Die Vorwürfe sind hart: In der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Gablingen (Kreis Augsburg) sollen Häftlinge misshandelt, gar gefoltert worden sein. Ein Vorwurf, der immer wieder geäußert wird. Ob diesmal mehr dahinter steckt, Häftlinge tatsächlich nackt auf dem Boden haben schlafen müssen? Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen. Die Angelegenheit war ins Rollen gekommen, als es vorige Woche einen größeren Polizeieinsatz in dem Gefängnis gab. Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gab es schon länger. So hatte beispielsweise schon im März eine ehemalige Anstaltsärztin eine Online-Petition gegen die Anstaltsleitung unterzeichnet.

Es gibt Gefängnisse in altehrwürdigen Bauten, wo schon von außen zu ahnen ist, dass moderne Gebäudetechnik dort nicht zu Hause sein dürfte. Wo Fenster klein sind, wo das Mauerwerk feucht ist, wo der Boden Spuren der Jahrzehnte aufweist. Wo Häftlinge entsprechend Einschränkungen beim Komfort hinnehmen müssen. Und dann gibt es neu gebaute Gefängnisse – so wie jenes im Jahr 2015 in Gablingen eröffnete – die auf dem aktuellen Stand sind. Die Zellen sind – soweit Zellen das überhaupt sein können – ansprechend, trotz der Sicherheitsanforderungen. Die Räume, wo sich Gefangene mit ihren Anwälten oder Angehörigen treffen können, entsprechen modernen Standards. Auch der Eingangsbereich, wo beispielsweise genau kontrolliert wird, wer was in den Zellentrakt mit hineinbringt, lässt kaum Wünsche offen, wurde Journalisten bei der Eröffnung des Gefängnisses erklärt.

Der Eingang der Justizvollzugsanstalt Gablingen.

Was hilft all dies aber, wenn Menschen, Justizbedienstete, sich im Umgang mit Gefangenen falsch verhalten, derart falsch, dass ihnen gar Foltervorwürfe gemacht werden? Wer Strafprozesse besucht, kann es immer wieder erleben, dass sich Häftlinge über den Umgang mit ihrer Person beschweren. Da hat jemand (angeblich) nicht die Medikamente bekommen, die er in Freiheit einnimmt, da wird jemand von mehreren Justizmitarbeitern „zu Boden gebracht“, weil er beim Einschluss den Fuß nicht rechtzeitig aus der Türe nahm, da bekommt jemand Probleme, der versucht hat, sich Drogen oder ein Mobiltelefon zu verschaffen. Es gehört offensichtlich zum Gefängnisalltag, dass Gefangene, die gegen die allgemeinen Regeln in der Anstalt verstoßen, bestraft werden. Indem sie beispielsweise in Einzelzellen gesteckt werden, weniger Ausgang bekommen oder nicht im hauseigenen Laden, wo es Dinge des täglichen Gebrauchs ebenso wie Zigaretten gibt, einkaufen dürfen.

Was jetzt aus dem Gablinger Gefängnis zu hören ist, geht weit darüber hinaus. Medienberichten zur Folge ermittelt die Staatsanwaltschaft Augsburg gegen mehrere Bedienstete der Justizvollzugsanstalt (JVA). Es waren schwere Vorwürfe laut geworden, dass Häftlinge misshandelt worden seien – „Körperverletzung im Amt“ nennt der Jurist dies.

Nachdem es am Donnerstag vor einer Woche besagte Polizeidurchsuchung in dem Gefängnis gegeben hatte, wurden erste Vorwürfe laut. Sie betrafen insbesondere das Verhalten der stellvertretenden Leiterin des Gefängnisses. Ob diese verantwortlich dafür ist, dass Gefangene geschlagen worden und in besonders gesicherten Hafträumen teils nackt und komplett ohne Decke oder Matratze eingesperrt worden seien, wird jetzt geprüft. Eine Anwältin hat jetzt deswegen Anzeige gegen die Leitung der JVA erstattet. Ihre Mandanten seien gedemütigt, misshandelt worden, das sei Folter, so die Strafverteidigerin.

JVA Gablingen: Ehemalige Anstaltsärztin berichtet über Folter

Passt es da ins Bild, was in diesem Zusammenhang eine Ärztin berichtet, die vormals in Gablingen arbeitete, dort aber inzwischen gekündigt hat? Auch sie beklagte einen unverhältnismäßig strengen Umgang mit Gefangenen, die beispielsweise entgegen des ärztlichen Rates länger als drei Tage in besonderen Einzelzellen sitzen mussten. Die Anstaltsärztin hat inzwischen ihre Stelle gekündigt, da sie derartige Umgangsformen nicht mehr habe ertragen können.

Interessant: Diese Ärztin hatte unter ihrem Klarnamen bereits im März 2024 eine Online-Petition zur „Forderung nach Neubesetzung der Anstaltsleitung in Gablingen“ unterzeichnet: „Weil ich als Ärztin in Gablingen Folter erlebt habe“, wie sie schreibt. Diese Petition war im Februar 2024 ins Netz gestellt worden. Darin heißt es auszugsweise: „Aus meiner Sicht ist die Eignung dieser Leitung aufgrund mangelnder Kompetenz und fehlender Eignung in Bezug auf die Resozialisierung sowie schlechten Führungsstils fragwürdig (…) Eine gute Führung innerhalb einer Justizvollzugsanstalt kann dazu beitragen, diese Quote zu senken. Daher fordere ich die Neubesetzung der Leitung der JVA Gablingen in Bayern mit jemandem, der über ausreichende Kompetenz vor allem im sozialen Bereich verfügt und sich für die Resozialisierung von Straftätern unvoreingenommen interessiert und einsetzt.“

Nicht alle Menschen, die in Gablingen einsitzen, sind verurteilte Straftäter. Immer wieder landen dort auch Menschen per Untersuchungshaftbefehl, beispielsweise, damit sie nicht vor ihrer Gerichtsverhandlung abtauchen oder ins Ausland verschwinden können. Es ist keine Seltenheit, dass ein Gericht Menschen als „unschuldig“ aus der Untersuchungshaft entlässt, da sich die Anklagevorwürfe nicht beweisen lassen. Und dass Menschen sogar für unrechtmäßig erlittene Haft entschädigt werden.

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich forderte in einer ersten Reaktion „rückhaltlose Aufklärung“. Die im Raum stehenden Vorwürfe seien gravierend, die Vorwürfe müssten rückhaltlos aufgeklärt werden. Sollte es zu Straftaten gekommen sein, würden diese strafrechtlich konsequent verfolgt und dienstrechtlich konsequent geahndet.

Ins gleiche Horn stößt die Landtags-SPD, die sofortige und umfassende Konsequenzen fordert, sollten sich die in den Medien geschilderten Zustände bewahrheiten. „Jedes Blatt muss umgedreht werden, um diese völlig inakzeptablen und eines Rechtsstaats unwürdigen Vorfälle schonungslos aufzuklären – und vor allem auch abzustellen“, erklärt der rechtspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Horst Arnold. „Was nützen Anstaltsbeirat, Transparenz und hehre Sprüche, wenn sich in einer modernen Justizvollzugsanstalt in Bayern solche mutmaßlichen Vorfälle häufen?“

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