Martina Wild: „Wir machen das doch gut – zusammen!“

Wie geht‘s eigentlich unserer zweiten Bürgermeisterin Martina Wild (Grüne) nach der Hälfte ihrer Amtszeit? Ein Gespräch am Lech.


Augsburg Journal:
Martina Wild, Sie sind ja nicht nur Grünen-Politikerin und Augsburgs zweite Bürgermeisterin, sondern auch Ehefrau und Mutter von drei Kindern, die noch bei Ihnen und Ihrem Mann in Inningen wohnen. Ausschlafen ist da wahrscheinlich eher schwierig?
Martina Wild (lacht): Stimmt. Ich stehe täglich um 6 Uhr, spätestens 6.15 Uhr auf. Selber frühstücken schaffe ich in der Regel nicht. Aber Kaffee ist mir morgens wichtig, mein Tag startet immer mit einem Cappuccino.


AJ: Bringt ihn der Gatte ans Bett?
Wild: Nein – den mache ich mir schon selbst, wir haben da eine schöne Maschine. Dann richte ich die Brotzeitdosen für die beiden jüngeren Schulkinder. Und dann kommt der Blick in die Zeitung.


AJ: Lesen Sie Zeitung online oder noch in Papierform?
Wild: Als Papier, das brauche ich irgendwo noch. Online gibt’s höchstens am Vorabend.


AJ: Sie hatten ja gerade „Bergfest“ ihrer ersten Legislaturperiode als grüne Bürgermeisterin. Welchen „Wohlfühlfaktor“ würden Sie den ersten drei Jahren an der Macht verpassen – von 1 für „ungemütlich“ bis 10 für „total entspannt“?
Wild: Also ich glaube, dass ich in diesen drei Jahren von 1 bis 10 alles durchleben durfte. Wir sind die Stadtregierung, die durch die größten Herausforderungen seit der Nachkriegszeit gegangen ist; erst Corona-Pandemie, dann Ukraine-Krieg und dann noch die Energiekrise. Dazu kam für mich als Referentin für Migration auch noch das Erdbeben in der Türkei und in Syrien. Wobei ich wirklich eine große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung bei der Aufnahme von Ukrainerinnen und Ukrainern in der Stadt gesehen habe und auch eine große Solidarität beim Erdbeben. Als Referentin für Bildung machen mir natürlich die Themen Schulsanierung und ausreichend Kinderbetreuungsplätze zu schaffen. Das hat eine hohe Priorität in der Stadtpolitik und wir gehen es mit großem Elan an. Aber auch da erleben wir jeden Tag alles – zwischen eins und zehn.

Martina Wild ist recht zufrieden mit ihrer Rolle als zweite Bürgermeisterin. Sie lobt die Zusammenarbeit mit den CSU-Kollegen und freut sich auf Urlaub in Frankreich – und Eis aus Bobingen!


AJ: Bevor wir zur weiblichen Doppel-Spitze in Augsburg kommen – wie klappt es denn mit den Herren der CSU in der Koalition?
Wild: Prima, aber da möchte ich sogar einen explizit erwähnen: Mit Bernd Kränzle, CSU-„Urgestein“ und dritter Bürgermeister, tausche ich mich wahnsinnig gerne aus. Das war von Anfang an super. Er hat so viel Erfahrung, ist wahnsinnig nah an den Bürgerinnen und Bürgern – und ich bin immer wieder beeindruckt von seinen Geschichten. Für ihn steht bei mir immer eine Tasse parat, für einen gemeinsamen Kaffee.


AJ: Macht es mit Oberbürgermeisterin Eva Weber genauso viel Spaß?
Wild: Wir haben ein wertvolles Miteinander und auch ein gutes Vertrauensverhältnis. Wir sprechen natürlich über politische Themen, aber auch private Dinge wie Urlaub oder so. Dass wir als Frauen an der Spitze der Stadt stehen ist unsere gemeinsame Stärke, damit sind wir ein Aushängeschild in ganz Deutschland. Natürlich sind wir politisch unterschiedlich sozialisiert. Letztendlich finden wir uns immer unter dem Dach des Koalitionsvertrages und dem Ziel, Augsburg gemeinsam zukunftsfähig zu gestalten, zusammen.


AJ: Teile der CSU-Anhänger werfen OB Weber vor, eher grün zu regieren – nach dem Motto des Zitats „Der grüne Schwanz wedelt mit dem schwarzen Hund.“
Wild: Also da muss ich lachen. Ich glaube, wir haben das Projekt schwarz-grün in dieser extrem schweren Phase der Pandemie gut gestartet, gerade wenn man bedenkt, dass diese besondere Konstellation natürlich aus einer sehr feindlich gesinnten Historie kommt. Wir diskutieren hart in der Sache, aus unterschiedlichen Positionen kommend, aber suchen dann auch eine gute Lösung, einen guten Kompromiss. Ich finde, das realisieren wir seit drei Jahren sehr gut.

