Der Marion-Samuel-Preis der „Stiftung Erinnerung“, die von FCA-Ehrenpräsident Walther Seinsch und seiner Frau Ingrid gegründet wurde, geht jetzt, unter der Schirmherrschaft der Stadt Augsburg, an die „Volksverpetzer VVP gUG“.
Damit reiht sich das Team in eine illustre Runde ein: In der Vergangenheit bekamen den Preis zum Beispiel Daniel Barenboim, Götz Aly, Wolf Biermann, Angela Bachmair und Malte Ludin.
Nun also der „Volksverpetzer“. Ein redaktioneller Anti-Fake News Blog, der mal als regionaler Blog für Augsburger Politik gestartet war. Seine Mission seit Herbst 2015: Fake News, Hetze und Verschwörungsmythen bekämpfen, mit Faktenchecks, Analysen und Kommentaren. Aber nicht trocken, sondern emotional und satirisch – ganz bewusst, „um der Manipulation durch Fake News auf Social Media entgegenzutreten“, wie es beim Preis heißt.
Der Augsburg Journal REPORTER hat im Vorfeld mit Chefredakteur und Geschäftsführer Thomas Laschyk gesprochen. Er hatte den Blog 2014 mit Freunden gegründet. Heute sind 13 Teammitglieder dabei.
Der 32-Jährige freut sich demnach auch nicht allein: „Das ist eine große Ehre für unser Team“, sagt er. „Wir haben nicht damit gerechnet, in so eine erlauchte Reihe an Preisträgern eingereiht zu werden. Wir empfinden es als große Ehre, dass unsere Aufklärung und unser Kampf gegen Rechtsextremismus wertgeschätzt wird.“
Laschyk: Fake News müssen unter Kontrolle gebracht werden
Und dieser Kampf scheint gerade wichtiger denn je: In den USA log Präsident Donald Trump allein in seiner ersten Amtszeit zumindest teilweise mehr als 30.000-mal. Fake News, also gefälschte Nachrichten fluten das Internet. Was sagt Laschyk zur aktuellen Weltlage als jemand, der sich tagtäglich gegen die Flut an Falschinformationen stemmt? Er warnt: „Insbesondere die Entwicklungen in den USA unterstreichen sehr deutlich die Gefahr von Fake News und wohin es führt, dass rechte Narrative Aufschwung bekommen. Wir haben vor Jahren davor gewarnt, dass Fake News nicht harmlos sind. In den USA haben sie Trump die Möglichkeit gegeben, einen Staatsstreich durchzuführen. Menschen werden deportiert. Dort entsteht gerade ein faschistisches Regime, weil die USA die Fake News nicht unter Kontrolle bekommen haben.“ Das sei auch ein Signal an Deutschland: „Wir müssen etwas tun, bevor es bei uns soweit ist.“
Schlimmer geht immer, könnte man auch bei den Fake News denken. Was sagt der Experte dazu? Erwartet er noch eine Steigerung der aktuellen Zustände? „Ja, bei Fake News insofern, dass das, was wir bis jetzt gemacht haben, nämlich Fakten checken, immer weniger bringt. Weil die Spaltung darüber, was wahr und falsch ist, Einzug hält in die demokratische Mitte.“ Er ist zwar zuversichtlich und sagt: „Wir können die Brandmauer noch ziehen“, gibt aber auch zu bedenken: „Jeder sollte sich jetzt überlegen. wann die rote Linie überschritten ist.“
Doch wie umgehen mit der Flut an Falschnachrichten? Der „Volksverpetzer“ setzt auf mehrere Strategien: Sie versuchen, mit Emotionen, Satire, aber auch sachlich die Narrative, also verbindende, sinnstiftende Erzählungen von Extremisten und Verschwörungsideologen, zu entlarven.
Da klingen Überschriften etwa so: „Die peinlchsten rechten Tippfehler und KI-Fails!“ (19. März 2025), oder „Warum du ständig über ‚Radwege in Peru‘ belogen wirst“ (26. November 2024).
Inzwischen bekommt man den Eindruck, dass die Realität die Satire überholt. Funktioniert dieser Ansatz da überhaupt noch? Laschyk findet, ja: „Der Ansatz, mit Emotionen Reichweite zu generieren, ist nicht überholt. Ich finde es eher überholt, den ganzen Wahnsinn in ernste Worte zu packen. Das spielt es eher herunter.“ Und ergänzt: „In Zeiten, in denen viel Angst und Emotionen stattfinden, sollten wir die Menschen da auch abholen. Wenn wir sie da nicht abholen, sind sie leichte Beute für die Populisten.“
Populisten – aber sind diejenigen, die Desinformation verbreiten, wirklich immer Rechtsextremisten? Laschyk sagt: „Fake News kann jeder verbreiten. Sie sind erstmal das, was man glauben möchte, weil es in das eigene politische Weltbild passt. Aber Studien zeigen, dass die meisten Fake News von rechts kommen: Dort hat man weniger Skrupel, Fake News zu verbreiten, denn das transportierte Gefühl sei ja richtig.“
Drohbriefe im privaten Briefkasten
Heftige Gefühle löst bei manchem auch der „Volksverpetzer“-Blog aus. Da flattern schon mal Drohbriefe in den privaten Briefkasten, in denen es heißt: „DU STELLST AB SOFORT DIE HETZE GEGEN DIE AFD AUF SÄMTLICHEN KANÄLEN EIN“. Sie wollen sich davon nicht einschüchtern lassen. Ein Büro gibt es aber immer noch nicht. Das Team arbeitet im Homeoffice. Das liege aber auch daran, so Laschyk, dass er „Volksverpetzer“ lange allein betrieben habe und das Team während Corona gestartet sei.
Von den Behörden gibt es schlechte Nachrichten: Das Finanzamt hat „Volksverpetzer“ vergangenes Jahr die Gemeinnützigkeit rückwirkend ab 2021 entzogen. „Nachzahlungen in einem hohen fünfstelligen Betrag“ drohten, schreibt der Blog selbst. Wie sieht es jetzt aus? Laschyk erklärt, für die vergangenen Jahre bleibe der Entzug der Gemeinnützigkeit. Aber das dafür erforderliche Geld kam durch Spenden von Fans zusammen. Ob sie sie ab 2025 zurückbekommen- darüber seien sie gerade im Austausch mit dem Finanzamt. „Wir haben uns entschieden, das zu akzeptieren. Aber wir machen auf jeden Fall mit der Arbeit weiter, ob gemeinnützig oder nicht.“
Durch die finanzielle Unterstützung durch Crowdfunding kann der Volksverpetzer seine Inhalte kostenlos zur Verfügung stellen. Darunter auch Flyer und Broschüren. Teilen gewollt. Laschyk sagt: „‚Klaut‘ alles von uns, nutzt das für die Menschen da draußen, die nicht die Zeit haben, Argumente zu suchen.“
Und wenn man nicht gerade zum „Volksverpetzer“-Team gehört – was kann jeder einzelne für die Demokratie tun? Laschyk lacht – das sei eine lange Liste: Wählen gehen. Sich zwischen den Wahlen so engagieren, wie es einem liegt. Sich in demokratischen Institutionen engagieren. Diskussionen im persönlichen Bereich führen. Unabhängige Medien unterstützen. Natürlich aktiv bleiben.
„Aber hört auf mit Doomscrolling und euch aufzuregen: Ihr müsst nicht jede Lüge von einem Rechtsextremisten teilen. Weil es nicht gut tut und denen Reichweite gibt.“
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