Start News Gefährden neue „Energiefische“ bedrohte Arten in unserem Lech?

Gefährden neue „Energiefische“ bedrohte Arten in unserem Lech?

Seit langem ist der Lech als Energielieferant begehrt. Über 20 Mal passiert der Fluss auf seinem Weg zwischen Füssen und der Donau Kraftwerksanlagen, zumeist in Stauwehren. Nun soll das Wasser, das bis aus den österreichischen Alpen kommt, noch mehr Energie liefern: Im Bereich der Augsburger Kläranlage an der Grenze zu Gersthofen könnten demnächst sogenannte „Energyfishe“, kleine Kraftwerke, im Flusslauf versenkt werden. In ihnen sollen vom fließenden Wasser Propeller angetrieben werden, die dadurch Strom erzeugen. Während sich die Betreiberfirma Energyminer und das Wasserwirtschaftsamt über einen Testbetrieb für vier solcher Fishe im Lech einig sind, melden jetzt die Fischer Bedenken gegen die neuartige Nutzung an.

„Der Lechfischereiverein Augsburg lehnt aufgrund des einstimmigen Beschlusses seiner Mitgliederversammlung das Vorhaben der Firma Energyminer, im Lech bei Augsburg fünf Micro-Wasserkraftanlagen (Energyfische) zum Test einzubringen, in aller Deutlichkeit ab“, teilt der Vorsitzende Daniel Schild mit.

Gefahr für Fische durch „Fishe“?

Als Fischereiberechtigter und Verantwortlicher für die Hege und Pflege der Fischbestände im Lech zwischen Hochablass und Gersthofer Wehr sehe der Verein den jahrzehntelang mühevoll mit ehrenamtlichem Engagement gepflegten Fischbestand „in sehr großer Gefahr“. Zum Beispiel berge der Lech im betroffenen Abschnitt einen noch selbsterhaltenden Bestand der stark gefährdeten Äsche. Darüber hinaus werde der Bestand des stark gefährdeten Huchen und der Nase durch Besatzprojekte und Schonbestimmungen vom Verein intensiv gestützt. Eine leichtsinnige Gefährdung dieser Tierarten rein zu Testzwecken werde der Verein nicht klaglos hinnehmen. Mögliche Schäden an den schützenswerten Fischbeständen und irreversible Auswirkungen auf dessen Artenvielfalt durch den Betrieb der Anlagen können aus der Sicht des Vereins weder monetär noch auf eine andere Art und Weise ausgeglichen werden. Ebenso wird der Lechfischereiverein Augsburg eine deutliche Einschränkung seines gepachteten Fischereirechts im zu erwartenden Umfang nicht dulden. Zum Fischereirecht gehört für ihn gemäß dem Bayerischen Fischereigesetz nicht nur die Erlaubnis zur Ausführung der Angelfischerei, sondern eben auch die Pflicht zur Entwicklung und Pflege der darin enthaltenen Fischbestände und deren Lebensgrundlagen. In der Ausübung dieser Pflicht sieht sich der Lechfischereiverein Augsburg durch das Vorhaben von Energyminer massiv behindert.

Auf „sehr großes Unverständnis“ stoße bei den Mitgliedern des Traditionsvereins zudem die Tatsache, dass Energyminer keinerlei Bemühungen zeigt, sein Projekt zum Beispiel an Flusskanälen umzusetzen. In solchen Systemen könnte ein Testbetrieb und die Durchführung einer Studie zur Fischverträglichkeit der „Energiefische“ mit weitaus weniger Risiko für erhaltenswerte und stark gefährdete Fischarten durchgeführt werden. „Wir werden eine leichtsinnige Gefährdung schützenswerter und gar stark gefährdeter Fischarten nicht klaglos hinnehmen“, so Daniel Schild.

Energyminer begrüßt nach Worten von Sprecherin Natalie Rojko „die aktive Diskussion über die Balance zwischen technologischer Innovation und Umweltschutz. Unser geplantes Forschungsprojekt am Lech steht in diesem Kontext, um Möglichkeiten für nachhaltige, effiziente und naturverträgliche Energiegewinnung zu untersuchen.“ Damit sollten alle Bedenken durch eine unabhängige, wissenschaftliche und damit auch transparente Studie beleuchtet werden. Allein zu diesem Zwecke sollen diese Anlagen im Lech installiert werden. Damit trage dieses Projekt genau Rechnung gegenüber den vom Fischereiverband Schwaben vorgebrachten Bedenken und sei von Anfang an in deren Sinne konzipiert gewesen.

100 Fishe versorgen 300 Haushalte

Das in Augsburg geplante Forschungsprojekt ziele darauf ab, die innovative Technologie von Energyminer zu testen. Diese ermögliche die Gewinnung sauberer Energie, ohne das natürliche Gleichgewicht des Flusses zu beeinträchtigen.

