Ich bleibe die Jägerin.“ Sagt Tina Rupprecht, seit dem Wochenende Trägerin der vier bedeutendsten Weltmeister-Gürtel im Boxen der Frauen, Klasse Atomgewicht. Eine Titelsammlung, die es weltweit nur selten derart gegeben hat, in Deutschland weder bei den Frauen noch bei den Männern.

Sich auf einen vierfachen Thron zu setzen und auf Angriffe der Herausforderinnen nur zu reagieren, das sei nicht ihr Weg im Boxsport. Tina Rupprecht, 153 Zentimeter groß, will weiter zum Angriff blasen. Mit dieser Ansage drei Tage nach dem für deutsche Boxerinnen und Boxer einzigartigen Titelgewinn macht die 32-Jährige Augsburgerin auch gleich klar, wie es mit ihr als Boxerin weitergeht. Keine Spur von Motivationsproblemen, keine Rede von Kürzertreten oder Ähnlichem. Rupprecht stellt sich der nicht ganz neuen Herausforderung – sie war ja schon länger mehrfache Weltmeisterin. Stellt sich der Herausforderung, auf ihr Kampfgewicht von höchstens 46,6 Kilogramm zu trainieren, der Herausforderung, dass sie dies wohl wieder in Usbekistan im Trainingslager bewerkstelligen wird, weil sie hier in Deutschland keine geeigneten Trainingspartnerinnen findet.

Mit ihrem Kampf am Wochenende gegen die Japanerin Sumire Yamanaka war Rupprecht „zufrieden“. Schon während beide noch im Ring standen, habe sie gespürt, dass es gut für sie ausgehen müsste. Zufrieden sei sie auch gewesen, wie es von der Taktik, von der Dramaturgie der zehn Runden, gelaufen sei. Nein, eine minutiöse Strategie, wann welche Angriffe oder Bewegungen stattzufinden hätten, gebe es nicht. Ein Kampf wie jener in der Samstagnacht in Potsdam sei von der Taktik her über die ganze Länge von maximal zehn Runden angelegt. Schließlich reagiere ja auch die Gegnerin auf die eigene Kampfstrategie.

Tina Rupprecht behauptete sich in ihren 17. Kampf

Zehn umkämpfte Runden bis zum Schlussgong, dann stand der Sieg nach Punkten in der mit 2.500 Zuschauern ausverkauften Halle in Potsdam fest. Es war der 15. Erfolg für die Lehrerin im 17. Kampf. Schrecksekunde in Runde neun, als Rupprecht plötzlich zu Boden ging. Das aber nicht aufgrund eines Schlages ihrer Gegnerin, sondern weil sie gestolpert war. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Punktrichter einen kleinen Vorsprung für die Augsburgerin auf dem Zettel. Der Kampf war eng, bis Runde fünf hatte sich keine der beiden Sportlerinnen einen klaren Vorsprung erarbeiten können. „Du bist hier der Boss“ hatte Trainer Alexander Haan seine Kämpferin mit den blauen Boxhandschuhen in der Ringpause motiviert. Erst allmählich hinterließ Rupprecht den physisch etwas besseren Eindruck als ihre Gegnerin. Die Japanerin blieb aber bis zuletzt gefährlich. Als das Ergebnis der drei Punktrichter verkündet wurde – 95:95, 96:95, 99:91 – war der Jubel bei Rupprecht und ihrem Boxstall groß. Fast so schwer wie der sportliche Sieg das anschließende Unternehmen, Tina Rupprecht alle vier sperrigen Gürtel um den Hals und die Arme zu hängen. Auch das gelang schließlich.

Den Kampf in Potsdam habe sie praktisch unbeschadet überstanden, berichtet Rupprecht am Telefon. Ihre Nase sei nach einem Treffen der Gegnerin während des Kampfes etwas angeschwollen gewesen, aber jetzt sei alles gut. Keine Finger in Gips, keine Schminke auf blauem Auge, das die Siegesfeier beeinträchtigt hätte. Die Feier: Die war gleich nach dem Kampf. „Da bin ich so voller Adrenalin, da kann ich nicht schlafen“, so Rupprecht. Also habe man zuerst in der Halle und danach noch im Hotel mit dem Team, mit dem Ehemann, mit dem engsten Freundeskreis gefeiert. Es war wohl schon nach vier Uhr, als sie ins Hotelbett gestiegen sei.

Seit dem Morgen klingelt das Telefon nahezu ununterbrochen. Dutzende von Anfragen der Medien, Gratulationen aus der Boxer-Szene, aus der Heimat, sie komme gerade zu fast nichts anderem, so die Vierfach-Weltmeisterin.

Sport-Star bleibt in Augsburg

Apropos: Ob jetzt unermesslicher Reichtum über sie hereinbreche? Sie sich voll und ganz als Profi auf ihre Box-Karriere konzentriere? Rupprecht lacht. Freilich laufe es im Moment ganz gut im Sport, aber das könne sich im Boxen sehr schnell ändern. Von daher werde sie ihren Weg nicht verlassen. Nicht ins Ausland ziehen, wo der Boxsport vielleicht etwas prominenter sei, sie werde auch nicht ihr Standbein als „Teilzeit-Lehrerin“ verlassen. Die ganze Woche freue sie sich auf die Kinder an der Realschule in Zusmarshausen, wo Rupprecht Sportunterricht gibt.

Und dann sind ja Osterferien, Ferien, wo Rupprecht sich in die Hände ihres Mannes als Reiseleiter begibt. Einmal um die halbe Welt geht es, nach Japan. In Tokio bekommt Markus Fritschi kundige Hilfe. Eri Matsuda, die Rupprecht auf dem Weg zu ihren vier Titeln im vergangenen Herbst im Boxring den Vortritt lassen musste, habe zugesagt, die Gäste aus Deutschland in ihrer Heimat zu empfangen und durch die einst größte Stadt der Welt zu begleiten. Und wer weiß, vielleicht führt ja demnächst Tina Rupprechts nächste sportliche „Dienstreise“ auch ins Land der aufgehenden Sonne. Möglicherweise im Herbst könnte die nächste Titelverteidigung anstehen.

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