Die meisten unterschätzen die Zeitachse – und mehr Zeit bedeutet mehr Geld,“ fasst der Augsburger Unternehmer Michael Nimtsch pragmatisch zusammen. Hinterlegt man diese Erkenntnis, die viele Startup-Träume platzen lässt, in seinem Fall mit echten Zahlen, droht Schnappatmung: 1,3 Millionen Euro betragen die Kosten für sein „Baby“, die Firma Trailer Dynamics in Eschweiler bei Aachen, aktuell – und zwar jeden Monat!
Den erfolgreichen Manager, der 30 Jahre lang als Vorstand internationaler Firmen agierte, kann das nicht schocken. Auch wenn er nach seinem Einstieg 2018 eigentlich längst fertig sein wollte. „Drei Jahre war meine Einschätzung anfangs, bis wir es geschafft hätten. Und natürlich tut jeder Monat länger weh. Aber ein so komplexes Produkt wie der eTrailer braucht eben so lange, wie es braucht.“
Dem Laien fällt in diesem Zusammenhang freilich der Name Quantron ein. Das ambitionierte Gersthofer Unternehmen, das mit der Elektrifizierung von LKW vielversprechend gestartet ist – inzwischen aber Insolvenz anmelden musste. Nimtsch: „Das kann man gar nicht vergleichen. Quantron ist ein sogenannter Retro-Fitter, der versucht hat, LKW individuell auf Elektrotechnik umzurüsten. Da hat man von den Kosten her aber keine Chance gegen ein Produkt, das in Linienfertigung hergestellt wird.“ Daran arbeitet man in Eschweiler. Stark vereinfacht dargestellt erzeugt das 80-Mann-Team, das gut zur Hälfte aus Softwareentwicklern besteht, neuartige LKW-Anhänger, die durch eine elektrifizierte Mittelachse die Sattelzugmaschine im Vortrieb unterstützen und damit in erheblichem Maße den Verbrauch absenken und Schadstoffe reduzieren. Wobei die Trailer selbst von den großen Herstellern wie Krone zugeliefert werden; nur die ausgeklügelte Technologie – „E-Kit“ genannt – kommt von Nimtschs Firma.
Die offizielle Beschreibung lautet „… ein umfassendes und bisher einzigartiges Lösungskonzept für die Dekarbonisierung und Effizienzsteigerungen des Langstrecken Schwerlast Güterverkehrs durch die Einrichtung eines zusätzlichen batterieelektrischen Antriebsstrangs im Trailer.“ Ziel ist, dass die Trailer-Hersteller selbst in ihren Produktionsanlagen jährlich mehrere tausend eTrailer herstellen und direkt mit E-Kits ausstatten.
Die Idee, durch Elektrifizierung des LKW-Aufliegers mit Hilfe einer elektrischen Mittelachse bis zu 50 Prozent an Schadstoffen beim Gesamt-Truck einzusparen, hatte sein Partner und Firmengründer Abdullah Jaber bereits 2015. Bei zwei Millionen Diesel-Bestandsfahrzeugen in Europa ein vielversprechender Ansatz, fand Michael Nimtsch und setzte sein gesamtes Vermögen ein, alles auf eine Karte.
„Bis 2030 muss jeder Trailer mindestens 10 Prozent zur CO2-Reduktion des Gesamtfahrzeugs beitragen, sonst werden Strafzahlungen in existenzgefährdender Millionenhöhe fällig“, weiß nicht nur Michael Nimtsch, sonst hätte er wohl kaum letzten Sommer auf die Schnelle 30 Millionen Euro an Investorengeldern einsammeln können.
Für Logistiker, die in der Regel ganze Flotten an LKW haben, ist das E-Kit zwar im ersten Moment ein teurer Spaß: Solch ein Trailer kostet in der Anschaffung im Durchschnitt ca. 200.000 Euro statt zuvor um die 30.000 Euro – in der „Dreckschleuder-Version“. Auf lange Sicht rechnet sich’s aber, so die Prognose des Unternehmers: „Wenn die Gespanne viel teurer werden, wird die Zahl automatisch sinken. Das funktioniert aber wunderbar, wenn immer mehr Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt, die das Flottenmanagement deutlich komplexer und effektiver machen wird.“
Das Unternehmen Trailer Dynamics, auf das Nimtsch inzwischen mit sechs weiteren Gesellschaftern setzt, soll in rund zwei Jahren, spätestens 2027, in Vollserie gehen. Dann steht auch einem Börsengang nichts mehr im Wege. „Und die Pendelei zwischen Eschweiler und Augsburg – im Moment fahre ich jeden Sonntag nachts hin und am Donnerstag fürs Wochenende zurück – hat dann absehbar ein Ende. Ich bin 67 und fühle mich fit, aber die Fahrerei schlaucht.“ Bis es soweit ist, muss er durchhalten. Und seine Frau Gabriele Eger, selbst erfolgreiche Anwältin, mit Hund Anou in Augsburg zumeist alleine spazieren gehen.
Michael Nimtsch: Wir haben 6.600 Reservierung
Aber Michael Nimtsch wähnt sich auf dem richtigen Weg. Allein bei der letzten internationalen IAA Transportation in Hannover wurde der Stand des innovativen Trailer-Optimierers überrannt, so der Geschäftsführer: „Wir haben 6.600 Reservierungen, das wäre ein theoretischer Auftragswert von 1,2 Milliarden Euro. Aber noch befinden wir uns in der Testphase, die jedoch sehr gut läuft. Eigentlich kann nichts mehr schiefgehen“.
Aktuell fahren zwölf für den Straßenverkehr zugelassene Prototypen durch die Lande. Im Lauf des Jahres 2025 sollen 50 weitere dazukommen. 2026 umfasst eine Vorserie dann mehrere hundert eTrailer – wenn alles nach Plan läuft.
Kürzlich war das Technologie-Startup aus Eschweiler sogar prominent im TV. In den ARD-Tagesthemen ging’s um die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland, den Michael Nimtsch für sich und sein Unternehmen ganz klar definiert: „Deutschland ist für uns der optimale Standort, auch was Fachkräfte angeht. Ich kann die Unternehmer nicht verstehen, die immer nur jammen. Diese Unternehmer müssen mehr unternehmen!“
Nur eines würde sich der Augsburger wünschen – von der Politik: „Das Wichtigste für uns wäre Planungssicherheit, die wir zuletzt schmerzlich vermisst haben. Die deutsche Wirtschaft braucht dringend verlässliche Rahmenbedingungen.“
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