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Drei Augsburgerinnen teilen das gleiche Schicksal: „Chronic Fatigue Syndrom“ (CFS) – die unerforschte Krankheit voller Erschöpfung und Schmerzen

Kein Licht, kein Ton: CFS-Patienten wie Ursula Wohlrab können nicht normal leben.

Sie sind gefangen in den eigenen vier Wänden. Geräusche, Licht und sogar Berührungen sind für sie kaum auszuhalten. Leichteste Alltagsaufgaben bringen sie an ihre körperlichen Grenzen. Die drei Augsburgerinnen Shania Hiebel (25), Ursula Wohlrab (45) und Cathie Mullen (62) verbindet das Schicksal CFS – das Chronische Fatigue Syndrom, das in unterschiedlicher, aber fast immer unerträglicher Weise, seinen Opfern das Leben zur Hölle macht.

Bei CFS handelt es sich um eine meist sehr schwer verlaufende Multisystemerkrankung. Erforscht ist sie kaum, Medikamente oder eine erfolgreiche Therapie gibt es nicht. Wie viele Menschen unter CFS leiden, ist nicht sicher. Klar ist jedoch: Es sind deutlich mehr Frauen als Männer. Unter dem Hashtag „MillionsMissing“ teilen Betroffene online ihre Geschichten und versuchen, auf die Krankheit aufmerksam zu machen.

Das Hauptproblem ist: CFS wird oft als psychisches Problem abgetan – oder sogar fälschlicherweise als Depression fehldiagnostiziert. Viele Ärzte scheinen beim Thema CFS überfordert zu sein. Im schlimmsten Fall fühlen sich Betroffene gar belächelt von den Medizinern. Von solchen Erfahrungen berichten die drei Augsburgerinnen übereinstimmend. Und auch von der Sehnsucht nach einem ganz normalen Leben, das gesunde Menschen – im Gegensatz zu CFS-Patienten – planen können. Und dann sind da noch die katastrophalen Folgen im zwischenmenschlichen Bereich. Langjährige Freundschaften zerbrechen, weil das Umfeld CFS nicht kennt, nicht versteht – aber auch verunsichert ist ob der Situation.

Genau aus diesem Grund erzählen wir die Geschichten dieser drei starken Frauen – um Aufklärung zu schaffen und das Verstehen von CFS zu fördern.

Ursula Wohlrab: Ehemann Alexander kam auf die Diagnose CFS

Ich würde so gerne mal wieder ans Meer fahren“, sagt Ursula Wohlrab verträumt ins Telefon. Ein persönliches Gespräch mit dem Augsburg Journal ist nicht möglich. Zu sehr zehrt die Krankheit CFS an der 45-Jährigen. „Ich kann eigentlich gar nichts mehr machen. Das große Problem ist die Reizüberflutung. Geräusche, Gerüche und Licht sind manchmal so schmerzhaft, dass es fast nicht auszuhalten ist“, erklärt sie. An CFS leidet sie vermutlich schon seit ihrem 19. Lebensjahr. Da fing sie sich das Epstein-Barr-Virus ein. Dass sie Jahrzehnte später durch die Langzeitfolgen der grippeähnlichen Erkrankung plötzlich in die Pflegestufe drei fällt, hätte sie nicht erwartet.

„Ein wirkliches Medikament gibt es nicht,“ weiß Ursula Wohlrab. Durch das Chronische Fatigue Syndrom leidet sie unter Desorientierung, Verwirrtheit und Schlafproblemen. „Es fühlt sich an, als hätte man einen Kater, Magen-Darm und eine Grippe. Und das alles gleichzeitig“, fügt sie hinzu. „Anfangs war es nur ganz leicht. Ich war oft erschöpft. Man sagt, man könne die Krankheit an einem Punkt halten, wenn man sich selbst nicht überfordert. Aber sobald man zu viel macht, werden die Symptome immer schlimmer. Mein Mann hat massiv Angst davor.“ Dass es keine Heilung und im Grunde auch keine Behandlungsmöglichkeiten für ihre Krankheit gibt, läge an der mangelnden Erforschung der Thematik. „Wir haben etliche Ärzte abgeklappert und es wurde ständig auf meine Psyche geschoben.“ Ärzte hätten sie belächelt, nicht ernst genommen, weiter geschickt. „CFS wird eigentlich nur über ein Ausschlussverfahren diagnostiziert, Tests gibt es da nicht“, so Ursula Wohlrab. Und selbst wenn Ärzte ihre Diagnose ernst nehmen, dann müssen sie selbst erst zu dem Thema recherchieren und sich einlesen. „Eigentlich kennen sich die Betroffenen immer selbst am besten aus – zwangsweise.“

Ursula Wohlrab verbringt ihr Leben die meiste Zeit im Krankenbett; Ihr Ehemann, der Radiomoderator Alexander Wohlrab, pflegt sie.

