Start Augsburg Journal Reporter swa-Chef Rainer Nauerz: Die gigantischen Aufgaben eines Zwergen-Fans

swa-Chef Rainer Nauerz: Die gigantischen Aufgaben eines Zwergen-Fans

Der neue Alleingeschäftsführer der Stadtwerke Augsburg Rainer Nauerz ist ein viel beschäftigter Mann. Seit Anfang Mai ist der 55-Jährige im Amt. Viel Zeit, große Umgestaltungen in seinem neuen Büro vorzunehmen blieb da nicht. Dennoch unterscheidet sich die Inneneinrichtung in einem nicht unwesentlichen Punkt. Anders als sein Vorgänger setzt Nauerz auf den schmückenden Effekt von Dekozwergen. Einer blickt etwa mit einem Fernglas aus dem Fenster, ein anderer lächelt und hebt den Daumen, nach dem Motto: Alles gut. Aber ist denn auch wirklich alles gut bei den Augsburger Stadtwerken? Im großen REPORTER-Interview spricht der gebürtige Koblenzer über seine ersten 100 plus x Tage im Amt u.v.m..

Augsburg Journal REPORTER: Wie haben Sie sich in Augsburg eingelebt, was ist anders als in Kaiserslautern?

Rainer Nauerz: Ich bin seit Mai in der Region, und muss sagen, dass der Wohnungsmarkt in Augsburg wirklich angespannt ist – das habe ich schnell gemerkt. Wenn man von außerhalb kommt und meint, man könnte Besichtigungstermine einfach an einem Samstag erledigen, sieht man oft nur Wohnungen, die entweder schon vergeben oder nicht sehr begehrt sind. Aber seit dem 1. September habe ich endlich keine Übergangswohnung mehr, sondern eine eigene, die ich jetzt längerfristig mieten und selbst einrichten kann. Beruflich bin ich gut angekommen. Meine Kolleginnen und Kollegen haben mich herzlich aufgenommen, das hat es mir sehr erleichtert. In der Energiewirtschaft ist das Umfeld überall ähnlich, aber man muss die Gesichter, die Sprache und die Kultur neu kennenlernen.

AJR: Fahren Sie viel mit dem Fahrrad zur Arbeit?

Nauerz: Ja, wenn das Wetter es zulässt, fahre ich gerne mit dem E-Mountainbike. Das ist hier in Augsburg praktisch. Und man ist auch so sehr schnell unterwegs, sogar manchmal schneller als die Öffentlichen. Die benutze ich aber auch liebend gerne, vor allem bei schlechtem Wetter.

AJR: Ist Ihre Familie mitgekommen?

Nauerz: Noch nicht, aber wir planen das. Meine Frau und ich sind beide voll berufstätig, und wir haben einen zweijährigen Sohn. Wir überlegen, unseren Hauptwohnsitz hierher zu verlagern, aber das erfordert natürlich einiges an Organisation.

AJR: Was gefällt Ihnen in Augsburg am besten?

Nauerz: Die Menschen hier sind sehr angenehm. Sie sind offen und nicht verklemmt, das finde ich besonders sympathisch. Außerdem ist die Stadt kulturell sehr vielseitig und bietet eine hohe Lebensqualität. Es gibt viele schöne Einrichtungen, und man kommt überall gut hin – die Verkehrsinfrastruktur ist wirklich gut. Und was ich besonders liebe, ist das viele Wasser in der Stadt. Die Kanäle hier sind einfach großartig und verleihen der Stadt einen besonderen Charme.

AJR: Wie waren Ihre ersten 100 plus x Tage im Amt?

Nauerz: Die waren anspruchsvoll, aber auch sehr spannend. Es macht wirklich Spaß, weil alle hier im Haus erkannt haben, wohin die Reise geht. Wir stehen vor einer Energie- und Verkehrswende, das bedeutet, wir müssen Gas geben. Aber wenn alle an einem Strang ziehen, dann macht es auch richtig Spaß.

AJR: Wie sehen Sie die swa aufgestellt? Wo ist der größte Handlungsbedarf?

