilometer und dies auch noch über den Brenner-Pass. Dafür brauchte ein römischer Legionär im Durchschnitt 21 Tage. Dies sind wiederum ca. 25 km am Tag. Am Körper und auf dem Rücken trug er dabei um die 40 bis 50 Kilogramm an Gepäck und Ausrüstung. Stolze Leistung der Herren in Sandalen und zugleich Ansporn für mich, jegliches Jammern oder Wehwehchen der kommenden Tor-T(o)ur tapfer herunterzuschlucken. Trotzdem muss ich Obelix beipflichten, denn „Die spinnen, die Römer“. Beziehungsweise haben gesponnen, doch jene Zeiten sind ja lange vorbei. Und mit einem Ferrari, Fiat oder Alfa Romeo kommt man wesentlich entspannter bei unseren italienischen Nachbarn an.
Über das Rote Tor gen Süden geht der Business Walker
Der Startpunkt der damaligen Reisen nach Verona lag nordöstlich des heutigen Doms, an dessen Stelle sich die römische Garnison befand. In der Folge entstand daraus dann die Siedlung Augusta Vindelicorum und schließlich unser heutiges Augsburg. Hier begann auch die „Via Claudia“, die unsere Fuggerstadt mit Italien verband und die den bepackten Legionär über das Rote Tor gen Süden führte. Auch die schöne Stadt Kempten (Cambodunum, in der Folge dann Cambidanum), nach Augsburg die zweitgrößte Stadt des Regierungsbezirks Schwaben, ist übrigens eng mit den eroberungslustigen Südländern verbunden.
Gerade wurde eine Kooperation unserer beiden Römerstädte ins Leben gerufen. Dazu aber mehr in dieser AJ-Ausgabe und im Anschluss an diesen Walk. Denn dieses Mal sollte ja Haunstetten im Fokus stehen. Frisch erholt aus dem Griechenland-Urlaub und ausgiebiger Ouzo-Wellness, wollte ich mich eigentlich ans Werk und „Haunstetta“ (Bezeichnung der hiesigen Bevölkerung) unsicher machen. Leider machte aber des Walkers Rücken diesem Ansinnen ein schmerzhaftes Ende, was eine relativ überschaubare, aber durchaus sehr interessante Tour zur Folge hatte.
Meine erste Station ist der sympathische Bäckermeister Georg Schneider. Seit vier Generationen ist die Familie Schneider der hohen Kunst des Backens treu. „Vollwertbäcker Schneider“, dieser Name ist Programm und dies schon seit dem Jahr 1919. Ich besuche das Bäckercafé Auf dem Nol 4 in Haunstetten und werde bereits von Georg Schneider empfangen. Auch wenn Brot ja eher eine runde und gewölbte Form hat, bin ich hingegen geplättet. Ein wunderbares Ambiente – verbunden mit einem Duft von morgendlicher Glückseligkeit, sowie ein überaus freundliches Personal, dies sind meine ersten Eindrücke, als ich fast feierlich die Treppe in den ersten Stock des Cafés emporsteige, an dessen Ende mich der Inhaber erwartet. Sofort fallen mir die vielen Urkunden auf, die an einer Wand ihren Platz gefunden haben. Die Familie Schneider scheint Auszeichnungen zu sammeln wie andere Panini-Bilder. Wir nehmen an einer der vielen gemütlichen Tische Platz. Von hier oben hat man einen prima Blick auf die Frühstücks-Oase mit leckersten Backwerk. Ab 7 Uhr kann man hier entspannt in einen neuen Tag starten. Snacks wie Flammkuchen sind dann zum Mittagstisch ein Renner. Auch an die kleinen Gäste wurde gedacht. Für diese gibt es eine eigene Spielecke. So können Mama und Papa ihre Konzentration voll und ganz auf die Geschmacksnerven lenken.
Selbstverständlich gibt es auch eine Terrasse. Was mir sofort ins Auge gestochen ist – für seine vielen Gäste bietet Schneider einen kostenlosen Erfrischungs-Point, der mit Kristallen veredeltes Wasser zur Verfügung stellt. Sieht man auch nicht oft. Ein römischer Legionär hatte sich über einen derartigen Service auf seiner Reise gen „Stiefel“ sicher sehr gefreut. Seit Juli 2023 hat Schneider seine Hauptstelle samt Backstube von Neusäß nach Haunstetten verlegt.
Warum die Semmel so heißt
Ach ja, apropos Römer, da schließt sich hier der Kreis: Der Begriff Semmel leitet sich aus dem lateinischen „simila“ (feingemahlenes Weizenmehl) ab. Da waren sie wieder, unsere marschierfreudigen Südeuropäer vom Tiber. Nach einer leckeren Tasse Cappuccino ziehe ich von dannen. Abschließend sei noch festgestellt: Hier wird das handwerkliche Backen wahrlich noch gelebt. Diese Leidenschaft spürt man nicht nur in einem Gespräch mit Georg Schneider, sondern sie tanzt einem förmlich durchs Nasenhaar.