Bereits seit dem Jahr 2017 ist sie in Frührente. Schon zuvor fiel sie oft im Job aus – damals noch unter der Diagnose „Burnout“. Seit einiger Zeit besitzt sie ein Krankenbett, welches ihr das Leben sehr erleichtert. Gepflegt wird sie von ihrem Ehemann Alexander Wohlrab, dem bekannten rt1-Moderator. Er war es auch, der als erster auf die Diagnose CFS kam. „Über einen Zeitungsartikel“, fügt sie hinzu.
Ursula Wohlrab ist in psychischer Behandlung. Ihre Therapeutin ist auch mit CFS bekannt und versucht ihr bestmöglich zu helfen. Ansonsten bleibt ihr nicht viel. An schlimmen Tagen schützt sie sich selbst mit Gehörschutz und Augenklappe. Ihre Hobbys wie das Motorradfahren auf der Rennstrecke, das Malen oder die Fotografie kann sie nicht mehr ausleben. Nicht einmal kochen kann sie mehr. „Mein größter Wunsch ist, meine Selbstständigkeit und Freiheit zurück zu bekommen“, sagt sie. Und sie appelliert: „Wenn man so einen Fall im Bekanntenkreis hat: Belächelt die Betroffenen nicht. Und gebt den Menschen nicht auf. Das Schlimmste ist, von Familie und Freunden belächelt zu werden. Achtet aufeinander!“

Cathie Mullen: Seit 2019 von CFS aus der Bahn geworfen

Cathie Mullen war DAS Aushängeschild der Internationalen Schule Augsburg – bis sie 2019 vom chronischen Erschöpfungszustand CFS völlig aus der Bahn geworfen wurde: „Früher habe ich fast täglich Yoga gemacht oder Tennis gespielt; heute schaffe ich ab und zu mal einen kurzen Spaziergang“, sagt Cathie Mullen. Die gebürtige Irin beschreibt ihren Fitnesszustand mit leichtem Akzent äußerst anschaulich: „Beine wie Blei. Arme wie Blei. Der ganze Körper so schwer, dass du ihn fast nicht tragen kannst.“
Gemeinsam mit ihrem Mann lebt sie in einer entzückenden Dachgeschosswohnung mitten in Augsburg. Vom Balkon hat sie einen herrlichen Blick über die Dächer. Aber sie verbringt auch die allermeiste Zeit daheim, in diesen vier Wänden. Eine neue Aktivität hat sie für sich entdeckt: den Körper auf den Kopf zu stellen – mit einer speziellen Kopfstand-Vorrichtung. „Das geht nicht jeden Tag. Aber wenn es mir gelingt, tut es mir unglaublich gut.“ Eine andere Perspektive.

20 Spezialisten – und keiner konnte Cathie Mullen helfen.

Geduld und Gelassenheit spielen im Leben von Cathie Mullen inzwischen eine große Rolle. Wer die 62-Jährige von früher kennt, erinnert sich an eine quirlige Powerfrau – war sie doch Initiatorin, Mitbegründerin und 17 Jahre lang Leiterin der Internationalen Schule Augsburg, kurz ISA. „Es war schon eine sehr aufreibende Zeit. Wobei ich auch sehr perfektionistisch war und immer versucht habe, es allen recht zu machen,“ resümiert sie inzwischen, auch ein wenig selbstkritisch.

Der Anfang vom Ende der Schulverantwortung kam 2019, mit einer ersten Krankschreibung aufgrund von Dauermigräne. „Die Schmerzen breiteten sich immer öfter aus – irgendwann fühlte es sich an, als ob mein ganzer Körper Migräne hat“, so die Pädagogin.
Wenig Unterstützung fand sie bei Ärzten, die ihrer Einschätzung nach diesem Krankheitsbild selbst oft hilflos gegenüberstehen. „Ich war bestimmt bei rund 20 Spezialisten, berichtete ihnen von meinen diffusen Muskel- und Nervenschmerzen. Brach in Tränen aus, als ich Unverständnis spürte; was einem dann auch schnell als Hysterie ausgelegt wird. Ich habe aufgegeben, bei Ärzten zu sein.“

Zumindest ist inzwischen klar, dass es sich bei Cathie um das Chronische Fatigue Syndrom handelt. Wobei ihr auffällt: „In Irland oder Australien kennt die Krankheit jeder. Hier in Deutschland gar nicht.“ Dabei ist es gerade das Nicht-Verstehen, das Betroffene wie Cathie belastet: „Die Freunde sehen mich natürlich nur, wenn es mir einigermaßen gut geht. Und wann es mir gut geht, ist nicht planbar. So verlieren sich immer mehr Freundschaften. Das macht mich traurig.“

Cathie Mullen empfing Anja Marks-Schilffarth in ihrer lichtdurchfluteten Dachwohnung.

