Georg Schmid war mal der „Stimmenkönig“ der CSU in Bayern. Dann kam eine Affäre und später traf ihn eine Krankheit. Jetzt ist der Donauwörther zurück. Auch als Rechtsanwalt in Augsburg.
Von Anja Marks-Schilffarth
„Vier Meter tief bin ich gefallen, von diesem Weichselbaum im Garten. Aber schon währenddessen habe ich gespürt: Mir passiert nichts, ich werde aufgefangen,“ erzählt Georg Schmid mit seinem verschmitzten Lächeln, das über die Jahrzehnte das Markenzeichen des ehemaligen Top-Politikers war. Der „liebe Gott“ habe ihn gerettet, ist der leidenschaftliche Weichselmarmelade-Einkocher (mit dem Thermomix!) fest überzeugt. Beim Baumsturz vor wenigen Wochen – aber auch schon oft zuvor, im bewegten Leben des 69-Jährigen.
Bis 2013 war der gläubige Donauwörther, der Anfang der 70er Jahre in Augsburg Jura studiert hatte, das Aushängeschild der CSU. Er strebte schon immer in die erste Reihe – von Führungsaufgaben in der örtlichen CSU über hohe Posten im Landratsamt – bis er 1990 Mitglied des Bayerischen Landtags wurde. 2003 gehörte er sogar zu den beliebtesten Politikern Bayerns, als „Stimmenkönig des Freistaats“ mit stolzen 73,2 Prozent Wähler-Zuspruch bei der Kommunalwahl. Ab Oktober 2007 übernahm er als Nachfolger von Joachim Herrmann den Vorsitz der CSU-Fraktion – eine der wichtigsten Schlüsselpositionen, die es in der CSU gibt.
Der Höhenflug des Georg Schmid fand 2013 ein jähes Ende. Die sogenannte „Verwandtenaffäre“, in der es bei ihm und anderen Politikern um die Beschäftigung naher Verwandter als Mitarbeiter ging, brachte den populären „Schüttelschorsch“ – weil er bei offiziellen Terminen auffallend fröhlich und open-minded alle Anwesenden mit Handschlag begrüßte – zu Fall. Er zog sich aus der Politik zurück, wurde im Nachgang von der Augsburger Staatsanwaltschaft sogar noch strafrechtlich belangt.
„Das waren vier oder fünf sehr schlimme Tage“, so Georg Schmid heute. „Wenn du denkst, du hast alles richtig gemacht – und es stellt sich heraus, dass es nicht richtig war. Da fällst du tief, das ist klar. Aber du musst aufpassen, dass du nicht zu tief fällst. Und möglichst schnell wieder aufstehen.“
Eine Phase, in der sich wahre Freunde zeigen. „Es war hochspannend zu erleben, wer sich mir zugewandt hat – und wer mich attackierte. Ich will keine Namen nennen, aber so viel kann ich sagen: Überraschenden Zuspruch bekam ich weniger aus der eigenen Partei, als vielmehr aus anderen Lagern. Wenn du an der Macht bist und ganz vorne stehst, hast du vermeintlich viele Freunde, die sich einen Vorteil von dir versprechen. In der Not zeigen sich die echten Freunde, von denen ich zum Glück viele gehabt habe. Die haben das auch alles kritisch begleitet, nicht falsch verstehen. Aber eben menschlich. Das hat gut getan“, so Schmid über die schwierige Phase nach seinem Karriereende.
Talk im Park: Georg Schmid im Video-Interview
Auch im privaten Umfeld in der Heimat Donauwörth, in der Nachbarschaft, beim Metzger oder Bäcker, erlebte Schmid Akzeptanz: „Die meisten haben so etwas gesagt wie: Junge, das ist passiert – aber du hast die Konsequenzen gezogen. Und du hast immer gute Arbeit gemacht. Bestimmt gab’s auch welche, die dachten: Geschieht ihm Recht, wahrscheinlich hat er zu viel Macht gehabt. Aber der Umgang miteinander war stets offen und ehrlich. Ich glaube das liegt daran, dass ich als Politiker auch immer nah dran war an den Menschen. Das fehlt mir heute ein Stück weit in der Politik.“
Schon vier Wochen nach der persönlichen Katastrophe rappelte sich Georg Schmid wieder auf. Der gelernte Jurist beschloss, sich als solcher selbständig zu machen. Freunde wie der vor wenigen Monaten verstorbene Dehner-Gründer Albert Weber schenkten dem umtriebigen Macher – und langjährigen Tennispartner – vorbehaltlos ihr Vertrauen. „Albert Webers Devise war stets: Geben und Nehmen. Das sehe ich genauso. Im Spaß hat er auch immer zu mir gesagt: Du darfst alles machen, nur gib‘ am Tag nicht mehr als eine Million Euro von meinem Geld aus!“
