Start Stadt & Region Starke Zeit für kleine Sünden!

Starke Zeit für kleine Sünden!

Gestachelt, nicht geschüttelt: Biersommelier Weltmeister Sebastian Priller-Riegele erklärt, wie er dem Speziator besondere Aromen für den Genuss in der fünften Jahreszeit entlockt.

Deutschlandweit sinkt der Bierkonsum seit Jahren, doch Bayern trotzt diesem Trend – auch im vergangenen Jahr konnten die heimischen Brauereien ihren Absatz steigern. Laut dem Bayerischen Brauerbund stiegen die Verkäufe um 1,6 % auf 2,38 Milliarden Liter, mit Einbeziehung der zunehmend beliebten alkoholfreien Varianten erreichte Bayern sogar 2,6 Milliarden Maß. Diese Zahlen machen deutlich, dass in ganz Bayern und auch in Augsburg Bier ein fester Bestandteil der regionalen Identität ist.

Eine besondere Tradition stellt dabei die Starkbierzeit dar, oft als die bayerische „fünfte Jahreszeit“ bezeichnet, die während der Fastenzeit beginnt. Die Geschichte des Starkbiers ist in Bayern so alt wie die Klöster selbst. Bereits im 15. Jahrhundert brauten die Mönche der Paulaner-Abtei in München während der Fastenzeit ein kräftiges, nahrhaftes, stark malziges Bier, das als „flüssiges Brot“ diente. So entstand auch das legendäre Doppelbock-Starkbier der Paulaner, das später unter dem Namen „Salvator“ berühmt wurde. Eine augenzwinkernde Legende besagt, dass die Mönche aus schlechtem Gewissen ein Fass ihres Starkbiers an den Vatikan schickten – doch da der lange Transport das Bier verdarb, musste der Papst, entsetzt über den sauren Geschmack, feststellen: „Was so schmeckt, kann nur Buße sein!“ So wurde das Starkbier ironischerweise als Fastengetränk abgesegnet. Ein Starkbier heute ist ein kraftvolles Bock- oder Doppelbockbier mit einem Mindeststammwürzegehalt von 18 Prozent und einem Alkoholgehalt von etwa 6,5 bis über 7,5 Prozent, diese sind in hellen und dunklen Varianten erhältlich und zeichnen sich durch ihren vollmundigen, malzbetonten Geschmack aus. Nicht nur beim legendären Münchener Starkbierfest am Nockherberg (vom 14.3. bis 6.4.), auch in Augsburg und der Region wird zur Fastenzeit dem Doppelbock-Kult gehuldigt. Wir haben mit den Brauerei-Chefs und Chefinnen über ihre „starken Spezialitäten“ gesprochen.

Sein besonderes Genuss-Geheimnis verriet uns im Interview zunächst Biersommelier-Weltmeister Sebastian Priller Riegele…

Augsburg Journal: Seit wann werden bei Riegele eigentlich spezielle Fastenzeitbiere gebraut?

Sebastian Priller-Riegele: Wann bei Riegele das erste Starkbier gebraut wurde, darüber haben wir keine Dokumentation. Aber mindestens seit den frühen 60er-Jahren haben wir Bockbier-Etiketten im Archiv.

AJ: Seit wann gibt´s den Speziator hell und dunkel? Bleibt die Braurezeptur stets unverändert?

Priller: Einen Doppelbock unter dem Namen „Speziator“ gibt es bei Riegele mindestens seit den frühen 1960er Jahren. Die Rezeptur bleibt dabei unverändert – auch wenn Bier natürlich immer ein Puzzle aus 1.000 Teilen ist und immer wieder neu zusammengesetzt werden muss.

AJ: Zählt das Riegele Weizendoppelbock auch zu den Fastenstarkbieren?

Priller: Ja! Mit 18,5° Plato Stammwürze ist der Riegele Weizendoppelbock definitiv ein Starkbier, in diesem Fall sogar obergärig.

Macht voll Bock: Gestachelter Genuss

AJ: Was zeichnet diese Traditionsbiere besonders aus?

Priller: Das schwierige ist die Raffinesse im Nachtrunk – es ist eine Kunst, ein Starkbier zu brauen, das nicht zu süß ausklingt.

AJ: Aktueller Trend: Wäre es technisch möglich, ein alkoholfreies Starkbier zu brauen oder ist das ein Widerspruch in sich?

Priller: Heutzutage sind auch Widersprüche in sich möglich!

AJ: Zu welchen Gelegenheiten trinkt der Chef des Hauses denn selbst gerne ein Starkbier?

Priller: Wenn es mal ein Starkbier wird, dann am liebsten als gestachelten Bock! Beim Stacheln wird ein heißglühendes Eisen in ein kühles Bier (6-7 °C) getaucht. Durch die Hitze karamellisiert der Zucker und der Schaum steigt auf. Dadurch verändert sich nicht nur die Temperatur, vielmehr entsteht ein besonderes Geschmackserlebnis. Stacheln eignet sich besonders gut zum Ausklang nach einer Bierprobe oder nach einem tollen Abendessen mit Freunden.

Ein sündiges Geheimnis in der Kühbacher Brauerei

Ein „sündiges Geheimnis“ verriet uns Umberto Freiherr von Beck-Peccoz. In der Kühbacher Brauerei des Barons kann auf eine 1000-jährige Brautradition zurückgeblickt werden, die von Benediktinerinnen begründet wurde. Das Schlossgut Kühbach steht seit 1862, mittlerweile in der sechsten Generation, im Besitz der Freiherren von Beck-Peccoz.