Nauerz: Die Stadtwerke sind generell gut und breit aufgestellt. Aber sich allein darauf zu verlassen, ist nicht genug für die Zukunft. Wir müssen die Wärmewende vollziehen, mehr Elektromobilität fördern, und auch unsere Stromnetze anpassen, um zum Beispiel mit den steigenden PV-Einspeisungen oder dezentralen Ladestationen Schritt zu halten. Auch der Fernwärmeausbau muss weitergehen, und im ÖPNV müssen wir verstärkt auf alternative Antriebe umstellen. Es kommt auch immer mehr Digitalisierung ins Spiel. Wir stehen am Anfang eines großen Veränderungsprozesses, der in den nächsten Jahren an Fahrt aufnehmen wird.

AJR: Das heißt, auf welchem der drei Hauptthemen aus Verkehr, Wasser und Energie liegt der Schwerpunkt?

Nauerz: Drei Themen sind fast zu wenig, das sind nur Überbegriffe. Ich sage immer, wir haben nicht nur einen Blumenstrauß an Themen vor uns, sondern eine ganze Plantage. Verkehrs- und Energiewende sind die großen Überschriften, aber darunter verbergen sich viele kleine und komplexe Aufgaben. Und es kommen ständig neue Herausforderungen hinzu.

AJR: Inwiefern betrifft die mögliche Fusion zwischen AVV und MVV die swa?

Nauerz: Das Wort „betrifft“ passt da eigentlich nicht. Wenn man es aus Kundensicht betrachtet, versteht ja keiner, warum es unterschiedliche Logos und Tarife gibt. Aus dieser Sicht wäre es natürlich ideal, wenn es bayernweit oder sogar bundesweit einheitliche Tarife gäbe. Als Stadtwerke sind wir für die Daseinsvorsorge der Stadt verantwortlich, deshalb schauen wir solchen Kooperationen sehr wohlwollend entgegen. Es dürfen aber durch eine Fusion oder einem Beitritt auch keine Nachteile für die Fahrgäste in Augsburg und der Region oder für die Stadt und die swa entstehen. Das gilt es jetzt genau zu prüfen und dann zu entscheiden, ob es am Ende eine Fusion, ein Beitritt oder eine Art der Kooperation wird.

Rainer Nauerz über das Ticket-Wirrwarr und die Linie 5

AJR: Wie könnte es denn einfacher gehen, gerade das Ticket-Wirrwarr sorgt oft für Verwirrung, besonders bei Nicht-Ortskundigen?

Nauerz: Das Hauptproblem ist, dass unterschiedliche Bevölkerungsgruppen unterschiedliche Bedürfnisse haben. Da gibt es Pendler, Schüler, Rentner – alle haben spezifische Anforderungen. Dazu kommen regulierte Vorgaben von Bund, Land und Stadt, die zu einem Tarifdschungel führen. Wir versuchen, es so einfach wie möglich zu halten, bieten mehrsprachige Informationen an den Automaten an, und wenn jemand nicht weiterkommt, gibt es immer noch unser Kundencenter oder die Hotline. Mein Wunsch wäre, dass alle das Deutschlandticket nutzen, denn wenn das flächendeckend gemacht wird, könnte es noch günstiger und einfacher für alle werden.

AJR: Sie haben das Thema Tramlinie 5 geerbt, wie ist der Stand?

Nauerz: Die Linie 5 ist ein wichtiges Thema, besonders die Anbindung der Uniklinik und des entstehenden Campus. Wir haben glücklicherweise den Lückenschluss zwischen Hauptbahnhof und Bestandslinie nach dem Tunnel neu entschieden und können nun die nächsten Schritte angehen. Der Fahrermangel ist jedoch eine Herausforderung, die auch dieses Projekt betrifft. Wir müssen die Arbeitsbedingungen für das Fahrpersonal attraktiver gestalten und schauen, wie wir den Beruf durch innovative Unterstützungssysteme entlasten können, um eine Linie 5 langfristig erfolgreich umzusetzen.

AJR: Bis wann könnte die Linie 5 dann fertig sein?

Nauerz: Das ist schwer zu sagen, da solche Projekte oft durch Bürgerbeteiligung und behördliche Vorgaben verzögert werden. Es gibt immer wieder unterschiedliche Interessen, die berücksichtigt werden müssen, was auch gut ist. Aber das kann Projekte natürlich in die Länge ziehen. Unser Ziel ist es, die Linie 5 so schnell wie möglich und so effizient wie möglich umzusetzen.

Fahrermangel ist ein Problem des gesamten ÖPNV-Bereichs

AJR: Stichwort Fahrermangel, was kann man dagegen tun?

