Tina Rupprecht „Tiny Tina“ aus Augsburg ist ein Box-Weltstar: Privat ist sie ganz sanft und hat ein großes Herz.
Am Tag nach dem Weltmeisterschaftskampf zeigte Tina Rupprecht wieder ihre große Stärke: Disziplin. Die kraftraubenden Runden im größten Kampf ihrer Karriere gegen Seniesa Estrada hatte „Tiny Tina“ aus Augsburg noch in den Knochen. Doch im Kopf war sie schon wieder topfit. Und die 30-jährige Augsburgerin schaute im Gespräch mit dem Augsburg Journal optimistisch in die Zukunft.
Denn trotz der Punkte-Niederlage gegen die Amerikanerin Seniesa Estrada geht für Tina Rupprecht die Welt nicht unter. „Ich bin froh, dass ich es gemacht habe, weil es ein Riesenerlebnis war und ich den Leuten gezeigt habe, dass ich zur Weltspitze gehöre.“ Dies honorierten auch die Gäste im Hotel am Morgen nach dem Kampf. „Als ich in den Frühstücksraum gekommen bin, da sind alle aufgestanden und haben geklatscht. Das war so süß“, freut sich „Tiny Tina“ aus Augsburg über diese Anerkennung und Wertschätzung. Noch mehr davon wird sie zu Hause bekommen, denn die Profi-Boxerin lebt in einem liebevollen Umfeld. Ihre Augsburger Familie hatte sie zum Showdown nach Fresno in Kalifornien begleitet. Mama Andrea mit dem Lebensgefährten Dietmar, Oma Gisela und Opa Manfred. Das Team betreute und tröstete die 1,52 kleine Sportlerin. Und auch ihr Liebster war in ihrer Nähe.
Mit Markus Fritschi hat die Kämpferin einen starken Partner an ihrer Seite. Fritschi durfte in Fresno erstmals ihren WM-Gürtel vom Verband WBC in den Ring tragen und sie in ihre Ring-Ecke begleiten. In den Pausen mit in den Ring durfte er nicht. „Das darf nur mein Trainer Alexander Haan, der mich coacht.“
Wieder zurück in Augsburg freuen sich die beiden nach Tinas intensiver Kampfvorbereitung wieder auf den ganz normalen Alltag. Die beiden leben seit knapp drei Jahren in Hochzoll in einer schönen Wohnung. Zudem genießen sie die Zeit in einem Schrebergarten, in dem sich Tina stundenlang um die Blumen kümmern kann. „Den haben wir von meinen Großeltern übernommen, haben die Hütte neu mit Holz verkleidet. Es macht mir einfach Spaß, Dinge zu verschönern, kreativ zu sein und mich um die Pflanzen zu kümmern.“ In diesem Umfeld kann Tina Rupprecht abschalten. Sie macht auch Spaziergänge mit Markus, hat mehr Zeit für die Liebe.
Die beiden sind seit Juni 2019 ein Paar. Sie hatten sich bei einem Business-Netzwerktreffen kennengelernt. Markus wusste gar nicht, dass Tina Box-Weltmeisterin ist. „Mir gefiel ihre Ausstrahlung – fröhlich und positiv! Ich wusste da nicht, dass sie Boxerin ist. Das war lustig.“ Bei dem Meeting bat der Moderator: „Tina, steh mal auf!“ Und dann durften die Leute raten, welche Sportart sie betreibt. Die meisten glaubten, sie sei Schwimmerin. Auf Boxerin sei niemand gekommen, erzählte Fritschi in einem Interview.
Tiny Tina aus Augsburg: Ihr Freund ist 25 Zentimeter größer
Tinas Liebster ist 25 Zentimeter größer als sie. Beide sind Lehrer, dadurch beschränkt sich auch die Urlaubsplanung auf die Schulferien. „Wir reisen beide sehr gern, in den Sommerferien machen wir jedes Jahr eine große Reise. Nachdem wir letztes Jahr in Kolumbien und Panama waren, geht es in diesem Sommer nach Indonesien.“ Markus ist zudem Unternehmer, betreibt die Fitness-App „Gettoworkout“. Er stärkt „Tiny Tina“ aus Augsburg, die zwei Tage pro Woche in der Realschule Zusmarshausen (Landkreis Augsburg) unterrichtet, den Rücken. Ihre geringe Körpergröße nimmt Tina übrigens mit Humor. „Die meisten Fünftklässler sind ja größer als ich“, erzählt sie. „Aber ich kann mich schon durchsetzen.“ Das kann man sich vorstellen. Lebenspartner Markus Fritschi erinnert sich an das erste Gespräch mit „Tiny Tina“. Als er sie kennengelernt hat, habe er gefragt, was sie denn so macht. „Sie hat gesagt, ich bin Box-Weltmeisterin. Da habe ich gefragt: Wie groß bist du? Sie antwortete: 1,52 Meter. Trotzdem bin ich froh, dass sie im Ring alles raushaut. Dann kriege ich es nicht ab“, lacht er.
