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Dienstag, 01. April 2025

„Lasst die Kinder spielen! – Zecken-Hysterie ist fehl am Platz“

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„Lasst die Kinder draußen spielen! Panik vor Zecken ist nicht angebracht“, appelliert Dr. med. Achim Timnik, Kinder- und Jugendarzt aus Neusäß. Viele Eltern wurden kürzlich verunsichert, weil das Robert-Koch-Institut das Augsburger Stadtgebiet als eine der letzten Regionen Süddeutschlands zum Risikogebiet ernannt hatte.

Steigende Temperaturen ziehen die Menschen nach draußen, und besonders Familien mit Kindern genießen ihre Zeit in der Natur. Gewöhnlich beginnt die Zeckensaison im Frühling, doch durch milde Winter in den letzten Jahren haben die Zecken keine Aktivitätspause. Die kleinen Blutsauger können dank der hohen Feuchtigkeit in den Parks sowie auf den Wiesen und in den Wäldern leicht überleben, sich vermehren und gefährliche Viren übertragen, die FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis, eine Entzündung des Gehirns und der Hirnhäute) hervorrufen.

Von Zecken übertragen: Augsburg ist FSME-Risikogebiet

Auch die Stadt Augsburg wurde vom Robert-Koch-Institut (RKI) zum FSME-Risikogebiet eingestuft. „Grund dafür ist nach Angaben des RKI eine Zunahme von FSME-Erkrankungen im Stadtkreis Augsburg, insbesondere bayernweit innerhalb der zurückliegenden fünf Jahre“, erklärt Gesundheitsreferent Reiner Erben. Im Stadtgebiet wurden 2024 lediglich drei Fälle festgestellt, in Bayern insgesamt 311 Fälle, doch das ist ein neuer Rekord bei den jährlich gemeldeten Erkrankungen. Aktuell sind in Bayern 95 von 96 Landkreisen und kreisfreien Städten als Risikogebiete eingestuft, einziger grüner Fleck ist die Stadt Schweinfurt (Unterfranken).

„Da der Stadtkreis Augsburg schon seit Jahren von Risikogebieten umzingelt war, war es nur eine Frage der Zeit, dass auch in Augsburg-Stadt FSME-Erkrankungen auftreten werden“, kommentiert Dr. Timnik und fügt hinzu: „Für uns als Kinder- und Jugendärzte bedeutet dies, dass wir vermehrt auf die Impfung gegen FSME als einzige wirksame Schutzmaßnahme gegen diese gefährliche Erkrankung aufmerksam machen müssen. Immerhin waren im Jahr 2024 98 Prozent der zum Teil schwer erkrankten Personen entweder gar nicht oder nur unzureichend geimpft.“

Laut Dr. Timnik treten die meisten Erkrankungen von Mai bis Oktober auf und verlaufen in geschätzten 70 bis 90 Prozent unbemerkt. Er erklärt, dass es monophasische und biphasische Verläufe gibt. „Der biphasische Verlauf beginnt mit Erkältungssymptomen und Kopfschmerzen. Nach einem kurzen, symptomfreien Intervall kommt es dann zu einer Gehirn- und Hirnhautentzündung, die sehr selten tödlich verlaufen kann, aber auch dann, wenn sie nicht tödlich endet, eine schwere Erkrankung mit möglichen Folgeschäden darstellt. Zum Glück betreffen die schweren Verläufe meist Menschen im Alter von über 40 Jahren. Die Gefahr, schwer zu erkranken, ist für Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren gering“, betont Dr. Timnik.

„Impfung ist sehr gut verträglich“

Da die Erkrankung auch bei Kindern vorkommt, raten die Kinder- und Jugendärzte zu einer Impfung ab dem Schulalter, bei starker Exposition und häufigem Aufenthalt im Freien (zum Beispiel in Waldkindergärten) auch schon früher. „Da die Impfung sehr gut verträglich ist, impfen wir auch schon ab 3 Jahren, wenn die Eltern besorgt sind wegen einer möglichen FSME-Erkrankung. Wichtig erscheint uns aber, dass insbesondere die Eltern und Großeltern geimpft sind, da diese ein deutlich höheres Risiko haben, schwer zu erkranken“, so Dr. Timnik.
„Jetzt vor Beginn der Zeckensaison ist es angebracht, den Impfschutz zu überprüfen und gegebenenfalls in der Hausarztpraxis auffrischen zu lassen“, ermahnt der Leiter des Augsburger Gesundheitsamts, Dr. Thomas Wibmer. Für den vollen Impfschutz sind drei Impfungen innerhalb von höchstens 15 Monaten erforderlich, dieser Schutz sollte mindestens drei Jahre anhalten. Das Bayerische Gesundheitsministerium meldet, dass nur circa ein Fünftel der Erwachsenen und circa ein Drittel der Schulanfänger ausreichend gegen FSME geimpft sind.

Kinderarzt Dr. Timnik hat noch ein paar praktische Tipps parat: „Vor Zeckenstichen kann man sich durch geschlossene Kleidung schützen. Sogenannte Repellents, das heißt Substanzen, die auf die Haut aufgetragen werden und die Zecken abhalten sollen, nützen leider nur stundenweise und werden von uns nicht empfohlen. Da die FSME-Erreger gleich zu Beginn des Stichs übertragen werden, hilft auch das Entfernen der Zecken nicht wirklich gegen FSME, obwohl Eltern natürlich ihre Kinder abends untersuchen und etwa vorhandene Zecken entfernen sollten, da es auch andere Erkrankungen gibt, die durch eine rechtzeitige Entfernung verhindert werden können. Am Ende des Tages ist die Impfung der beste Schutz vor einer Erkrankung.“

Allerdings hilft diese Impfung nicht gegen von Zecken übertragene bakterielle Infektionskrankheit Borreliose, die mit Antibiotika behandelt wird. Diese Krankheit kann unterschiedliche Verläufe und Spätfolgen haben. Eine überstandene Borreliose macht nicht immun.

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