Nauerz: Das Problem nach Corona ist, dass viele Berufe, die vorher attraktiv waren, heute nicht mehr so wahrgenommen werden. Schichtarbeit ist nicht besonders beliebt, und der Verkehr ist stressiger geworden. Wir haben Maßnahmen wie Schulungs- und Werbekampagnen, um den Beruf wieder attraktiver zu machen. Aber es ist eine Herausforderung, genügend Personal zu finden und gleichzeitig die vorhandenen Fahrerinnen und Fahrer zu halten. Das Problem betrifft nicht nur uns, sondern den gesamten ÖPNV-Bereich und ja auch viele andere Berufsgruppen.

AJR: Wie zufrieden sind Sie mit dem swaxi-Service?

Nauerz: Das swaxi ist ein großartiger Baustein im Gesamtsystem des ÖPNV, besonders in den Abend- und Nachtstunden. Wenn jemand abends spät unterwegs ist und sich vielleicht an einer dunklen Haltestelle unwohl fühlt, kann man per App einen Fahrer buchen, der einen abholt. Aus Umweltperspektive ist es auch sinnvoll, weil leere Busse, die nachts herumfahren, ineffizient sind. Der Service wird sehr gut angenommen, und wir bauen ihn weiter aus.

AJR: Wie ist es mit der BiBo-App, die am Monatsende den besten Tarif berechnet hat? Gibt es Alternativen?

Nauerz: Die BiBo-App wurde mit einem Start-up entwickelt, aber die Kosten für die Weiterentwicklung wären zu hoch gewesen. Der AVV arbeitet gerade an einer ähnlichen App, die Ende des Jahres erscheinen soll. Sollte eine Fusion oder Kooperation mit dem MVV kommen, wird man sehen, ob eine gemeinsame Lösung möglich ist, die für alle funktioniert. Aus Kundensicht wäre es natürlich schön, wenn es eine einfache App gäbe, die überall funktioniert.

AJR: Kürzlich wurde ein Elektrobus der swa in Augsburg gesichtet, was hat es damit auf sich?

Nauerz: Die Stadtwerke Augsburg waren mit ihren Erdgasbussen schon Vorreiter in Sachen nachhaltiger und emissionsarmer Mobilität. Das war ein großer Schritt, um die Luftqualität in der Stadt zu verbessern, besonders durch den Verzicht auf Feinstaubemissionen. Der nächste Schritt wird allerdings sein, auch die Erdgasbusse auf alternative Antriebe umzustellen. Wir führen aktuell Studien durch, um herauszufinden, welche Technologie für Augsburg am besten geeignet ist. Das könnte auch der Elektrobus sein, aber wir prüfen alle Optionen, die am Markt verfügbar sind. Unsere Studien laufen noch bis Ende des Jahres, danach werden wir wissen, welche Technologie für uns am besten ist, und ein Konzept für die nächsten Jahre entwickeln.

Mein großes Ziel ist es die Energie- und Verkehrswende erfolgreich zu gestalten

AJR: Welche Ziele haben Sie sich persönlich als Geschäftsführer gesetzt?

Nauerz: Mein großes Ziel ist es, die Energiewende und Verkehrswende erfolgreich zu gestalten. Wir stehen da in einem Spannungsfeld: Einerseits wollen wir alles grüner machen, was teuer ist, andererseits müssen wir die Versorgung bezahlbar und sicher halten. Unsere Aufgabe als Stadtwerke ist es, diesen Spagat in den nächsten 10 bis 15 Jahren zu schaffen.

AJR: Zum Thema Energiewende: Vor 2 Jahren hieß es eine Holz-Heizung ist clever, heute ist es die Wärmepumpe, wie sehr ist man politischen Vorgaben ausgeliefert?

Nauerz: Das ist ein schönes Beispiel. Vor einigen Jahren hat man als erste Übergangstechnologie das Thema Biomasse Holz gesehen. Für den Privathaushalt ist damit aber auch viel an Wartung und Betreuung der Anlagen verbunden. Da wurde dann die Wärmepumpe als bessere Lösung ins Gespräch gebracht. Solche schnellen strategischen Änderungen stellen auch die Energiewirtschaft natürlich vor große Herausforderungen, besonders für uns als Stadtwerke. Unsere Netze sind auf mindestens 40 Jahre ausgelegt, und alle drei oder vier Jahre eine neue Technologie einzuführen, ist schwer umsetzbar.

100 Prozent regenerative Energie für Rainer Nauerz nicht realistisch

AJR: Ist 100 Prozent regenerative Energie bis 2040 realistisch?

