Wir reden, wir schreiben, wir senden Fotos und Filme – aber wer hört uns zu? Die Friseurin, der Taxifahrer, der Barmann, die Psychologin leihen uns ihr Ohr – auch der „Herr Pfarrer“ Gerhard Groll kann solch ein Zuhörer sein, an den man sich mit dem wenden kann, was einen bewegt.
Er selbst im Beichtstuhl sitzend – nein, das wäre nicht das richtige Bild, gibt Pfarrer Gerhard Groll zu bedenken. Freilich bietet der Geistliche in der katholischen Pfarreiengemeinschaft Kriegshaber, die aus den Kirchengemeinden von St. Thaddäus und Heiligster Dreifaltigkeit besteht, Beichtgelegenheiten an. Aber oft, so Groll, habe der Geistliche die Zeit vor der samstäglichen Vorabendmesse im Beichtstuhl für sich selbst. Das Sakrament der Beichte werde über die Jahre betrachtet von immer weniger Menschen praktiziert. Andere Formen des Zuhörens seien für Priester wichtiger.
Neben dem Verkünden und Auslegen des Evangeliums gehöre es, so Groll, zu den vornehmen Aufgaben eines Geistlichen, zuzuhören. Dem zuzuhören, was die Menschen um einen herum, insbesondere in der eigenen Pfarrgemeinde, beschäftigt, bekümmert. Im Beichtstuhl erfahre man derartiges immer weniger, so der Geistliche, der seit bald 30 Jahren Pfarrer in Kriegshaber ist. Es helfe weit mehr, seine „Antennen“, sein Netzwerk dort zu haben, wo die Menschen mit kirchlichen oder sozialen Einrichtungen in Berührung kommen. Im Kindergarten, in der Schule, dem Krankenhaus, dem Seniorenheim, bei der Sozialstation. Und so erfahre er als Pfarrer das, wo er glaube, als Mittler und als Türöffner in der Gesellschaft wirken zu können. Der Vorteil im Vergleich zur – anonymen – Beichte: Man kenne vielfach die Leute, um die es geht, könne gegebenenfalls helfen. Was konkret die Menschen in seinem Stadtteil beschäftigt, das habe sich in den vergangen Jahren nicht wesentlich gewandelt, ist Groll überzeugt. Sorgen um Krankheiten und Tod, wirtschaftliche Probleme, materielle Not, manchmal Schwierigkeiten in Glaubensdingen, das habe es vor 30 Jahren gegeben, das werde noch heute an ihn herangetragen.
Gerhard Groll ist seit bald 30 Jahren Pfarrer in Kriegshaber
Ein Problem neuerer Art selbst für „Herrn Pfarrer“: Der Datenschutz bringe auch ihn immer wieder zum Nachdenken. Wo man früher recht unkompliziert für Hilfe gesorgt habe, sei mittlerweile immer wieder so ein Gefühl im Spiel, wie man sich nun richtig verhalte.
Eine Instanz, die er selbst als Pfarrer immer wieder in sein Handeln einbezieht: der Herrgott. Wie hätte er hier gehandelt, was hätte er getan, was hätte er gesagt? Einen Fall aus dem Alten Testament nennt Groll exemplarisch: den Exodus der Israeliten aus Ägypten. Da habe der Herr Mitleid mit den versklavten Menschen bekommen und ihnen einen Ausweg aufgezeigt, indem er sie unter der Führung von Moses durch die Wüste ins Gelobte Land ausziehen ließ. Alle, ohne Vorbedingungen. Ähnlich wie er als Pfarrer es noch heute am liebsten handhabe – und wie er sich seit dem Pontifikat von Papst Franziskus bestätigt sehe. Mehr als viele seiner Vorgänger habe der amtierende Papst es zu seiner Aufgabe erklärt, den Schwächsten zu helfen.
Wer ihm jahrelang zugehört habe, aufmerksam seinen Predigten gelauscht habe, welche Kernaussage könnte der über Pfarrer Gerhard Groll wohl in Erinnerung behalten? Groll denkt nach: „Da gewesen zu sein, Flagge gezeigt zu haben für Menschen in Not“, fasst er zusammen. Wenn es ihm gelinge, so von seinen Pfarreimitgliedern wahrgenommen zu werden, dann erfülle sich ein Wunsch für ihn.
Gerhard Groll, gebürtiger Augsburger, Jahrgang 1963, ursprünglich aus dem Spickel, dann Oberhauser, wurde 1988 vom damaligen Bischof Josef Stimpfle zum Priester geweiht. Seine Station als Kaplan war in Dillingen/Donau.
Nach einigen Jahren in der Staudenpfarrei Mickhausen wurde er 1995 nach St. Thaddäus in Kriegshaber versetzt, wo er bis heute wirkt. si