Mehr Verständnis, mehr „darüber reden“ – das würde sie sich für sich und andere Betroffene wünschen. Dann könnte sie erklären, wie sich das Leben für sie anfühlt: „Gute Tage sind nicht planbar. Doch ich weiß genau, was ich nicht machen darf – egal ob Kontakt, Bewegung, Gespräche. Wenn es anfängt, Spaß zu machen, sollte ich aufhören. Sonst büße ich es danach mit Tagen im Bett und höllischen Schmerzen“.
Trotz der schicksalshaften Kehrtwende in Cathie Mullens Leben gibt es auch positive Aspekte – und vor allem Hoffnung: „Mein Mann hält fantastisch zu mir und unterstützt mich, so gut er kann. Wir haben vor kurzem eine ältere Katzendame adoptiert, Lucie, die macht mir viel Freude. Und ich bin dabei, ein Buch zu schreiben über meine Krankheit. Ich bin die Hauptperson und es soll vor allem um das Thema Heilen gehen. Da brauche ich zwar immer wieder mal längere Schreibpausen, aber ich hoffe, im Sommer 2025 fertig zu sein!“

Akute Schlafprobleme, die ebenfalls typisch für CFS sind, möchte Cathie demnächst mit Hilfe eines Schlaflabors in den Griff bekommen. Um ihrem innigen Wunsch nach einem ganz normalen Leben, mit „Einkaufen, Hausarbeit, Haare Föhnen oder auch Stricken“, ein Stückchen näher zu kommen. Die richtige Grundeinstellung hat Kämpferin Cathie jedenfalls. Sie ist überzeugt: „I will be better!“

Shania Hiebel: Mit 25 Jahren ans Bett gefesselt

Shania Hiebel ist gerade einmal 25 Jahre alt. Während andere Frauen in ihrem Alter studieren, auf Partys gehen und Pläne für die Zukunft schmieden, bleibt sie zuhause. Meist im Bett, denn aufstehen kann sie kaum noch. Auch Shania Hiebel leidet unter CFS. „Ich vertrage kein Licht und keine Geräusche. Außerdem habe ich unbändige Schmerzen, leide unter Schwindel und fühle mich benommen.” Mit ihrem Freund könne sie höchstens 20 Minuten am Tag sprechen, fügt sie mit Tränen in den Augen hinzu.

Im Oktober 2023 fangen die Symptome an, sie leidet unter Halsschmerzen. Eigentlich keine große Sache, doch auch nachdem die „Erkältung“ ausgestanden ist, geht es der jungen Frau nicht besser. „Zuerst habe ich gedacht, ich schlafe zu wenig. Aber das war nicht der Fall. Ich konnte so viel schlafen, wie ich wollte. Es hat einfach nicht aufgehört.” Und das ist nicht ihr einziges Problem: Shania Hiebel leidet unter Schwindelanfällen und einem Brummen im Kopf. „Ganz schlimm war auch diese Benommenheit, ich habe mich gefühlt, als wäre ich betrunken.”

Nun ist Shania Hiebel an ihr Bett gefesselt, muss Gehörschutz und Augenmaske tragen, um ihren Alltag aushalten zu können.

Eine Diagnose kommt schneller als bei den beiden anderen betroffenen Frauen. Trotzdem führt die Suche nach der Ursache in unzählige Arztpraxen. Endokrinologen, Rheumatologen, Neurologen – keiner kann ihr helfen. „Mir wurde gesagt, meine Beschwerden sind psychisch. Das seien wahrscheinlich Panikattacken.” Sechs Monate, in denen es ihr immer schlechter geht. Ihre Arme und Beine werden steif, sie kann kaum noch laufen. „Es ging so weit, dass ich irgendwann bettlägerig war und zur Neurologin gesagt habe, ich kann nicht mehr kommen”, so Shania Hiebel. „Dann hat sie einen Videocall gemacht und gesagt, sie möchte vorbeikommen. Ich habe ihr unter Tränen gesagt, ich brauche jetzt eine Diagnose. Sonst habe ich ein Problem. Ich kriege sonst kein Krankengeld.” Erst nach weiteren, kräftezehrenden Untersuchungen steht fest: Sie leidet unter CFS. Eine Schock-Diagnose. Sie ist ans Bett gefesselt, muss von ihrem Freund gefüttert und gewaschen werden. Sie nimmt Opiate gegen die Schmerzen und starke Antidepressiva. „Es ist die schlimmste Krankheit, die man sich vorstellen kann!”

Shania Hiebel war bis Herbst 2023 eine ganz normale junge Frau, als sie an CFS erkrankte.

Doch sie verliert die Hoffnung nicht. Eine Blutwäsche könnte der Schwerkranken möglicherweise helfen. Diese Methode wird auch bei Long Covid-Patienten angewandt. Das Problem: Die Behandlung ist sehr kostspielig und wird von den Krankenkassen nicht bezahlt. Die Kosten belaufen sich pro Behandlung auf bis zu 3000 Euro, die privat aus eigener Tasche gezahlt werden müssen. Darüber hinaus ist es selten mit einer einzigen Behandlung getan. Dadurch steigen die Kosten nicht kalkulierbar und in jedem Fall zu hoch für die junge Frau. Daher wurde jetzt eine Spendenaktion ins Leben gerufen.

Sie wollen Shania Hiebel helfen? Unter www.fkh-sonnenherz.de gibt es alle Infos zur Spendenaktion.

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