„Ist das Kunst oder soll das weg?“ Diese Redewendung, berühmt geworden nach der Zerstörung eines Werks von Joseph Beuys durch eine Putzfrau, kommt vielen in den Sinn, entdecken sie ein neues Graffiti an der Lärmschutzwand gegenüber, an der Fußgängerunterführung, an der Bushaltestelle… Gut, wenn man nicht als Gebäudebesitzer auch noch zuständig ist für das ungewollte „Werk“. In vielen Fällen ist nämlich klar, dass, egal ob Kunst oder nicht, die „Schmiererei“ wieder weg soll. Und wohl in den seltensten Fällen lassen sich die Verursacher zum Abputzen heranziehen.
Zwar hat erst kürzlich ein Augsburger Amtsrichter zwei heranwachsende „Künstler“ dazu verurteilt, rund 50 von ihnen im Stadtgebiet angebrachte sogenannte „Tags“, Schriftzüge, wieder zu entfernen, das ist aber erfahrungsgemäß die große Ausnahme. In den allermeisten Fällen bleiben die Stadt, Stadtwerke, die Bahn aber auch Privatleute mit der Aufgabe alleingelassen, den Ursprungszustand wieder herzustellen. Die Stadt hat dazu das „Projekt Schmierfink“ ins Leben gerufen, das jetzt erweitert werden soll. Es greift betroffenen Anlagen- und Gebäudebesitzern finanziell unter die Arme, wenn ein Graffiti wieder entfernt werden soll, was oft nicht billig ist. Augsburgs Ordnungsreferent Frank Pintsch sieht darin einen wichtigen Baustein, um gegen unerwünschte Graffitis vorzugehen. Im Interview mit dem AJ REPORTER erklärt er: „In Augsburg ist die Zahl an illegalen Graffitis in den letzten Jahren erfreulicherweise messbar zurückgegangen. Mit dem Augsburger Grundsatz ‚Kunstfreiheit ja, Sachbeschädigung nein‘ sind wir einen Weg gegangen, dass wir Kunst im öffentlichen Raum fördern und zugleich durch das Projekt Schmierfink einen Anreiz für eine rasche Beseitigung von illegalem Graffiti setzen.“
Das Problem sei damit aber noch längst nicht gelöst. Besonders betroffen seien öffentliche Einrichtungen wie Schaltkästen, Straßen und Unterführungen. Doch auch private Hausbesitzer müssten immer wieder mit unschönen Überraschungen rechnen, die ihnen nicht nur Zeit, sondern vor allem Geld kosten.
Projekt Schmierfink fördert Reinigungskosten
Das Projekt Schmierfink greift genau hier ein. Es bietet finanziellen Support, wenn ein Graffiti entfernt werden muss. Bislang wurden acht Anträge auf Förderung gestellt, sieben davon bewilligt. Pintsch betont: „Wir merken, dass das Förderprojekt gerade in der letzten Zeit in zunehmendem Maße bekannt und in Anspruch genommen wird. Und auch ein entsprechendes Bedürfnis bei den Eigentümern da ist.“ Die Stadt zeigt damit einen ganzheitlichen Umgang mit dem Thema Graffiti. Die Förderquote beträgt 60 Prozent der Reinigungskosten und ist auf maximal 5.000 Euro pro Jahr pro Grundstück begrenzt. Für Eigenleistungen erstattet die Stadt Materialkosten bis zu 500 Euro jährlich. „Wichtig ist auch, dass eine Reinigungstechnik verwendet wird, die eine Schutzlackierung umfasst, um zukünftige Sachbeschädigungen verhindern bzw. besser entfernen zu können“, erklärt Pintsch.
Doch nicht jedes Graffiti ist gleichbedeutend mit einem Kunstwerk. Tags – also einfache, meist illegale Schriftzüge – sorgen vielerorts für Unmut. Laut Pintsch sei ein schneller Einsatz wichtig, um Nachahmer abzuhalten. Denn: „Es ist ein Erfahrungswert, dass Verunreinigung und mangelnde Pflege auch weitere Beschädigungen nach sich ziehen können.“
Dass die Stadt Augsburg gleichzeitig legale Graffiti-Projekte unterstützt, zeigt, wie fein die Balance zwischen Kunstförderung und dem Schutz des Stadtbilds austariert werden muss. Die bemalten Schaltkästen der Stadtwerke oder die Wände am Hallenbad Haunstetten sind Beispiele dafür, wie Urban Art positiv wirken kann.
Der Ordnungsreferent spricht sich dabei klar gegen jegliche Form von Sachbeschädigung aus. Dennoch betont er, dass die Stadt das kreative Potenzial der Graffiti-Szene zu schätzen weiß. Diese Mischung aus Förderung und konsequentem Vorgehen gegen illegale Schmierereien zeigt offenbar Wirkung, darauf würden die sinkenden Zahlen hinweisen.
Ein besonderer Fall sind Schmierereien mit verfassungsfeindlichen Symbolen. Hierzu gibt es klare rechtliche Vorgaben, wie eine Stellungnahme des Bayerischen Staatsministeriums des Innern aus dem Jahr 2012 zeigt. Demnach sind Eigentümer verpflichtet, entsprechende Zeichen zu entfernen. Die zuständigen Sicherheitsbehörden können die Entfernung anordnen und notfalls auch selbst vornehmen.
Privatpersonen dürfen allerdings keine Graffitis auf fremdem Eigentum entfernen – auch nicht, wenn es sich um verfassungsfeindliche Zeichen handelt. Sie würden sich dabei selbst strafbar machen.
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