„Früher saßen die Grünen in der letzten Reihe!“

Martina Wild


AJ: Aber die Sperrung der Maximilianstraße klingt doch eher nach „grün“?
Wild: Stimmt nicht – das wollten beide Koalitionspartner! Man muss sich nur die beiden Wahlprogramme anschauen und die Schnittmengen sehen – da steht das alles drin. Und darum ist das Thema natürlich auch im Koalitionsvertrag gelandet, als bewusste Entscheidung beider Partner. Im Koalitionsvertrag wurde versprochen, Augsburg vermehrt zur Fahrradstadt zu machen und die Innenstadt umzugestalten, für mehr Aufenthalts- und Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger. Da sind wir gerade dabei.


AJ: Arbeiten Frauen an der Spitze besser zusammen als Männer?
Wild: Vielleicht reden wir mehr miteinander. Übrigens dann nicht nur die Oberbürgermeisterin und ich. Wenn ein Problem auf dem Tisch ist, suchen wir eine Lösung – über Referatsgrenzen hinweg. Das ist doch sowieso das Zeichen der Zeit. Klimaschutz ist eine Querschnittsaufgabe ebenso wie Migration. Schulbau hat Priorität in dieser Stadt, und deswegen geht es uns alle an. Wir arbeiten auf Augenhöhe und partnerschaftlich zusammen.


AJ: Wo liegen die Schwerpunkte in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode?
Wild: Bildung ist ganz klar eine Daueraufgabe. Wir packen den Sanierungsstau an den Augsburger Schulen sukzessive an und machen unsere Schulen fit für die Zukunft mit Digitalisierung, Inklusion, aber auch Heterogenität in unserer Stadtgesellschaft. Bei den Gebäudesanierungen geht’s natürlich auch um Klimaschutz. Deswegen ist es so wichtig, dass wir auf unseren Kitas oder auf unseren Schulen, wenn wir dann ein Dach saniert haben, auch eine Solaranlage gleich mit-installieren oder den Schulhof begrünen. Bei der Priorität der Schulsanierungen habe ich einen Konsens mit der Oberbürgermeisterin, Finanzreferent Roland Barth und Baureferent Steffen Kercher.


AJ: Ein Konsens allein löst aber keine Probleme?
Wild: Wir haben von Anfang an das Hochbauamt für den Schulbau personell gestärkt und neue Stellen geschaffen und besetzt. Jetzt wird in meinem Referatsbereich ein Bildungs-Immobilienmanagement neu aufgebaut, wo wir den Bereich Kita- und Schulbau zusammennehmen und neu gestalten.


AJ:
Das heißt, die Stadt investiert in zusätzliches Personal?
Wild: Wir müssen eine Umorganisation machen, müssen auch Prozesse nochmal verändern. Auch mit dem Blick darauf, dass wir einen Rechtsanspruch bei der Schulkinderbetreuung umzusetzen haben. Aber natürlich brauchen wir auch mehr Personal, um den großen Aufgaben gerecht zu werden.

Martina Wild
Politikerin Martina Wild kam für das Interview an den Lech.


AJ:
Insgesamt hat sich der politische Wind gedreht, die Unzufriedenheit mit der Ampel-Regierung im Bund ist groß. Auch die Grünen verlieren stark. Wie spüren Sie das auf lokaler Ebene?
Wild: Als Grüne kenne ich eisigen Gegenwind seit Jahrzehnten. Das sind wir gewohnt. Wir stehen für Veränderung, die auch notwendig ist, um unsere Gesellschaft zukunftsfähig zu machen und nachhaltig zu gestalten. Vor Ort erlebe ich es aber derzeit gar nicht so massiv, sondern werde als grüne Bürgermeisterin und Referentin für Bildung und Migration in der Tat eher positiv wahrgenommen. Egal, ob es dann an mehr Fahrradwegen, der autofreien Maxstraße oder dem Solardach liegt, das auf die Kita kommt. Auch unsere Maßnahme, dass kein Kind mehr mit hungrigem Magen aus der Kita nach Hause geht und wir in der Kita mehr Bio-Essen anbieten, da sprechen mich viele explizit darauf an, dass sie das gut finden. Das geschieht auch regelmäßig beim Einkaufen im Supermarkt oder wenn ich mit meinen Kindern T-Shirts oder Schuhe kaufen gehe. Das ist mir früher nicht passiert.


