Ein Anblick, den nicht mehr viele Augsburger in Erinnerung haben dürften: das Staatstheater vor der Baustelle. Sie beschäftigt auch Steffen Kercher (links) und Jürgen Enninger.

Die Sanierung des Augsburger Staatstheaters ist auch eine große Kostenfrage. Julia Greif hat sich dazu mit Augsburgs Kulturreferent Jürgen Enninger und Baureferent Steffen Kercher unterhalten und kritisch nachgefragt.

Augsburg Journal: War es von Anfang an absehbar, dass die Kosten für das Staatstheater steigen würden? Gab es regelmäßigen Austausch zwischen OB, Stadtbaurat und Architekt?
Steffen Kercher: Anfang 2023 war klar, dass die Kosten steigen, aber nicht wie lange und in welchem Ausmaß. Erst im dritten Quartal konnten wir gemeinsam mit unserem externen Kostencontrolling verlässlichere Prognosen wagen, die im ersten Quartal 2024 bestätigt wurden. Die Kommunikation zwischen Architekten, Projektleitung und Stadtspitze erfolgte und erfolgt kontinuierlich.

AJ: Hat das Controlling nie Alarm geschlagen?
Kercher: Warnungen vor möglichen Kostensteigerungen und das Wissen um belastbare Kostenprognose sind zwei verschiedene Dinge. Es gab verschiedene Szenarien, von denen leider das ungünstigste eintrat. Frühzeitige Warnungen hätten in der unsicheren Situation 2023 wenig geholfen. Unser Ziel war es, dem Stadtrat belastbare Zahlen vorzulegen.

AJ: Warum wurde 2016 kein Kostenpuffer für Baupreissteigerungen eingeplant?
Kercher: Ein Puffer war durchaus eingeplant, basierend auf einer jährlichen Indexierung von 4 Prozent über den Bauzeitraum. Bei komplexen Bauvorhaben kann man jedoch nicht alle Eventualitäten vorab berücksichtigen. Es ist vergleichbar mit einer Flugreise: Wenn man befürchtet, abzustürzen, könnte man gar nicht erst fliegen.

AJ: Die SPD-Fraktion warnte frühzeitig davor, dass die Kosten ins Utopische steigen würden. Jetzt könnte man fragen: Wieso haben Sie auf diese Warnungen nicht gehört?
Kercher: In politischen Prozessen gibt es immer unterschiedliche Meinungen. Die Entscheidungen wurden auf Basis des damaligen Wissensstands getroffen. Rückblickend hilft es nicht, vergangene Warnungen zu diskutieren. Auch bei den Schulen gab es keine Aufschreie, obwohl dort die bundesweiten Baupreissteigerungen ähnliche Kostensteigerungen verursacht haben. Letztendlich zählen die Ergebnisse, und wir sind erfolgreich am Bauen.

AJ: In einer Pressemitteilung sagt die CSU, die Ampelregierung sei schuld, auch weil nicht genug Geld an die Kommunen fließt für solche Bauvorhaben. Würden Sie sich dem anschließen, dass die Kosten fürs Bauen zu hoch sind und es zu wenig Förderung vom Bund gibt?
Enninger: Schuldzuweisungen sind hier fehl am Platz. Die Kostensteigerungen resultieren aus der Ukrainekrise sowie inflationären Entwicklungen. Besonders bei den Stahlkosten war das spürbar, was uns einige schlaflose Nächte bereitete.

AJ: Erste Schätzungen für das Staatstheater lagen 2009 bei rund 100 Millionen Euro. Aktuell geht die Stadt laut Zeitungsberichten von 417 Millionen Euro Baukosten für das Staatstheater aus. Bleibt es dabei und wie wollen Sie das sicherstellen?
Kercher: Aber damals auch zu ganz anderen Nutzungs- und Raumprogrammen. Damit ist das nicht vergleichbar. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Endsumme noch einmal reduziert wird. Die Bauzeit beträgt noch vier bis fünf Jahre, und wir hoffen, dass die prognostizierten Kostensteigerungen von 4 Prozent in den nächsten Quartalen konstant bleiben.
Enninger: Unsere Aufgabe ist es, die Stadt handlungsfähig zu halten und auf Basis der vorliegenden Fakten zu arbeiten. Wir müssen den Haushalt im Blick behalten und Entscheidungen treffen, die die Stadt zukunftsfähig machen. In enger Zusammenarbeit mit Finanzreferent Roland Barth bereiten wir diese Entscheidungen sorgfältig vor.