Deutlich mehr war es mit Sicherheit bei einem der größten Augsburger Großbauprojekte aller Zeiten: Dem Ackermann Park, 416 Wohnungen angrenzend an das Dehner-Gelände an der Ackermann Straße, das Georg Schmid von Anfang an maßgeblich mit der Inhaberfamilie der Dehner-Gartenmärkte gestaltete: „Mit Albert Weber war ich damals noch bei OB Kurt Gribl, weil wir auf dem Gelände eigentlich nur etwas Kleines machen wollten. Als der OB dann sagte, ihm würde eine große Lösung vorschweben, war Albert gleich Feuer und Flamme. Der Ackermann Park wurde zur Herzensangelegenheit der ganzen Familie – und auch von mir persönlich.“
Beruflich hat der Netzwerker seine Baustelle also schnell und gut in den Griff bekommen. Privat ereilte ihn 2019 aber schon der nächste Paukenschlag. „Bei einer Routinekontrolle beim Arzt bekam ich aus dem Nichts die Diagnose: Tumor auf der Niere, bösartig, sechs mal drei Zentimeter groß, „high risk“-Operation – und die nur sofort!“ Wie fühlt sich das an, wenn man bis auf eine Blinddarm-Operation im Kindesalter sechs Jahrzehnte lang pumperlgsund war? Drängt sich die Idee auf, da könnte ein Zusammenhang mit dem Karriereende bestehen? Schmid: „Du weißt ja nie, wo etwas herkommt. Freilich gibt’s den Spruch: ,Das kann einem an die Nieren gehen!‘ Und natürlich spielt der Stress auch immer eine Rolle. Aber egal – ich hab’s bereinigt.“
Nur 14 Tage lagen zwischen Diagnose und Operation – die betroffene Niere wurde entfernt. Abgesehen von regelmäßigen Immuntherapie-Behandlungen, die unangenehm sind, ist Schmid wieder fit. Er kann wie früher Tennis – sogar noch in einer Altherrenmannschaft –, Golf und gelegentlich sogar Hallenfußball spielen. „Und das, obwohl ich nächstes Frühjahr 70 Jahre alt werde; wobei – vielleicht stimmt auch mein Pass nicht. Ich fühle mich deutlich jünger!“ Und da ist es wieder, das Schmunzeln.
Seine Augen leuchten auch, wenn er über Bayern spricht: „Amerikaner reden über Deutschland – und meinen damit Bayern. Das kommt doch nicht von ungefähr. Wenn jemand die Politik der CSU kritisiert, dann frage ich ihn, woher kommt denn unserer Vorreiterrolle in Deutschland? Warum sind wir in der Bildung, in der Wirtschaft, im Tourismus ganz vorn? Aber wir müssen auch aufpassen. Von der Vergangenheit allein kann man sich nichts kaufen.“
Klingt da eine leichte Kritik an den aktuell regierenden Ex-Kollegen durch? Wie sieht ein Georg Schmid unseren amtierenden Ministerpräsidenten Markus Söder? „Ich beneide ihn nicht um diese Aufgabe. Aber ich glaube, er macht das ganz gut. Dabei steht es mir auch gar nicht zu, das zu beurteilen.“ Wobei: Eigentlich schon, ist er doch seit mehr als 40 Jahren CSU-Mitglied – und wird es auch „immer bleiben“. Vielleicht auch irgendwann mal wieder mehr, als nur Mitglied?
Georg Schmid und eine Rückkehr in die Politik? „Keine Option“
Schmid: „Wenn Du einmal in der ersten Reihe warst, gehst du nicht mehr zurück. Nein, jede Zeit hat ihre Aufgabe. Ich habe so viel politisch bewegt – vom Rauchverbot bis zur B 2, auf der ich von Augsburg nach Donauwörth fahre. Ich bin glücklich, wie es ist. Zurückkommen ist keine Option.“
Kontakt zu CSU-Weggefährten hat er mit wenigen: „Edmund und Karin Stoiber rufe ich immer zum Geburtstag an; mit Erwin Huber habe ich neulich auch gesprochen.“ Aber – die Politik hat in seinem Leben keine Prio mehr.
Dagegen gibt’s eine neue, sehr erfüllende Rolle im Leben des Georg Schmid: Opa! Die beiden Söhne haben Georg Schmid und seine Frau zu stolzen Großeltern gemacht, indem sie ihnen drei Enkelbuben „zwischen null und zwei“ beschert haben. Georg Schmid: „Wir genießen es sehr, wenn die Burschen aus München zu Besuch kommen, im Garten herumspringen. Es ist wunderbar zuzusehen, wie sie laufen – und denken lernen. Opa sein ist eine schöne Sache!“
Er ruht in sich, scheint es. Auch wenn er aktiv und agil wie eh und je daherkommt. Optimismus und Zuversicht hätten ihn immer getragen, sagt Georg Schmid heute über sein „erfülltes Leben“. Und: „Bei mir ging es 60 Jahre lang immer alles nur nach oben. Dafür bin ich sehr dankbar.“ Und wenn dann doch einmal etwas schief läuft, hat er ja noch einen guten „Auffänger“ – ein paar Etagen weiter oben. Schmid: „Egal, was passiert. Der Herr wird’s schon richten. Davon bin ich ganz fest überzeugt.“