AJ: Gibt’s auch kritische Anmerkungen?
Wild: Ja klar, aber das ist ja normal. Die stinkende Toilette in der Schule ist natürlich immer ein Thema, andere sind dafür glücklich über das Solardach auf ihrer Schule, für das sie so lange gekämpft haben.


AJ: Bei der Halbzeitbilanz der CSU-Fraktion klang es so, dass die Zusammenarbeit mit den Grünen zwar schon gut funktioniere, dass aber für die Zukunft nichts in Stein gemeißelt sei. Gerade jetzt im Landtagswahlkampf legen die Schwarzen großen Wert – auf sich selbst. Wie beurteilen Sie die gemeinsame Zukunft ihrer Koalition?
Wild: Aus meiner Sicht werden derzeit massiv Grenzen überschritten, was Populismus im Wahlkampf angeht. Diese Grenzen zu missachten ist Gift für unsere Demokratie. Gift übrigens, das es auch später schwieriger machen könnte, Koalitionen zu bilden. Auch bekomme ich Sorgenfalten auf die Stirn, wenn ich sehe, wie Teile der politischen Mitte rhetorisch nach rechts rücken. Wahlkampf hin oder her.


AJ: Eine noch schwierigere „grüne Rolle“ – weil auf Bundesebene freilich viel exponierter – hat Ihre Kollegin Claudia Roth. Gibt’s da einen regelmäßigen Austausch zwischen den verschiedenen politischen Ebenen?
Wild: Claudia Roth steht natürlich genauso wie Robert Habeck oder Annalena Baerbock voll im Rampenlicht. Ich freue mich jedenfalls sehr, dass wir mit Claudia eine Augsburger Staatsministerin haben. Sie ist ein echtes Pfund für uns Grüne hier und für die ganze Stadt. Ich kenne Claudia schon seit ich bei den Grünen bin, also seit Mitte der 90er Jahre. Wir haben nicht nur ein langes, sondern auch ein sehr vertrauensvolles Verhältnis. Und wenn sie in Augsburg ist, dann treffen wir uns auch oft, gehen mal Abendessen, wenn keine politischen Termine anstehen. Natürlich tauschen wir uns dann aus, politisch und privat. Quatschen über Urlaub, sie fragt wie es meinen Kindern geht, ich frage, wie es ihr geht. Und klar sprechen wir auch über politische Themen – aus Berlin und Augsburg. Das tut gut.


AJ: Claudia Roth ist seit Jahren „Staatsfrau“. Sie sind erst nach der Wahl vor drei Jahren als Bürgermeisterin in die „erste politische Reihe“ aufgerückt. Hat Sie das Amt verändert?
Wild: Was ich schon merke ist, dass nicht nur die Grünen insgesamt eine Professionalisierung erleben, sondern ich persönlich auch. Als ich 2003 in den Stadtrat kam, war das natürlich eine völlig andere Situation als jetzt. Ich mache immer wieder Coachings, habe damit aber schon als Studentin vor meiner Stadtrats-Zeit begonnen, um inne zu halten und zu reflektieren. Als zweite Bürgermeisterin gewinne ich täglich an Erfahrung und Know-how. Die Kompetenzen entwickeln sich dann natürlich auch automatisch weiter und man kriegt ein dickeres Fell. Wobei sich die Situation doch sehr verändert hat: Wenn ich Geschichten von früher höre – von Eva Leipprand oder Christine Kamm – da saßen die Grünen im Stadtrat immer in der letzten Reihe.


AJ: Wie kommt Ihre Familie mit Ihrer Bürgermeister-Rolle klar?
Wild: Das Familienleben kommt unter der Woche im Alltag allzu oft unter die Räder. Deshalb genießen wir die gemeinsamen Auszeiten sehr. Wegen meiner Schulkinder sind wir noch auf die Ferien angewiesen, waren zuletzt eine Woche in Wien. Und das Tolle ist, dass selbst meine Älteste, die gerade Abi gemacht hat, dann auch noch in den Urlaub mitfährt


AJ: Worauf freuen Sie sich diesen Sommer am meisten?
Wild: Erstmal darüber, dass wir diesen Sommer nichts für einen pandemischen Herbst vorbereiten müssen – sondern die schönen Tage unbelastet genießen können. Ich liebe den Sommer, die Sonne, werkle gern im Garten oder gehe auch mal baden. In den Sommerferien freue ich mich auf unseren Urlaub in Cassis an der Côte d‘Azur. Und vorher auch auf ein Eis ab und zu – bei uns ums Eck in Bobingen gibt’s das Beste!


AJ: Was sind Ihre Lieblingssorten in der Eisdiele?
Wild: Dunkle Schokolade und Minze!


AJ: Zufällig die Koalitions-Farben schwarz und grün?
Wild: In dem Fall – ja! (lacht)

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