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Welt aus den Angeln

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Zurück aus Asien: Harry Winderl über die Corona-Krise

Es ist Freitag, der 13. März 2020. Vor zwei Tagen hat die Stadt Augsburg aufgrund der Ausbreitung des Corona-Virus den Plärrer abgesagt. Und gerade wurde bekannt, dass der Freistaat alle Schulen und Kitas schließen wird, um die weitere Verbreitung von Covid-19 einzudämmen.

Interviewpartner ist an diesem Tag Harry Winderl, den die Augsburger als umtriebigen Gas-
tro-Unternehmer und Betreiber der „Schaller Alm“ am Plärrer kennen. Er ist gerade von einer mehrmonatigen Asien-Tour zurück, bei der er als Consultant eine Schweizer Delegation auf ihrer Wirtschafts- und Kulturreise begleitet hat.

Schon zu Beginn wird schnell klar: Es ist ein sehr emotionales Gespräch, geprägt von einer unheilvollen Vorahnung, die den sonst so positiv gestimmten Gastronomen aufwühlt.

Aber der Reihe nach. Winderl erzählt: „Schon Mitte Januar – bei unserer Ankunft in Hanoi – hat die vietnamesische Regierung strenge Sicherheitsmaßnahmen erlassen; Meldeformulare und in jedem Hotel und jeder Mall Temperatur-Screenings, durch die eine erhöhte Temperatur der Leute festgestellt werden kann, auch wenn sie sonst beschwerdefrei sind. Bei Corona-Verdacht erfolgte eine sofortige Isolierung.“

Etwa vier Wochen später, in Singapur, stellt Winderl fest, dass auch hier frühzeitig weitreichende Maßnahmen umgesetzt wurden. „Öffentliche Verkehrsmittel wurden täglich desinfiziert, Taxifahrer mussten ihre Auto-Desinfektion dokumentieren. Eine Spezialeinheit spürte alle Kontakte erkrankter Personen auf und lieferte diese ebenfalls in die Quarantäne-Stationen ein. Und auch in Thailand, einer weiteren Station, wurden Screenings und Meldepflicht im Hotel penibel durchgeführt.“

Noch während der Reise macht Winderl mit Social-Media-Posts auf die dramatischen Auswirkungen aufmerksam, die das öffentliche Leben in Städten wie Singapur größtenteils zum Stillstand bringen. Er konstatiert auch, dass zum Beispiel die Preise für Grundnahrungsmittel oder Desinfektionsmittel auf Anordnung der Behörden eingefroren werden. Die Verantwortlichen setzen auf umfangreiche Vorsorge und Kommunikation mit der Bevölkerung.

Zurück in Deutschland macht sich bei Winderl Fassungslosigkeit breit, als er feststellt, wie viele Menschen in seinem Umfeld behördliche Maßnahmen als „übertrieben“ bezeichnen oder sich über „Hamsterkäufe“ lustig machen. „Es gibt keine andere Möglichkeit, als alle Veranstaltungen abzusagen und soziale Kontakte einzuschränken“, ist er überzeugt, „auch wenn viele Maßnahmen schon viel früher hätten kommen müssen. Unser Leben, so wie wir es kennen, wird auf unbestimmte Zeit zum Erliegen kommen.“ Es folgt ein nachdenklicher Moment der Stille, dann wird er sogar kurz wütend: „Was mich bei all dem wirklich ankotzt, ist, wie ignorant, egoistisch, respektlos und menschenverachtend eine bestimmte Generation darüber mutmaßt oder gar witzelt, dass Covid-19 ja nur Menschen über 80 Jahren oder Lungenkranken wirklich gefährlich wird. Erstens stimmt das so nicht und zweitens reden wir hier über unsere Eltern oder Großeltern – jedes Leben zählt doch!“

Wie wird es weitergehen, war im März noch die Frage: Winderl damals: „Die Welt ist aus den Angeln. Ein ‚Wir machen so weiter wie bisher!‘ wird es nicht geben. Machen wir uns nichts vor – es kann lange dauern und wird sehr vieles ändern. Wichtig ist jetzt: Stark bleiben, besonnen und verantwortungsbewusst handeln, um die Verbreitung des Virus so gut es geht einzudämmen.“  

Eine Woche nach dem Interview überschlagen sich die Ereignisse. Bayern ruft als erstes Bundesland den Katastrophenfall aus; auch Augsburg steht still. Vieles, was im März-Interview gemutmaßt wurde, ist eingetroffen.

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