Bühnen- und Kostümbildner Leif-Erik Heine sitzt unter einem Pavillon bei den Zuschauerrängen der Freilichtbühne am Roten Tor, während die Tänzer des Stücks „3 Musketiere“ in Augsburg noch in Straßenkleidung proben. Vor sich ein kleines Modell der großen Bühne: bunte Fachwerkhäuschen links, ein großes, goldenes Kreuz rechts. Uns hat der 37-Jährige erklärt, wie er arbeitet.
Das Bühnenbild entsteht Schritt für Schritt: Er liest das Textbuch, um zu erfahren, welche Orte vorkommen. „Ich hatte den Vorteil, dass ich das Stück 2019 schon mal in Magdeburg gemacht habe, das heißt, ich kannte das Stück schon“, sagt Heine. Damals war es im Opernhaus. Das Bühnenbild in Augsburg sei aber neu, ließ sich nicht übertragen.
Leif-Erik Heine ist der Mann für Kostüme und Szenerie bei „Drei Musketiere“
Er weiß die Bühne am Roten Tor zu schätzen: „Erstmal ist es so, dass wir hier eine fantastische Kulisse haben, weil sie perfekt in die Zeit passt.“ Auch die Breite der Bühne konnte er gut nutzen: Für jede Szene gibt es einen Ort auf der Bühne. Manche Kulissen werden mehrfach genutzt und durch Licht unterscheidbar. Das Bauernhaus ist zum Beispiel D‘Artagnans Elternhaus, später in Paris eine Kneipe und ein Gasthaus. Die Torbögen, deren Ästhetik er sich ein bisschen vom Louvre abgeschaut habe, seien für den Königspalast da, aber auch Teil des Klosters. Die erste Bühnenbegehung hatte er vor eineinhalb Jahren. Die finalen Pläne von „Drei Musketiere“ in Augsburg bekamen die Werkstätten im Februar.
Das einzig Verschiebbare an der Bühne sei die Treppe: „Weil ich für den König natürlich einen königlichen Auftritt brauche, aber ansonsten Platz, wird die dann nach hinten gefahren.“ Für andere verschiebbare Elemente sei der Boden mit den Rillen zu ruckelig.
Nach einem ersten Begutachten der Bühne hat Heine Pläne vom Theater bekommen. Diese wandelte er in eine 3-D-Zeichnung um und baute darin sein digitales Modell des Bühnenbilds. Das wandelte er in das kleine gedruckte 3-D-Modell um, das nun vor ihm steht. Mit seinen Zeichnungen fertigen die Kulissenwerkstätten dann ihre Konzeptionen an und zaubern das echte Bühnenbild. „Die Werkstätten sind wirklich großartig! Die lassen keine Wünsche offen, und es ist ein tolles Klima und sehr detailverliebt“, schwärmt Heine.
„3 Musketiere“ in Augsburg: Die Tricks der Freilichtbühne
Typisch Theater: Das Bauernhaus hat eine Stahlkonstruktion drunter. „Man trickst natürlich auch manchmal“, sagt Heine und lacht. Apropos Trick: Unter der Holzbühne verstecken sich Kriechgänge und Tunnel, durch die man, unbemerkt vom Zuschauer, von einem Ende der Bühne zum anderen gelangt.
Aus einer anderen Ecke kam auch Heine, erzählt er, während er sich auf den Weg zur Garderobe macht: Eigentlich hat der gebürtige Magdeburger, der jetzt in Berlin lebt, Germanistik und Soziologie studiert. Schon während des Studiums kam er als Quereinsteiger zum Theater, später in Vollzeit: Zuerst als Bühnentechniker, nach einem Praktikum wurde er Bühnenbilder. Ursprünglich interessierte er sich für die Kostüme, rutschte ins Bühnenbild rein.
Fast ein Kilometer Goldborte
321 Kostüme für 66 Darsteller kommen bei „Drei Musketiere in Augsburg zum Einsatz, für ein fünfstelliges Budget. Allein Chor und Ballett haben vier Sätze. Für die sechs Wochen Probenzeit wohnt Heine in Augsburg in einem Hotel. „Ich bin jetzt hier quasi in die Kostümabteilung eingezogen“, sagt er lachend. „Aber es geht halt auch nicht anders, bei der Menge an Kostümen.“ Die Entwürfe zeichnet der 37-Jährige selbst. Seine Lieblinge, die beiden Musketiere Porthos und Aramis, zeigt er im Pavillon vor der Gardeobe: „Ich finde, dass ich die Charaktere da am besten in den Kostümen getroffen habe.“ Andere Zeichnungen sind mit Stoffmustern versehen und sehr Gold. Auch in der Garderobe glänzt es: „Wir haben bei diesem Stück insgesamt 960 Meter Goldborte verarbeitet“, verrät Heine.
Bei den Frauen wird es extravagant: Heine zieht das Kostüm von Milady de Winter von einer Kleiderstange: eine schwarze Ledercorsage. „Ich wollte sie als Kriegerin darstellen“, erklärt der Kostümbildner. „Deshalb habe ich viel Leder und Nieten verwendet.“ Beeinflussen lassen, habe er sich ein bisschen von den alten Musketierfilmen und dem Fundus des Theaters aus dieser Zeit. John Bloomfield, der die Kostüme für „Robin Hood“ machte, war auch ein Vorbild. Vom „Stage“-Musical haben sie zwar noch das Pferdekostüm, „die Kostüme da waren mir aber zu sehr Fantasy“, sagt Heine. Seine Entwürfe sollen eher eine Mischung auf der Mode des 17. Jahrhunderts und einigen Fantasy-Elementen sein.
Ob die Kostüme funktionieren, probiert Luise von Garnier aus. Sie spielt Königin Anna und hat sich einen ausladenden, goldenen Rock angezogen. Sie schreitet die Treppe der Bühne hinunter und wieder hinauf. Von Garnier zeigt auf den Rock und sag zu Heine: „Hier, der Reifrock drückt hier immer ein.“ Hinterher erklärt Heine: „Wir müssen den noch versteifen.“ Dass immer wieder Problemchen auftauchen, sei „das täglich Brot“, sagt Heine. „Aber wir finden immer eine Lösung.“ Bei der Premiere am Samstag, 17. Juni, auf der Freilichtbühne kann man Kostüme und Bühne im Einsatz sehen.
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