Da ist der Firmenchef, der die Zeit rund um seinen 46. Geburtstag damit verbringt, nach einem Herzinfarkt wieder auf die Beine zu kommen, bereits seinem zweiten Infarkt. Und das sind auf der anderen Seite Mitarbeiter der Firma Quantron AG in Gersthofen, die gar nicht so Anteil am Schicksal ihres Chefs Andreas Haller nehmen können, weil sie derzeit selbst in großer Sorge um ihre eigene Zukunft sind. Denn manche Beschäftigten warten nach eigenem Bekunden seit mehreren Monaten auf ausstehende Lohnzahlungen.
Liest man die jüngsten Pressemitteilungen („Quantron gewinnt mit Atlantic Autocars neuen Partner für nachhaltige Mobilität in Frankreich“) oder Medienberichte („Quantron kündigt erste Brennstoffzellen-Lkw an“ in Springerprofessional), scheint mit dem Gersthofer Unternehmen alles bestens. Spricht man mit Mitarbeitern, zeigt sich ein anderes Bild: „Seit April haben die Mitarbeiter von Quantron kein Gehalt mehr erhalten“, berichtet ein Mechaniker, den wie andere Beschäftigte inzwischen Existenzängste plagten. „Wie der Augsburger Andreas Haller mit Quantron die Welt erobert“ wurde im AUGSBURG JOURNAL vor über einem Jahr getitelt.
Hintergrund: Mit Haller als neuem Geschäftsführer des angestammten Gersthofer Familienunternehmens beschäftigten die verschiedenen Unternehmen seiner Haller Group rund 500 Menschen. Geplant war, in den nächsten zehn Jahren weltweit 50.000 alternativ-angetriebene Trucks laufen zu haben – und Haller hatte gerade mit dem US-amerikanischen Unternehmen TMP Logistics in Washington einen Eine-Milliarde-Euro-Auftrag unterzeichnet. Quantron rüstet Transporter und Lkw renommierter Hersteller auf einen alternativen Antrieb um, zumeist mit einer Brennstoffzelle auf Wasserstoff-Basis.
Glaubt man den Worten von Beschäftigten des Unternehmens in der Koblenzer Straße und deren Angehörigen, dann ist vom Glanz der Quantron-Visionen nicht mehr viel übrig. Nicht alle Beschäftigten kämen tagtäglich an ihren Arbeitsplatz, ein Recht, dass sie hätten, wenn man zwei Monate keinen Lohn mehr erhalten habe. Kein Lohn – ein Problem, das viele Quantron-Mitarbeiter kennen würden. Stellvertretend sagt ein Mitarbeiter, der erst seit kurzem in Gersthofen arbeitet und der Einblick in seine anwaltlichen Schreiben an die Firma und an die Sozialversicherungsträger anbietet: Die Stimmung bei vielen Kolleginnen und Kollegen sei auf dem Nullpunkt.
Quantron: Mitarbeiter stehen Existenzängsten gegenüber
Hauptgrund: Seit April hätten Mitarbeiter von Quantron kein Gehalt mehr erhalten. Krankenkassenbeiträge seien zwar vom Lohn einbehalten, aber nicht abgeführt worden. Lieferanten warteten auf überfällige Zahlungen, Dienstfahrzeuge seien zeitweise stillgelegt gewesen. Viele Kollegen stünden nun vor der belastenden Situation, ohne Gehalt dazustehen und gleichzeitig als Selbstzahler bei der Krankenkasse geführt zu werden – „sie müssen also Beiträge bezahlen, ohne überhaupt Lohn zu erhalten.“ Trotz dieser existenzbedrohenden Lage weigere sich der Quantron-Vorstand, Insolvenz anzumelden. Dies werde in Mitarbeiterkreisen als die einzige Möglichkeit gesehen, um zumindest die ausstehenden Gehälter zu sichern. Vielleicht kommt dieser Schritt ja von anderer Seite, einer Krankenkasse beispielsweise? Eine Anfrage unserer Redaktion dazu beantwortet der Sprecher des Insolvenzgerichts abschlägig: „Das Bekanntmachen und die Veröffentlichung von Informationen über den Eingang eines Insolvenzantrags greift in grundgesetzlich geschützte Positionen eines Schuldners ein“. Allerdings bekämen betroffenen Mitarbeiter auf Anfrage Auskunft vom Gericht.
Empfehlung eines Angehörigen einer Quantron-Beschäftigten, dessen Name der Redaktion ebenfalls bekannt ist: „Recherchieren Sie doch am Arbeitsgericht in Augsburg, wie viel Lohnklagen von Mitarbeitern aktuell aufgrund nicht bezahlter Gehälter dort eingereicht sind.“ Eine Frage, die Arbeitsgerichts-Sprecher Wolfgang Balze immerhin so weit beantworten kann: „Es ist zutreffend, dass beim Arbeitsgericht Augsburg mehrere Klagen gegen die Firma Quantron anhängig sind. Da es sich um laufende Verfahren handelt, können keine weiteren Auskünfte hierzu gegeben werden.“
Dass ihr Chef, Quantron-Geschäftsführer Andreas Haller (46), der dieser Tage die Folgen seines bereits zweiten Herzinfarkts auskuriert, gesundheitlich angeschlagen ist, bedauern die Mitarbeiter. Den Frust über die Zustände im Unternehmen beschwichtigt diese Schreckensnachricht nicht. Zu groß seien die Existenzängste bei den Mitarbeitern selbst, zu sehr die Verunsicherung über allerlei kursierende Informationen. Keine Aufklärung dazu kommt von Quantron: Telefonische wie schriftliche Anfragen blieben unbeantwortet.
Nicht hoffen können die Quantron-Beschäftigten auf Hilfe der Gewerkschaft IG Metall. Deswegen, so eine Sprecherin, weil in dem Unternehmen zu wenige Gewerkschaftsmitglieder arbeiteten und die IG Metall von daher keinen Auskunftsanspruch habe. Was die Gewerkschaft freilich habe, das sind inoffizielle Kenntnisse aus eigenen Netzwerken über die Situation bei dem Unternehmen, über die man aber nicht spreche.
Bewertungen auf der Internet-Plattform „kununu“ vermittelten einen Eindruck: „Da bekommt man mit, was dort aktuell los ist. Da geht es um keinen Multi Milliarden Deal“, so das ernüchternde Fazit eines Beschäftigten. Die Sorge sei groß, wie es mit dem Unternehmen weitergeht.
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