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Aufklärung: Betroffene gesucht

Missbrauch Welche Heime von Vorwürfen betroffen waren

Der Herr Pfarrer soll einen Ministranten unsittlich berührt, die Klosterfrau im Heim ein Kind mit der Weidenrute gezüchtigt haben. Jahrzehntelang brauchten Kinder gar nicht daran zu denken, dass solchen Vorwürfen von ihren Eltern oder Lehrern geglaubt würde. Der Herr Pfarrer, die Klosterfrau?! Selbst noch, als der Schrobenhausener Stadtpfarrer und spätere Augsburger Bischof Walter Mixa wegen „schwerer körperlicher Züchtigung“ und andere Delikte im Kreuzfeuer stand und deshalb zurücktreten musste, gab es viele Zweifler.
Tausende Katholiken haben mittlerweile der Kirche den Rücken gekehrt mit dem Verweis auf solche Verfehlungen und mangelnden Aufklärungswillen seitens der Geistlichkeit. Sie haben möglicherweise dazu beigetragen, dass die deutschen Bischöfe vermehrte Anstrengungen unternehmen, Missbrauchsfälle aufzuklären und Betroffene zu entschädigen.

Im Josefsheim wie auch im Marienheim (Foto oben)im Landkreis Augsburg soll von 1950 bis 1985 Kindern Leid zugefügt worden sein. Inzwischen bemüht man sich um Aufklärung.

In Augsburg hat sich Bischof Bertram Meier mit seinem Generalvikar Harald Heinrich an die Spitze der Aufklärer gesetzt. Neuestes Werkzeug: ein sogenannter Betroffenenbeirat, wie es ihn auch in anderen Bistümern geben soll (wir berichteten). Um ihre Bemühungen um die Prävention, Aufklärung und Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch durch Mitarbeiter der Kirche zu verstärken, solle dieser Beirat „die diesbezüglichen Aktivitäten der Diözese konstruktiv und kritisch begleiten.
Für die Mitarbeit werden nun Menschen gesucht, die sich ehrenamtlich engagieren wollen und selbst von sexueller Gewalt betroffen waren“, heißt es in einer Mitteilung. Arbeitsfeld dieser Kommission soll das gesamte Bistum sein, das größer ist als der Regierungsbezirk Schwaben. Dabei können sich Menschen mit Einzelschicksalen, beispielsweise in einer Pfarrei, ebenso einbringen wie jene, deren Leid ihren Ursprung in einer kirchlichen Einrichtung hat.
Weitergekommen ist die Diözese Augsburg bereits, was Missbrauchsvorwürfe in zwei Kinderheimen im westlichen Landkreis Augsburg anbelangt. Sowohl aus dem Josefsheim in Reitenbuch (Markt Fischach) als auch im Marienheim in Baschenegg (Gemeinde Ustersbach) ist eine Vielzahl von Fällen bekannt geworden. Um Hinweisen auf mögliche körperliche und seelische Missbrauchsfälle nachzugehen – insbesondere auch in Bezug auf drei ehemalige, zwischenzeitlich verstorbene Priester – Ende 2019 eine diözesane Projektgruppe unter Leitung von Elisabeth Mette, der ehemaligen Präsidentin des Bayerischen Landessozialgerichts, bestellt.
Besagte Priester waren von der Diözese zur geistlichen Begleitung der Ordensfrauen sowie der Heimkinder ins Josefsheim Reitenbuch abgestellt. Es geht vor allem um Fälle aus einem Zeitraum von 1950 bis 1985. Das Josefsheim, von dem aus später das Marienheim im nahegelegenen Baschenegg gegründet wurde, hat seit Anbeginn Anfang des 20. Jahrhunderts der Verein „Christliche Kinder- und Jugendhilfe“ (CKJ) aus Augsburg betrieben. Die Arbeit vor Ort lag viele Jahre in den Händen der Dillinger Franziskanerinnen. Einige der Klosterfrauen wohnten bei den Kindern in den Heimen. 2011 kehrten die letzten vier Ordensfrauen in ihr Kloster zurück. Betreut werden in den beiden Einrichtungen aktuell knapp 100 Kinder, die aus den unterschiedlichen Gründen nicht mit ihren Eltern zusammenwohnen können.
Nachdem die Projektgruppe einen Aufruf gestartet hatte, haben sich laut Mette mittlerweile 41 Personen gemeldet, denen in den beiden Heimen Leid widerfahren ist. Neben den Gesprächen mit den Betroffenen könne ihre Arbeitsgruppe auch auf Akten des Trägervereins CKJ, der Diözese oder der beiden Heimen zurückgreifen.
Eine juristische Aufarbeitung möglicher Vorfälle, gar Straftaten, kommt aus verschiedenen Gründen kaum mehr in Betracht. Zum einen sind mögliche Täter inzwischen nicht mehr am Leben. Und wenn doch, so dürften entsprechende Taten verjährt sein.
Ihrer Projektgruppe geht es, so Mette, um etwas anderes. Aufklärung sei das Gebot. Aufklärung darüber, was passiert ist, wie es dazu kommen konnte, wie die Folgen für Betroffene aussehen und wie vergleichbare Verfehlungen künftig ausgeschlossen werden können. Vorgesehen sei, dass ihre Arbeitsgruppe Mitte dieses Jahres Ergebnisse vorstellt. Sie sei zuversichtlich, so Mette, dass es damit klappen könnte, selbst wenn Corona auch hier die Arbeit erschwere.
Freilich sei diese auf zwei Kinderheime fokussierte Projektgruppe nicht die einzige Anlaufstelle des Bistums für Gewaltopfer. Unter Leitung von Generalvikar Heinrich hat eine Entschädigungskommission seit 2010 bereits fast 100 Personen Geldleistungen zukommen lassen. In der deutlich sechsstelligen Summe sind neben Therapiekosten auch „Zahlungen zur Anerkennung des Leids enthalten“. Solche Kommissionen sind in allen Bistümern vorgesehen.
Wie wichtig dieses Thema ihm ist, hat Bischof Meier noch vor seiner Weihe klargestellt: „Wir dürfen und werden in der Aufarbeitung nicht nachlassen. Meine Zeit als Bischof wird sich auch daran messen lassen müssen, wie ich mit diesem dunklen Kapitel unserer Vergangenheit als Kirche umgegangen bin und was ich getan habe, dass sich Derartiges nie mehr wiederholt und nicht zuletzt auch, wie wir Betroffenen geholfen haben.“

 

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