AJ: Mit dem Peccator und dem RED hat die Brauerei Kühbach zwei „starke Spezialitäten“ im Sortiment. Was kennzeichnet diese beiden Starkbiere?

Umberto Freiherr von Beck-Peccoz: Der Kühbacher Peccator ist ein klassischer bayerischer Doppelbock mit 7,0 Vol. %, aus Röstmalz gebraut, tiefdunkel, mit einer feinen Süße von Rauch- und Lakritzenoten, die durch einen stattlichen Anteil Bitterhopfen abgemildert wird. Die obligatorische Endung auf -ator haben wir mit unserem zweiten Familiennamen Peccoz kombiniert, was lateinisch „Sünder“ ergibt – was würde besser zur Fastenzeit passen?

Das RED haben wir auf große Nachfrage unserer italienischen Kunden hin entwickelt, die unbedingt eine „Rossa“ haben wollten. Herausgekommen ist ein höchst innovativer, mit rotem Cara-Malz (Karamellmalz) eingebrauter, an den Geschmack belgischer Starkbiere angelehnter roter Bock mit 8,5 Vol. % alc., der köstliche Karamellnoten mit der Bittere verschiedener Hopfen kombiniert. Der Name ist Programm: Rot – Extrem – Doppelbock!

AJ: Dank der besonderen historischen Beziehung Ihrer Familie zu Italien haben die Bierspezialitäten der Brauerei Kühbach in Bella Italia ja eine eigene Fangemeinde. Warum stehen gerade die Starkbiere dort so hoch im Kurs?

Freiherr von Beck-Peccoz: In Italien, oder zumindest Teilen davon, ist es offensichtlich Tradition, körperreichere und alkoholischere Biere zu genießen. Jedenfalls wird uns vor allem das RED geradezu aus den Händen gerissen und von vielen Kunden ganzjährig – also auch im Sommer – meistens sogar in Krügen zu 0,5 l ausgeschenkt. Im Vergleich zum Wein ist der Alkoholgehalt ja gering, da ist RED ja gewissermaßen ein Aperitif…

AJ: Auf welchen Festen in der Region werden denn der Peccator oder RED in der Fastenzeit ausgeschenkt?

Freiherr von Beck-Peccoz: Wir beliefern eine ganze Reihe traditioneller Starkbierfeste, wobei wegen der großen Besucheranzahl vor den Toren von Augsburg insbesondere das Fest in der Friedberger Stadthalle als Referenz zu nennen wäre.

AJ: Zu welcher Gelegenheit trinken Sie privat gerne einen Doppelbock?

Freiherr von Beck-Peccoz: Es gibt drei Gelegenheiten, in denen ich unsere Starkbiere immer mit großer Freude genieße: Einmal natürlich auf den diversen Starkbierfesten, da kommt mir nichts anderes ins Glas. Zum anderen immer dann, wenn wir – im privaten Rahmen oder im Kundenkreis – eine Bierverkostung veranstalten. Und schließlich, wenn ich bei unserer italienischen Kundschaft auf ein Starkbier vom Fass stoße – Burger und RED sind eine göttliche Kombination!

Brauerei Ustersbach mit dem legendären Starkbier Ustator

Zu Besuch war das Augsburg Journal natürlich auch im Herzen des Naturparks Augsburg Westliche Wälder bei Stephanie Schmid, Chefin der Brauerei Ustersbach, wo seit 1605 in mittlerweile 13. Generation Bier gebraut wird.

AJ: Was können Sie uns zur Geschichte des legendären Ustator berichten?

Stephanie Schmid: Obwohl es ganz früher schon Starkbiere gab, wie zuletzt bis in die 70er und 80er Jahre den Ustamor, einen hellen Bock, wurde ab da viele Jahre kein Starkbier mehr gebraut. Erst 1999 zum Millennium wurde auf Wunsch des Braumeisters auf den letzten Drücker noch ein besonderes Bier gebraut – der Ustator 2000, ein dunkler Weizendoppelbock. Eigentlich als einmalige Sonderedition gedacht, hatte der Ustator eine super Resonanz und war so gefragt, dass er im Sortiment belassen wurde. Seitdem gibt es jährlich einen Sud und jeweils ab November ist der dunkle Weizendoppelbock in 0,33 oder 0,5 Liter Flaschen im Handel.

AJ: Das Besondere daran?

Schmid: Das Ustersbacher Starkbier besticht mit 8,9 % vol. Alkohol bei satten 19 °Plato Stammwürze – ein dunkler Weizendoppelbock mit malzigem, kräftigem und doch abgerundetem Geschmack. Die saisonale Spezialität ist erhältlich nur solange der Vorrat reicht und nur in den Wintermonaten.

AJ: Genießt die Chefin selbst auch diese Spezialität?

Schmid: Ich trinke vorwiegend Pils, aber im Winter gerne auch mal ein Starkbier.

Umberto Freiherr von Beck-Peccoz: Der Chef der Brauerei Kühbach erfreut Starkbier-Fans mit dem sündig-süffigen „Peccator“ und dem „Kühbacher RED“ – beides gibt´s auch in Magnumflaschen für gesellige Runden.

Brauereichefin Stephanie Schmid führt das Unternehmen schon in der 13. Generation. Sie und ihre Mitarbeiter schieben immer wieder neue Innovationsprozesse an. Ein Beispiel dafür ist das zukunftsweisende Energiekonzept zur klimaschonenden Getränkeherstellung.

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