Nun ein kurzer Zwischenstopp bei Fritz Popp. Was dem Römer damals sein Streitwagen, ist heute dem Schwaben sein Fahrrad, bzw. „Bike“, wie es neudeutsch bezeichnet wird. Was war ich damals stolz auf mein „Bonanza-Rad“, in der Folge dann – und dies verdanken wir ausnahmsweise mal nicht den Römern sondern dem außerirdischen E.T. – ein BMX. Was 2Rad Popp hingegen in seinem Verkaufsraum stehen hat, sind wahre Augenweiden. Der humorige Inhaber bietet alles, was des Bikers Herz erfreut. Leider habe ich nur wenig Zeit, weshalb ich mich verabschieden muss.
Es geht nun an die Copacabana, zwar leider nicht an den Zuckerhut, aber zumindest optisch und lukullisch. Gerade zieht der Himmel etwas zu, als ich den Parkplatz des Copacabana in Haunstetten erreiche. Da erscheint auch schon Leonora „Lola“ Burkhardt und lässt die Sonne trotzdem wieder strahlen. Pure Lebensfreude strahlt die Inhaberin des Steakhaus (Unterer Talweg 119) aus. Eine echte Powerfrau. Ursprünglich aus Frankreich stammend, wuchs sie bis zum neunten Lebensjahr in Deutschland auf. Dann ging es nach Brasilien, wo sie 17 weitere Jahre lebte. Ihre Eltern führten dort ein Restaurant und dies erweckte in Lola die Leidenschaft und den Traum, selbst in der Gastronomie erfolgreich zu sein. Nach der Rückkehr nach Deutschland arbeitete Lola, im übrigen auch ausgebildete Barista, stets im Gastgewerbe. Dabei verlor sie niemals ihren Traum der Selbstständigkeit, der sich dann 2020 endlich erfüllte.
Samba im Blut – Genuss auf dem Teller des Business Walkers
Da das damalige Restaurant irgendwann zu klein wurde, eröffnete sie das Copacabana in Haunstetten. Hier bietet sie auch ihren exquisiten Rodizio, einen Abend voller Fleischgenüsse. Dabei taucht man ein in die Welt von 12 verschiedenen Fleischsorten, die mit Leidenschaft und brasilianischer Tradition zubereitet werden. Hier hätten sich die römischen Legionäre damals mehr als nur wohlgefühlt, so wie es die heutigen Gäste tun. Es lockt das Mittags-Büfett für 11,90 Euro oder eben das „All you can eat-Rodizio“ schon ab 28,90 Euro pro Person incl. einem Softgetränk.
Auch die anderen Gerichte auf der Speisekarte entführen den Gast nach Brasilien und in die Schlemmerglückseligkeit. Temperament trifft auf Gemütlichkeit, Lebensfreude auf Genuss. Ich habe diesen Termin wahrlich sehr genossen. Nur beim Parken sollte man etwas aufpassen und vor dem Schild abbiegen. Der Parkplatz auf der anderen Seite bietet zwar auch Fleischesgenuss, dies aber auf etwas andere Art. Dies ist aber eine andere Geschichte.
Ich schnüre jetzt meine „Caligae“ (römische Marschstiefel) und begebe mich in die Johann-Strauß-Straße. Klaus Mühlhaeuser vom CSU-Ortsverband Haunstetten ist meine nächste Wegmarke. Wir treffen uns an der Baustelle der Johann-Strauß-Grundschule. Schnell ein Bild an der Einfahrt gemacht, bevor eines der Baustellenfahrzeuge mich in den Teerbelag stanzt und für die Nachwelt konserviert. Hier fährt es mir schließlich während des Interviews erstmals in den Rücken. Ich lasse mir nichts anmerken, denn Legionäre können weitaus mehr ertragen und zudem weiß Klaus Mühlhaeuser viel Spannendes zu berichten. Es ist einiges los in „Haunstetta“. Da wäre die Hofackerstraße, die zur ersten Klimastraße Augsburg entwickelt werden soll. Ein weiteres Thema: Die Standortsicherung des Uniklinikums Süd sowie von Premium Aerotec. Bei Letzterem entstanden beispielsweise 250 neue Arbeitsplätze. Natürlich ging es auch um den kommenden Kunstrasenplatz, der mehr Spielzeiten für die Sportvereine bieten würde. Und dann hört man das Herz von „Centurio“ Mühlhauser förmlich durch die Lorica Hamata (Kettenhemd) klopfen. Es geht um den Lechsteg, der Haunstetten direkt mit Kissing verbinden würde. Ein Wunsch vieler Bürger (von beiden Seiten des Lechs) und seit 2020 bereits fester Bestandteil im Wahlprogramm der CSU. Dieser würde sicher auch viele Autofahrer dazu animieren, ihr Fahrzeug mit dem Drahtesel zu tauschen. Auch der Walker fände diesen Steg, der Fußgänger wie Radfahrer gleichermaßen beglücken würde, eine tolle und nachhaltige Sache. Die Naturschutzbehörde sieht dies leider noch anders und so wird die „Ponte Licus“ wohl noch auf sich warten lassen und somit „noch viel Wasser dem Lech runterfließen“. Aufgrund des Neubaus der Schule und einer wegfallenden Stichstraße wurde leider die Bushaltestelle aufgegeben und der Abbau läuft bereits.