Im Ring ist die Boxerin gefährlich wie ein Pitbull, privat ist sie entspannt und harmoniebedürftig. „Sie ist so süß und hat eine positive Ausstrahlung“, erzählt Fritschi, der damit leben muss, im Schatten seiner prominenten Freundin zu stehen. Einer Zeitung erzählte er einmal aus dem Alltag: „Es ist schon cool, wenn mich jemand fragt: Was macht deine Freundin? Und du sagen kannst: Sie ist Box-Weltmeisterin. Es ist interessant, wenn wir jemanden neu kennenlernen. Eigentlich bin ich der Gesprächigere von uns. Also erzähle ich erst von meinem Job als Lehrer. Sobald die anderen aber hören, dass Tina Box-Weltmeisterin ist, redet niemand mehr mit mir. Aber: Kein Problem!“
Der WM-Titel ist ja nun erstmal futsch. Doch als Weltklasseboxerin steht Tina oft im Mittelpunkt. Sie ist jung, attraktiv, ungemein erfolgreich. Und sie ist blitzgescheit. An der Universität Augsburg absolvierte sie ein Lehramtsstudium für die Grundschule (Hauptfach Sport), bestand ihr erstes Staatsexamen mit der Note 1,4. Obwohl sie nebenbei bis zu sechs Tage pro Woche trainiert.
Da braucht Tina Rupprecht auch Nachsicht. „Die Schulleitung in Zusmarshausen unterstützt mich und stellt mich frei. Das Boxen ist ja mein Hauptberuf“, erzählt sie. Wenn sie nicht vor einem großen Kampf steht, unterrichtet sie montags sechs und dienstags vier Stunden. Aktuell in den Klassen 5, 7, 8 und 9. Den Kindern gefällt es, von einer Profi-Sportlerin unterrichtet zu werden. „Sie sagen mir: Ich habe Sie in einem Zeitungsartikel oder im Fernsehen gesehen. Ganz süß“, lächelt Tina.
In wenigen Wochen wird sie wieder trainieren, denn der Kampf gegen Estrada soll nicht der letzte in diesem Jahr gewesen sein. Ein Rückkampf ist erst einmal nicht geplant, obwohl sich beide Boxerinnen gegenseitig schätzen. „Im Hotel habe ich sie gefragt, ob sei einen Burger essen will, und dann haben wir das gemacht“, erzählt die 30-Jährige, die nach der Niederlage keinen Groll gegenüber ihrer Kontrahentin hegte. „Es ist einfach Sport, man gewinnt oder man verliert, deshalb muss man sich ja nicht gegenseitig hassen oder so.“
Die weitere sportliche Perspektive – es sind dieses Jahr sogar zwei weitere Fights angedacht – könnte Rupprecht auch in eine andere Gewichtsklasse führen. „Ich spiele schon länger mit dem Gedanken auch mal im Atomgewicht zu Boxen, weil ich ja praktisch mein ganzes Leben mit meinem Kampfgewicht rumlaufe.“ Seit wenigen Jahren gibt es eine Rangliste in der Atomgewichtsklasse, eine Herausforderung, die die aktuelle Minimalgewichtlerin reizen würde. „Wenn ich eine Gewichtsklasse tiefer gehe, also auf 46 Kilo, dann bin ich auch physisch etwas krasser, weil aktuell alle meine Gegnerinnen von 50 Kilogramm runterkommen und ich das Gewicht nicht habe. Das heißt, die stehen am Kampftag immer mit drei bis vier Kilo mehr im Ring, das ist natürlich schon ein Vorteil.“
Dank ihrer Disziplin kann sie aber mit jeder neuen Herausforderung umgehen. Auch ihren Trainer musste sie am Anfang erst von sich überzeugen. Denn als sie 2014 in die Boxschule Haan kam, war Alex Haan kein großer Freund vom Frauen-Kampfsport. „Mein Denken war immer: Frauen und Küche. Aber durch Tina habe ich gelernt, wie ehrgeizig Frauen sein können. Sie können auch anders mit Schmerz und Belastung umgehen“, erzählte er einmal im Bayerischen Fernsehen.
Lebenspartner Markus ist zudem von Tinas mentaler Stärke beeindruckt. „Sie lässt sich nie ablenken, schaut immer nur auf sich selbst. Da habe ich viel von ihr gelernt“, erzählte er Ende März der BILD. Ob er schon mal schräg angeschaut wurde, wenn Tina ein blaues Auge hatte? „Bisher noch nicht, aber wir spaßen immer herum, wenn wir nach einem Kampf spazieren gehen. Denken die Leute jetzt: Was ist das für ein Freund? Schlägt der seine Freundin?“
Froh sind die beiden nach den aufregenden Wochen, dass nun Ruhe einkehrt. Daheim in der gemeinsamen Wohnung ist Tina für die Feinarbeiten zuständig. Sie dekoriert und kocht. Markus ist der Mann fürs Grobe: Staubsaugen, Altglas und Müll wegbringen. Auch in den Osterferien fliegen die beiden in den Urlaub. Das Ziel ist Island. „Wir reisen sehr gerne und wollen immer etwas Neues sehen und in Island soll es sehr schön sein“, sagt Tina. Entspannen zwischen den Vulkanen ist ihr Motto. Aufregend wird das Leben für die Vollblut-Sportlerin wieder früh genug.
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