Drei Männer aus Brasilien teilen dieselbe Leidenschaft: das Ballett. Sie erzählen, was ihnen an Augsburg gefällt und wie sie ihren Weg in die Fuggerstadt fanden.
Von Annabell Hörner
Drei Tanzgrößen aus Brasilien leben in Augsburg. Ricardo Fernando, Carlos Demitre und Marcelo Santos de Oliveira sind Balletttänzer, die alle vor vielen Jahren ihren Weg in die Fuggerstadt gefunden haben. Da könnte man fast meinen, das sei abgesprochen gewesen. Dabei lernte sich das Trio erst in Augsburg kennen. Wie sie ihren Weg von Rio de Janeiro hierher fanden und was sie gemeinsam haben, verraten sie im Gespräch mit dem Augsburg Journal.
„Wir haben uns tatsächlich alle erst in Augsburg kennengelernt“, erzählt Fernando. Und das obwohl sie zum Teil sogar Nachbarn in Brasilien waren. Ihren Weg nach Deutschland haben die drei Cariocas also ganz individuell und zufällig gefunden. Anders als in der Heimat unterm Zuckerhut sei es hier aber schon. „Augsburg ist im Vergleich zu Städten in Brasilien sehr sicher“, weiß Fernando. So könne seine Frau hier nachts unbeschwert alleine nach Hause laufen, was in der Heimat nicht möglich gewesen sei. Einen Nachteil habe Deutschland aber auch, da sind sich die Tänzer einig. Dass man hier nach 20 Uhr keine Lebensmittel mehr einkaufen könne und generell bei den Deutschen alles früher beginnt und Pünktlichkeit sehr wichtig ist, sei bis heute sehr gewöhnungsbedürftig. „Ich habe schon einmal eine kleine Party geschmissen und als die Gäste kamen, stand ich noch unter der Dusche“, erinnert sich Demitre schmunzelnd.
Trotzdem: „Europa is the place to be“ sagt er. Also „Europa ist der Ort zum Leben.“ Carlos Demitre ist Choreograf, Tanzpädagoge und künstlerischer Leiter der Sommertanzwoche in Ulm. Außerdem betreut er die Wintertanz-Workshops in Augsburg. „Ich finde das Leben ganz toll in Augsburg“, fügt er noch hinzu. Vor 30 Jahren kam er in die Fuggerstadt, nachdem er in Ulm aufhörte, selbst aktiv zu tanzen und damit begann, zu unterrichten. Dies macht er hier in Augsburg in verschiedenen Tanzschulen.
Und auch Ricardo Fernando hat eine gewisse Liebe für die Schwabenmetropole entwickelt. „Ich bin super froh, dass ich hier in Augsburg so toll aufgenommen wurde“, das sei nicht überall so. „Man kann nie wissen, was passiert, wenn man in eine neue Stadt geht“, weiß Fernando. Eine ganz besondere Sache fällt ihm zu Augsburg auch ein: „Ich habe hier im Riegele Biergarten mein erstes Bier getrunken!“ Gleich richtig angekommen in Bayern also. Sein Weg nach Augsburg verlief über den Intendanten des Augsburger Staatsheaters André Bücker. Nach einem gemeinsamen Meeting wurde entschieden: Ricardo Fernando sollte der neue Ballettdirektor für das – damals noch – Stadttheater sein. Gesagt, getan.
Seit sechs Jahren ist er nun bereits in Augsburg als Choreograf tätig. Das persönliche Highlight seiner Karriere? „Das war zwar nicht in Augsburg, aber ich habe 2015 den Deutschen Tanzpreis bekommen“, freut sich Fernando. Dieser Preis ist die höchste Auszeichnung, die ein Tänzer in Deutschland erhalten kann. Ein weiterer Fuggerstadt-Fan ist Marcelo Santos der Oliveira.
„Augsburg ist meine zweite Heimat, meine Basis für alle Projekte“, so der Tänzer, der mit seiner Frau in der Firnhaberau lebt. „Fast auf den Tag genau vor 40 Jahren habe ich vom Instituto Nacional das Escolas de Arte in Rio meine offizielle Zulassung als Tänzer bekommen“, erinnert er sich. Auch sein Weg führte dann über Ulm nach Augsburg, wo er im Ballett-Ensemble des heutigen Staatstheaters tanzte. Heute arbeitet er an verschiedenen Projekten, wie zum Beispiel dem Internationalen Solo-Tanz-Theater-Festival Stuttgart, dessen Preisträger am 16. November im Augsburger abraxas gekürt wurden.
Und auch wenn neben der Sehnsucht nach dem Meer gerade zur Weihnachtszeit das Vermissen der Familie und einem gemeinsamen Fest groß ist, sind die drei doch sehr glücklich in unserer Fuggerstadt. Carlos Demitre geht sogar so weit und sagt: „Augsburg ist das Zentrum, das Herz Europas“. Eine letzte Nachricht gab es auch von Ricardo Fernando noch: „Brasilien wird Fußball-Weltmeister 2022!“ War wohl nix.
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