Ein Feldversuch, der in die Hose geht
Dies ist ebenfalls ein Dorn im Auge von Klaus Mühlhaeuser und dem Ortsverband. Sie kämpfen derzeit für die Anwohner um die Wiederaufnahme in den Linienverkehr. Angeblich komme der Bus aber nicht um die Kurve, so Mühlhaeuser. Also dies kann doch nicht sein, so Mühlhaeuser weiter. Ein kleines Mysterium – denn der eingesetzte Nachtbus driftet problemlos in die Straße. Ich verabschiede mich bei einem sehr sympathischen Mühlhaeuser und führe im Anschluss eine Feldstudie durch.
Ich besichtige den „Highway to Hell“ und seine sagenumwobene „Tamburello-Kurve“. Todesmutig fahre ich diese zwei Mal mit dem Journal-Boliden ab und dies ganz ohne Safety-Car. Im Anschluss begehe ich die Haunstetter Todesspirale auch noch. Dabei fährt es mir nun endgültig in den Rücken, was wohl an den entstandenen und enormen Fliehkräften lag. Nun macht mein Rücken eine Kurve und an eine gerade Haltung ist nicht mehr zu denken. Totalausfall des Walkers in der dritten Runde. Da kommt mir ein Päuschen gerade recht.
Mein nächster Halt ist der Haunstetter Hof mit seinem Geschäftsführer Eros Seferi. Auch hier werde ich bereits erwartet und nehme erst mal Platz auf der wunderschönen Sonnenterrasse. Mitleidig werde ich erst einmal mit einem leckeren Hendl nebst Kartoffelsalat und kleinem Bier versorgt. Seferi setzt sich entspannt zu mir an den Tisch. Das Thema Rücken umgehe ich dabei schnell, denn ein Legionär kennt keinen Schmerz. Zudem überwiegt gerade der Genuss, denn genau so mag ich mein halbes Hähnchen.
Beim Leibgardisten des römischen Kaisers wurde der Business Walker verwöhnt
Dunkle Haut, gut gewürzt und doch saftig. Auch der Kartoffelsalat mundet ausgezeichnet und das Bier erfrischt die Kehle des Wanderers mit Haltungsschaden. Mittwochs ist übrigens immer Hähnchentag! In diesem Biergarten sitzt man herrlich und kann ihn dank der neuen Öffnungszeiten mit warmer Küche von 11 bis 21.30 Uhr auch ausgiebig genießen. Und spielt das Wetter mal nicht mit, was im Sommer 2024 kein Einzelfall wäre, sind auch die Innenräume ein echter Eyecatcher. Mit recht viel Holz zaubert Familie Seferi den Gast in eine urgemütliche bayerische Lokalität. 39 Zimmer empfangen zudem die Hotelgäste aus Nah und Fern. Eros Seferi hätte durchaus bei der Prätorianergarde des römischen Kaisers dienen können, denn selbst mit meinen 1,81 m Körpergröße komme ich mir neben ihm vor wie ein Zwerg. Aber seine gute Laune steckt an und lässt den Schmerz im Rücken fast vergessen. Stolz ist er auf seinen Haunstetter Hof und darf es auch sein. Hier merkt man die Liebe zum Detail und dies auch in Puncto Produkte und Qualität. Also ist der Name auch Programm, schließlich war Eros in der griechischen Mythologie der Gott der begehrlichen Liebe. Jetzt mischen bei dieser Tour also auch noch die Griechen mit.
Nächster Halt Orthopäde des Business Walkers
Ich begebe mich nun in die Obhut des nächsten Orthopäden, um wieder fit zu werden für meine kommenden Walks. Haunstetten war eine Reise wert, auch wenn es in den Rücken fährt. Einst von den Römern nur auf dem Marsch durchquert, ist es heute stets ein Halten wert. Nette Menschen, gutes Essen und noch viel Natur, bieten Shopping und Erlebnis pur. Zu finden ist hier auch das Colloseum unseres „Effzea“ (Augschburgerisch für FCA), wo auch heute noch mit Stadionknacker und Spiel das Volk unblutig unterhalten wird. Eines ist aber wahrlich noch zu klären: Warum hat ausgerechnet Augsburg keine italienische Partnerstadt?
Bis bald! Euer Alex alias der Business-Walker
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