Nauerz: Aus meiner Sicht ist dieses Ziel bis 2040, so wie es oft politisch formuliert wird, nicht realistisch zu erreichen. Meine persönliche Einschätzung ist, dass wir eine deutliche Reduktion des Energieverbrauchs vorantreiben müssen, insbesondere durch Verbesserungen bei der Gebäudesanierung. Viele Gebäude haben schlechte Dämmung oder veraltete Fenster, was zu einem enormen Energieverlust führt. Wenn wir hier ansetzen und es schaffen, den Verbrauch zu halbieren, könnten wir von den verbleibenden 50 Prozent etwa 80 Prozent durch erneuerbare Energien decken. Das wäre machbar und auch bezahlbar.

100 Prozent regenerative Energie ist in diesem Zeitraum aus volkswirtschaftlicher Sicht derzeit einfach nicht darstellbar – die Kosten wären enorm hoch und im europäischen Vergleich würde Deutschland wirtschaftlich ins Hintertreffen geraten. Daher brauchen wir realistische und pragmatische Lösungen. Es ist klar, dass wir handeln müssen, um den Klimawandel zu bekämpfen. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Energieeinsparungen und der Nutzung erneuerbarer Energien ist dabei der beste Weg.

AJR: Die swa planen, bis 2040 eine Milliarde Euro in den Fernwärmeausbau zu investieren. Was sind die größten Herausforderungen?

Nauerz: Wir reden tatsächlich von insgesamt rund zwei Milliarden Euro, da wir neben dem Fernwärmeausbau auch die Stromnetze modernisieren und den Nahverkehr auf grüne Technologien umstellen wollen. Eine der größten Herausforderungen ist der Personalmangel. Wir brauchen qualifizierte Mitarbeitende, die diese großen Projekte mit Engagement und Innovationsgeist umsetzen können.

AJR: Relativ viele Gemeinden hatten im Sommer Probleme mit dem Wasser wegen Hochwasser, wie gut ist Augsburg auf solche Ereignisse vorbereitet?

Nauerz: Das Thema Hochwasser und extreme Wetterereignisse führt uns zur Frage der Resilienz unserer Energieversorgung, über die wir uns alle mehr Gedanken machen müssen. Starkregen ist nur eines von vielen Szenarien, die durch den Klimawandel immer häufiger werden. Auch in Augsburg spüren wir die Auswirkungen des veränderten Klimas. Wir hatten selbst vor Kurzem ein schweres Gewitter, bei dem ein Blitz in unser Netz einschlug. Das hätte früher als unwahrscheinlich gegolten, aber in diesem Fall hat es zwei unserer 110-kV-Stationen lahmgelegt. Zum Glück war unser Team schnell vor Ort und konnte die Versorgung rasch und professionell wiederherstellen.

Die Branche steht insgesamt noch am Anfang der notwendigen Veränderungen. Wir müssen unsere Infrastruktur robuster machen, um Extremwetterereignissen standzuhalten. Leider ist das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Bedeutung einer sicheren Energieversorgung noch nicht ausreichend ausgeprägt. Oft wird nur auf die Strompreise geschaut, und der günstigste Anbieter steht im Vordergrund. Aber das greift zu kurz. Die Frage, was eine sichere Energieversorgung eigentlich wert ist, wird selten gestellt.

AJR: Sind Sie Sportfan? In Augsburg gibt es ja den ein, oder anderen interessanten Erstligaclub…

Nauerz: Zunächst einmal komme ich aus der Region Pfalz. Da war es fast selbstverständlich, Eishockeyfan der Adler Mannheim und Fußballfan des 1. FC Kaiserslautern zu sein – zwei Sportarten, die mich bis heute begleiten. Aber es ist wirklich großartig, in Augsburg direkt vor der Haustür sowohl eine erstklassige Fußball- als auch eine Eishockeymannschaft zu haben. Leider schaffe ich es aber nicht so oft zu den Spielen, wie ich gerne würde. Der Beruf bringt viele Verpflichtungen mit sich, und man muss seine Freizeit gut einteilen, vor allem für die Familie.

AJR: Was ist Ihr Lieblingsort in Augsburg?

Nauerz: Der Eiskanal – ich bin als Jugendlicher gerne Wildwasserkanu gefahren, und die ganze Umgebung dort, mit dem Hochablass und auch mit unserem Wasserwerk, ist einfach beeindruckend.

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