„Um die Fischpopulation bestmöglich zu schützen, packen wir das Problem bei der Wurzel: den Rotoren,“ sagt die Firma. Die Rotoren im Energyfish seien so konstruiert, dass sie durch ihre spezielle Drehzahl und Geometrie keine Gefahr für Fische darstellen. „Fische können den Rotorbereich gefahrlos durchschwimmen.“ Dieser Ansatz sei bereits in einer Studie validiert worden und werde auch im Rahmen des geplanten Projekts weiter untersucht. Im Vergleich zur klassischen Wasserkraft setze das Konzept so neue Maßstäbe in Sachen Fischschutz. Die Durchlässigkeit des Lechs für Wanderfische bleibe demnach zu jeder Zeit vollständig erhalten.

Ein weiteres Ziel der Studie sei es, die Auswirkungen eines Energyfish-Schwarms auf das Flussbiotop zu analysieren. Erste Überlegungen deuteten darauf hin, dass die künstlichen Energiefische in strukturarmen Gewässern sogar als Unterstand für „echte“ Fische dienen und somit eine Bereicherung des Habitats darstellen könnten. Aus diesem Grunde wolle Energyminer mit seinen Anlagen auch nicht in einen künstlichen Kanal wie den bei Gersthofen vom Lech abgeleiteten Lechkanal, sondern man wolle in einem möglichst natürlichen Flusslauf testen.

Nach einem erfolgreichen Test könnten bis zu 100 Energiefische in den Lech eingebracht werden. Eingebracht bedeutet, dass die Mini-Kraftwerke mit einem Seil im Flussboden verankert würden. Ansonsten bräuchten die Energiefische kaum weitere Bauarbeiten mehr – freilich müsse der gewonnene Strom an das Netz gelangen. Besagte 100 Fische könnten bis zu 300 Haushalte mit Elektrizität versorgen.

Wasserkraft hat riesiges Potenzial

Das Potenzial für kinetische Wasserkraft in Bayern ist laut Energyminer immens. Es entspreche einer durchschnittlichen Stromproduktion von 3,6 Terrawattstunden pro Jahr – vergleichbar mit der Energieerzeugung von etwa 1.000 Windrädern. Anders als Windkraft produziere der Energyfish-Schwarm jedoch grundlastfähigen Strom – rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr – und komme so ohne teure Speichertechnologien aus. Praktisch jeder Haushalt beansprucht eine Grundlast beim Stromverbrauch, etwa durch den Betrieb von Dauer-Verbrauchern wie Kühlschrank, Radiowecker oder Telefonanlage. Zudem sei die Technologie kosteneffizient und könne innerhalb kürzester Zeit installiert und in Betrieb genommen werden.

Im Gegensatz zu früheren Kraftwerken, welche je Standort eine erhebliche Leistung erzielen konnten, aber auch erhebliche Umwelteinflüsse mit sich brachten, setze Energyminer auf kleine, dezentrale Standorte, welche für sich genommen keinen negativen Eingriff in Flora und Fauna bewirkten. Durch die Vielzahl an möglichen Standorten leiste Energyminer jedoch einen deutlichen Beitrag für eine dezentrale, grundlastfähige und saubere Energieversorgung.

Energyminer wolle zeigen, dass Fortschritt und Verantwortung zusammengehören. Wasserkraft habe eine lange Geschichte als Quelle für erneuerbare Energien, und das neuen Vorhaben am Lech ziele darauf ab, diesen Beitrag in einer Weise weiterzuentwickeln, die zukunftsorientiert und umweltschonend ist. Dabei setze man auf Transparenz und Dialog, um alle Perspektiven einzubinden. Energyminer möchte mit diesem Projekt einen Beitrag zur Energiewende leisten, ohne die sensiblen Ökosysteme des Lechs aus dem Blick zu verlieren. Das Unternehmen freue sich darauf, diesen Weg gemeinsam mit allen relevanten Akteuren zu gestalten.

„Energy-Fish“ nennen die Firmenchefs von Energyminer, Richard Eckl und Georg Walder, ihr Kleinkraftwerk (im Bild), das zu Hunderten in Flüssen wie dem Lech schwimmen soll, um aus dem durchströmenden Wasser Strom zu erzeugen, ohne Tieren etwas zuleide zu tun. Foto: Energyminer

Lesen Sie auch: Augsburger des Jahres: Zwei Kämpfer mit Einsatz und Power

KEINE AUSGABE MEHR VERPASSEN

Erfahren Sie als Erster, wenn unser neues Magazin veröffentlicht wird – exklusiv vor allen Anderen!

Prüfe deinen Posteingang oder Spam-Ordner, um dein Abonnement zu bestätigen.

Die mobile Version verlassen