Sigrid von See-Bredebusch blickt ein Jahr nach ihrer Nierentransplantation in der Uniklinik Augsburg dankbar auf ihr neues Leben.
Von Annabell Hörner
Dreimal pro Woche, jeweils fünf Stunden Dialyse. Für Sigrid von See-Bredebusch war das die harte Realität. Aufgrund einer vererbbaren Nierenerkrankung war die 62-Jährige abhängig von der künstlichen Blutwäsche. Die einzige Chance auf Besserung: Eine Nierentransplantation. Fünf Jahre stand sie auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Am 25. Dezember letzten Jahres kam dann der lang ersehnte Anruf: Eine passende Niere für die Patientin wurde gefunden. Dieses Weihnachten jährt sich die erfolgreiche und für sie lebensverändernde Operation. Im Gespräch mit dem Augsburg Journal blickt sie auf diese bewegende Zeit zurück.
„Meine Diagnose habe ich bereits im Teenager-Alter bekommen“, erinnert sich Sigrid von See-Bredebusch. Zystennieren heißt die Krankheit, an welcher bereits ihre Mutter und auch ihre Schwester litten. Durch zahlreiche Zysten in beiden Nieren wird hierbei das funktionstüchtige Gewebe zunehmend verdrängt und verursacht dadurch früher oder später Nierenversagen. „Lange konnte ich sehr gut damit leben, bis es eben nicht mehr ging“, erzählt sie. Trotz langem Vor-sich-herschieben blieb dann im Jahr 2016 keine andere Möglichkeit mehr: Sigrid von See-Bredebusch musste an die Dialyse.
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Die Dialyse ist ein Vorgang, bei welchem das Blut eines Menschen von giftigen Stoffen gereinigt wird, wenn die eigenen Nieren dazu nicht mehr in der Lage sind. „Das hat nicht nur mich betroffen, sondern auch meinen Mann“, sagt die Patientin. Anthony Bredebusch weiß genau, was sie damit meint. „Ich habe mich mit sozialen Kontakten immer sehr eingeschränkt, um keine Krankheiten nach Hause zu meiner Frau zu schleppen“, sagt er. Dazu war es der Familie während der Dialyse nie möglich gewesen, weit weg zu reisen, denn das Urlaubsziel musste zum einen im Falle einer Transplantationsmöglichkeit nah genug am Augsburger Uniklinikum sein, und zum anderen musste eine Möglichkeit für die Dialyse vor Ort bestehen. Das sind aber nicht die einzigen Nebeneffekte der Dialyse. Denn der Vorgang bringt eine große körperliche Belastung mit sich. So sei es für Sigrid von See-Bredebusch oft nach der Behandlung gerade noch möglich gewesen, etwas zu Abend zu essen, danach sei sie vor Erschöpfung eingeschlafen.
Dass sie eine Nierentransplantation möchte, war für die Redaktions-Assistentin schnell klar. „Anfangs dachte ich jeden Tag, dass der Anruf kommen würde, der mir eine neue Niere ankündigt. Irgendwann hat man das dann aber fast schon vergessen“, sagt sie. Das Telefon klingelte dann am ersten Weihnachtsfeiertag vergangenen Jahres. Zuerst sei sie bei dem Telefonat noch sachlich und organisiert geblieben, nach dem Auflegen kamen dann aber die Emotionen. „Die haben eine Niere für mich“, sagte sie noch zu ihrem Mann, dann brach sie in Tränen aus. „Das war das beste Geschenk, das ich jemals bekommen habe“, so Sigrid von See-Bredebusch. Dass dieses Geschenk für die Familie des Spenders unvorstellbare Trauer bedeutete, und das auch noch an Weihnachten, ist ihr trotzdem jeden Tag bewusst.
„Im Schnitt dauert die Wartezeit auf ein Organ acht bis zehn Jahre“, sagt Prof. Dr. Matthias Anthuber, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie im Universitätsklinikum Augsburg. Er führte gemeinsam mit Dr. med. Florian Sommer, dem Geschäftsführenden Oberarzt der Klinik, die Nierentransplantation von Sigrid von See-Bredebusch durch. Die langen Wartezeiten lägen an einem akuten Mangel an Spenderorganen, so Anthuber. Dabei kann er jedem die Angst vor dem Organspendeausweis nehmen. Natürlich sei eine Todesfeststellung ganz und gar unabhängig von der Bereitschaft zur Organspende.