AJ: War es jemals eine Option, die Notbremse zu ziehen und die Sanierung abzubrechen?
Kercher: Nein, das ist keine Option. Eine Notbremse kann man nur vor Baubeginn ziehen. Etwa 20 bis 25 Prozent der Kosten entstehen bereits vor Baubeginn für Planung und Vorbereitung. Wenn der Rohbau steht, ist ein Abbruch wirtschaftlich nicht vertretbar. Zudem sind wir verpflichtet, das Projekt abzuschließen, um Fördermittel zu erhalten.

AJ: Die Stadt hofft, die Hälfte der 77 Mio. Euro Mehrkosten durch Förderung vom Freistaat einzuholen. Gibt es da schon konkrete Zusagen?
Kercher: Wir erwarten, dass rund 75 Prozent der theaterbezogenen Kosten vom Freistaat gefördert werden. Bei den Schulen verhandeln wir derzeit noch, ob auch diese Mehrkosten zusätzlich gefördert werden können.

AJ: Was sind denn die teuersten Elemente am neuen Staatstheater?
Kercher: Der Rohbau macht bis zu 20 Prozent der Kosten aus. Bei einem großen Gebäude wie dem Theater sind die Technik, insbesondere Bühne, Lüftung und Elektrik, die größten Kostenblöcke. Ein weiteres großes Thema sind die Planungs- und Baubetreuungskosten, die bis zu einem Viertel der Gesamtkosten ausmachen. Zudem steigen die technischen Anforderungen bei großen Versammlungsstätten deutlich.

AJ: Die Opposition forderte Einsparungen beim Bauteil II, etwa dem Raumprogramm oder dem Kleinen Haus. Wie hoch sind die Kosten für das Kleine Haus?
Kercher: Das Kleine Haus macht etwa 10 Prozent der Gesamtkosten aus, rund 42 Millionen Euro. Durch Weglassen könnte man nur einen einstelligen Prozentbetrag einsparen. Zudem wäre ein Verzicht wirtschaftlich nicht sinnvoll, da wir dann andere Gebäude, wie das Ofenhaus, aufrechterhalten müssten, was zusätzliche Kosten verursachen würde. Die 75-Prozent-Förderung ginge ebenfalls verloren. Das Kleine Haus spart uns ab dem ersten Tag der Eröffnung Geld.
Enninger: Das Kleine Haus ist ein zentrales Ergebnis der Bürgerbeteiligung und Ausdruck einer modernen, demokratischen Theaterauffassung. Es war die Bedingung, dass das Große Haus saniert werden durfte.

AJ: Wie hoch sind die Kosten für die Ersatzspielstätten, etwa am Gaswerk und im Martini-Park?
Enninger: Die jährlichen Interimskosten im Martini Park liegen bei 2,5 Millionen Euro, im Gaswerk bei 1,5 Millionen Euro, zuzüglich technischer Investitionen von 3,5 Millionen bzw. 2,5 Millionen Euro. Die Amortisierung würde etwa acht Jahre dauern. Diese Interimslösungen sind notwendig, um den Theaterbetrieb während der Sanierung aufrechtzuerhalten.

Vielleicht kommen begehbare Museumsdepots in die Ersatzspielstätten des Augsburger Staatstheaters

AJ: Gibt es Pläne, die Ersatzspielstätten nach Inbetriebnahme des sanierten Theaters weiter zu nutzen?
Enninger: Es gibt Überlegungen, die Depotsituation für die Kunstsammlungen zu verbessern und begehbare Museumsdepots zu schaffen, die für die Stadt und ihre Bewohner zugänglich sind. Ob die Spielstätten nach der Theatereröffnung weitergenutzt werden, hängt von den verfügbaren Mitteln ab, aber wir haben einige Ideen, wie dies realisiert werden könnte.
Kercher: Wirtschaftlich betrachtet muss man die Kosten für das Bauvorhaben Staatstheater und die Interimslösungen trennen. Sollte der Stadtrat beschließen, die Spielstätten weiter zu nutzen, wäre das eine separate Entscheidung.
Enninger: Die Stadtwerke haben am Standort Gaswerk gute privatwirtschaftliche Interessenten aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, die dort in Synergie mit bestehenden Unternehmen arbeiten könnten. Kultur wird dort auf jeden Fall weiterhin stattfinden, besonders in der breiten Musikszene, die sich dort entwickelt hat.

AJ: Was sind die nächsten Schritte bei der Sanierung in den kommenden Wochen und Monaten?
Kercher: Im Großen Haus geht es jetzt vom Groben ins Feine, besonders bei der Technik. Anfang 2025 soll die Bühnentechnik starten. Aktuell läuft der Rohbau des Kellers, und das Dach wird saniert. Im Betriebsgebäude beginnen wir mit dem Rohbau, und der Rückbau des Kulissengebäudes steht an. Rund 200 Menschen arbeiten derzeit auf der Baustelle. Interview: Julia Greif

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