Jugendtheatergruppe „Dramalution“ inszeniert Brecht – Ammon Abt (Regie) spricht im AJ-Interview über Kapital und Geschlechterrollen
Die freie Jugendtheatergruppe „Dramalution“ (Altersgruppe 16 bis 25) der Königsbrunner Jugendfreizeitstätte „Matrix“ inzeniert Bertolt Brechts episches Stück um Johanna Dark, die den ausgesperrten Arbeitern auf den Schlachthöfen Chicagos den Glauben an Gott näherbringen will, dabei aber immer tiefer in den Strudel wirtschaftlicher Machenschaften der Fleischbosse gerät. Wie zeitgemäß die Thematik „Krise des Kapitals“ heute ist und wie das junge Team zudem die Genderdiskussion in ihr Stück aufnimmt, erzählt der erst 22-jährige Regisseur Ammon Abt im Interview mit AJ-Redakteur Andreas Bouloubassis.
Augsburg Journal: Brecht übt mit „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“ scharfe Kritik an Kapitalismus, Spekulation und Patriarchat. Eigentlich erübrigt sich die Frage nach der Aktualität, oder?
Ammon Abt: Stimmt! Thematisch so aktuell, wie eh und je: Hohe Inflation, politische Umstürze und Kriege weltweit führen zu wirtschaftlicher aber auch persönlicher Unsicherheit und Unzufriedenheit.
AJ: Welche Besonderheiten kennzeichnen Deine Inszenierung?
Abt: Wir haben uns für eine Auflösung der Geschlechter in der literarischen Vorlage durch eine geschlechtsunspezifische Besetzung entschieden – am Beispiel von Pierpont Mauler: Nachdem der Fleischfabrikant im Stück als tiefgehender Charakter dargestellt wird, der neben seinen offensichtlich schlechten und abstoßenden Charaktereigenschaften durchaus Sympathie im Zuschauer auslösen kann, haben wir uns gerade mit der Besetzung dieser Rolle einen besonderen Seitenhieb auf das Stereotyp des „Alten weißen Mannes“ erlaubt, denn er wird als Hosenrolle von einer jungen starken Frau – Elisabeth Caika – verkörpert, wodurch zusätzlich Kritik an der konservativen und männerdominierten Atmosphäre von großen Börsenunternehmen geübt wird. Generell gibt es bei uns kaum eine geschlechtliche Festlegung bei der Rollenvergabe außer bei Johanna Dark, gespielt von Nina Lindermeir, da sonst der feministische Grundgedanke verloren ginge.
Die Jugendtheatergruppe „Dramalution“ ersetzt die klassische Choräle durch Songs aus Popkultur und Punkmillieu
AJ: Spannend; gibt es weitere besondere Merkmale Eurer ganz jungen Inszenierung?
Abt: Die klassischen Choräle im Stück wurden gestrichen und durch inhaltlich passende Songs aus Popkultur und Punkmillieu ersetzt.
AJ: Nach gut zehn Jahren als Darsteller in Schul- und Jugendtheater und über sechs Jahren als technischer Statist am Staatstheater Augsburg wünschen wir Dir für Dein Regiedebüt viel Erfolg! Noch eine persönliche Frage. In Deiner Grundschulzeit war ich ja mal Dein `Babysitter´und wir haben zusammen „Two and a Half Men“ geschaut. Muss ich mir Vorwürfe machen?
Abt: Keine Angst, ich habe das gut überstanden! Eine Sitcom ist ja in gewisser Weise auch Theater – also danke dafür!
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