„Laut einer Umfrage sind rund 70 Prozent der Deutschen dem Thema Organspende gegenüber positiv eingestellt, aber nur circa 40 Prozent haben einen Spenderausweis“, sagt Anthuber. Und das, obwohl die lebensrettenden Organe dringend benötigt werden. „Seit bald 40 Jahren bin ich für die Organspende und Organtransplantation unterwegs, und ich kann feststellen, dass wir technisch und medikamentös über diese Jahre und Jahrzehnte enorme Fortschritte erzielt haben, aber dass diese Fortschritte leider immer weniger bei schwerstkranken Patienten ankommen, weil es schlicht und ergreifend an Spenderorganen fehlt“ und weiter: „Allein in Deutschland warten über 7000 Menschen aktuell auf eine Nierentransplantation“. Diese Patienten sind Dialysefälle. Jedoch sei die Dialyse keine Behandlung für die Ewigkeit. „Die Menschen an der Dialyse werden immer kränker“, so der Chefarzt „Mit einer Nierentransplantation wird die Lebenserwartung im Vergleich zur Dialyse verdoppelt.“
So auch bei Sigrid von See-Bredebusch. Nach dem Anruf packte sie direkt ihre Sachen, anschließend wurde sie von ihrem Mann ins Krankenhaus gefahren. Gesprochen wurde wenig, während der Fahrt. „Jeder brauchte die Zeit, sich mental darauf einzustellen“, erinnert sie sich. Begleiten durfte Anthony Bredebusch sie bei der Transplantation nicht, er musste aufgrund der Corona-Regelungen das Krankenhaus wieder verlassen. „Ab 21 Uhr hat sie dann nicht mehr auf meine Nachrichten geantwortet, da wusste ich, dass es jetzt losgeht“, so Anthony Bredebusch. Der ersehnte Anruf kam dann um zwei Uhr nachts – alles war gut gegangen. „Dieser Eingriff an sich hat seinen Schrecken verloren“, weiß Anthuber. Eine Nierentransplantation sei keine Herausforderung mehr. Trotzdem: „Für uns Mediziner ist es auch immer wieder wie ein Wunder, wenn das neue Organ anfängt zu funktionieren“.
Zu welchem Menschen die Niere einmal gehört hat, weiß die Patientin nicht. In Deutschland erfahren die Empfänger die Identität der Spender nicht. „Unserer Erfahrung nach fällt es den Empfängern leichter, das Organ zu akzeptieren, wenn sie nicht wissen, wer der Spender ist“, erzählt Dr. Sommer. Eine „engere Verbindung“ zu der neuen Niere hat See-Bredebusch jedoch nicht aufgebaut. Obwohl das des Öfteren bei Patienten passiere. „Ich habe mehrere Personen während der Reha kennengelernt, die schon fast eine Beziehung zu ihrem neuen Organ aufgebaut haben“, erinnert sich Sigrid von See-Bredebusch. Jeder Patient geht anders mit der Situation um. Dankbar sind aber mit Sicherheit alle Empfänger. Schließlich wird ihnen mit der Transplantation ein neues Leben geschenkt.
Und genau deshalb liegt das Thema Organspende Prof. Dr. Anthuber und Dr. med. Sommer so sehr am Herzen. „Mein Team und ich werden aber nicht müde zu versuchen, Menschen von der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Organspende zu überzeugen“, so Anthuber. Mit seinem Projekt „Organspendelauf“ bekam er vor zwei Monaten sogar den dritten Platz des „Springer Medical Charity Awards“ auf der Springer-Gala in Berlin überreicht. Bei dem Lauf sammeln Teilnehmer Geld und bekommen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Mitmachen kann jeder. Doch Anthuber wird nicht müde, zu betonen: „Wir wollen niemanden überreden, aber gründlich informieren und am Ende überzeugen, dass Organspende ein Akt tätiger Nächstenliebe ist.“
Für Sigrid von See-Bredebusch bedeutet die Organspende eine ganz neue Lebensqualität. Jetzt kann sie endlich wieder weiter entfernte Reisen planen und ihr Leben genießen. Mit den ersehnten Reisen nach Alaska, Kanada und Japan wartet sie aber noch zwei Jahre: „Auf meine neu gewonnene Freiheit muss ich schließlich gut achtgeben.“
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